Gegen Mitternacht sahen die Befragungen an den britischen Wahllokalen einen deutlichen Sieg der Konservativen bei den Wahlen zum britischen Unterhaus voraus. 50 Sitze hatten sie demnach hinzugewonnen, während Labour die schlimmste Niederlage seit 1935 erleiden sollte. Und in der Tat sah man im Laufe der Nacht die Kohlereviere purzeln – wie Blyth Valley im äußersten Norden Englands, das der konservative Kandidat knapp von Labour gewann.
Das Scherbengericht über Jeremy Corbyn wurde umgehend gesprochen. Dass er sich als Parteivorsitzender halten kann, erscheint immer fragwürdiger. Labour hatte seit der letzten Wahl um die 13% verloren. Dagegen gewann die Brexit Party 12% hinzu, