Tichys Einblick
Absturz bei der Europawahl

Eine grüne Epoche ist zu Ende – und vielleicht auch mehr

Als Partei sind die Grünen der große Verlierer der Europawahl. Vor allem bei den jungen Wählern haben AfD und CDU ihnen den Rang abgelaufen. Nun droht ihnen auch von links Gefahr.

picture alliance / Wolfgang Maria Weber | Wolfgang Maria Weber

Die Europawahl 2019 war ein Höhepunkt des grünen Höhenrauschs: 20,5 Prozent bei einer bundesweiten Wahl. Rund fünf Prozentpunkte vor der SPD und nur noch zwei Prozentpunkte hinter der CDU (ohne CSU). Die Grünen waren die Nummer eins im linken Lager, Dieses Lager hatte die Aussicht auf eine rot-rot-grüne Koalition. Und die Grünen verfügten mit Robert Habeck und Annalena Baerbock über zwei potenzielle Kanzlerkandidaten – die SPD diskutierte zu der Zeit, ob es sich überhaupt noch lohne, einen Kanzlerkandidaten aufzustellen.

2024 sieht es zur Europawahl ganz anders aus: Die SPD hat zwar nochmal verloren. Trotzdem bleiben die Grünen die Nummer zwei im linken Lager. Baerbock hat bereits bewiesen, dass sie mit der Kanzlerkandidatur überfordert ist – ja, dass sogar schon das Verfassen eines korrekten Lebenslaufs zu viel von ihr verlangt ist. Robert Habeck ist der erste „Wirtschaftsminister“, dem die Bürger beim Fehlermachen zuschauen dürfen. Der den Unternehmen empfiehlt, sie müssten nicht in die Insolvenz, wenn sie rechtzeitig genug aufhörten zu produzieren. Aber egal, wer für die Grünen Spitzenkandidat wird: Die derzeit regierende Ampel erreicht bei der Europawahl zusammen nicht einmal mehr jeden dritten Wähler. Zieht man die Nichtwähler ab, stehen die Regierungsparteien gemeinsam bei knapp über 20 Prozent. Die dritte Partei des einst möglichen rot-rot-grünen Bündnisses, die Linke, steht vor dem Abschied in die Geschichte.

Für die Grünen wäre das alles schon recht unerfreulich. Doch noch schlimmer wird es für die Partei, wenn sie auf die jungen Wähler blickt. Bei den Menschen unter 30 Jahren haben die Grünen laut ZDF 18 Prozentpunkte verloren. Bei den Wählern zwischen 16 und 24 Jahren erreichten sie demnach 11 Prozent – sechs Prozentpunkte weniger als AfD und Union. Die Ampel erreicht in dieser Gruppe zusammen 26 Prozent. Der Zukunft graut es vor der selbst ernannten „Zukunftskoalition“.

Die Grünen sind die bestimmende Partei in dieser „Zukunftskoalition“. Politisch setzen sie sich durch. Medial werden sie von staatlichen und staatsnahen Medien getragen. Wer sich gegen sie wendet, wird gnadenlos von „Haltungsjournalisten“ niedergemacht. So wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine. Und wie die FDP in nahezu allen Fragen. Auch das erklärt, warum die Grünen zu einer Partei geworden sind, die von älteren Menschen getragen wird und für jüngere unwählbar geworden ist: Die Älteren lassen sich vom Trommelfeuer von ARD und ZDF noch erreichen oder haben ihr SZ-Abo immer noch nicht gekündigt.

Über die grüne Politik ist an dieser Stelle viel geschrieben worden: die verheerende „Wirtschaftspolitik“. Der Degrowth, den die Grünen wollen und den SPD wie FDP mittragen – ob willentlich oder nicht. Die unrealistische Migrationspolitik. Die Arroganz. Der Vernichtungswille gegenüber jedem, der einen Fehler gemacht hat. Oder sich auch nur gegen die Grünen ausgesprochen hat. Gleichzeitig dann aber die Weigerung nach eigenen Skandalen zurückzutreten, so wie jetzt die Berliner Abgeordnete Tuba Bozkurt, die den Mord an einem Polizisten in Mannheim als gute Vorlage für einen Witz hielt: „Mannheim ist tot?“ Höhöhö.

Die Grünen haben eine erfolgreiche Epoche hinter sich. Der Erfolg lag zum einen an Habeck und Baerbock. In der Opposition waren sie ein gutes Vorsitzendenduo: Sie verstanden es, die Grünen aus Skandalen zu halten, auf den jeweils aktuellen Themen zu surfen und die Partei geschlossen auftreten zu lassen. Dann war der Zeitgeist hinter ihnen. Junge Menschen gingen für grüne Themen auf die Straße.

Ja. Da steckte viel Schmuh hinter: Stiftungen, die Geld gaben für eine Politik, an der wiederum ihre Geldgeber später ordentlich verdienten. Eine Polizei und Justiz, die bei Straftaten zuschaute. Schulleiter, die ihre Kinder zu diesen Demonstrationen schickten. Alles richtig, das gab es. Und dennoch ist es für eine Partei hilfreich, wenn zehntausende junge Menschen für ihre Themen auf die Straße gehen. Vorbei. Fridays for Future marschiert jetzt „Gegen Rechts“, weil Klima als Thema nicht mehr zieht. Und die Letzte Generation ist für die allermeisten Deutschen mittlerweile eher ein Hassobjekt als eine Bewegung, der sie sich anschließen wollen.

Jetzt stehen die Wahlen an, bei denen die Wähler die Minister Habeck und Baerbock bewerten. Sie werden verglichen mit den Wahlen, bei denen die Parteivorsitzenden Habeck und Baerbock angetreten sind. Das zieht das Gesamtprojekt weiter nach unten. Erstmal ist das nur ein Trend: mittelmäßige Ergebnisse, die mit guten Ergebnissen verglichen werden. Selbst mit zwölf Prozent bundesweit können die Grünen ganz gut leben.

Doch der Wahlabend in Europa bietet noch einen anderen Moment für die Grünen: Volt hat Stand Sonntagabend rund 3 Prozent und drei Sitze im Europaparlament geholt. Eine Partei, die grüner als die Grünen ist. Die von den Tierschützern des WWF als noch umweltfreundlicher als die Grünen bewertet wird. Die Grünen verlieren schon Modewähler nach rechts. Die Zahnarztfrau, die bisher fand, dass ein gutes Gewissen ganz gut zum Abendkleid passt. Die aber nun merkt, dass die Gewinnmarge des Mannes schrumpft und damit die Schmuckschatulle unterm Weihnachtsbaum kleiner ausfällt. Die Grünen verlieren jetzt aber auch nach links. Sie verlieren sogar die Wähler, auf die sie noch bauen konnten, als sie von Simone Peter unsagbar schlecht geführt wurden.

Das ist für die Grünen hochgefährlich. Die Partei verliert die Hardliner. Diejenigen, für die selbst Windräder und Solarautos noch zu viel Wohlstand ist. Vor allem aber die, die in der Kriegsfrage nicht den Schwenk mitgemacht haben vom Totalverweigerer zum Eskalationsbefürworter. Es sind aber auch die Frauenrechtlerinnen, die den Penis nicht als weibliches Geschlechtsteil lesen, wenn dieser sich in ihre Schutzräume drängt. Etabliert sich Volt, geht das ans Rückenmark der Grünen. Wenn die Partei die Zahnarztfrau als Wählerin verliert, sind keine Topergebnisse drin. Anyway. Verlieren aber die Grünen die Frauenbeauftragte und diejenigen, die von einer postmateriellen Gesellschaft schwafeln, dann geht mehr als nur eine grüne Erfolgsepoche zu Ende.

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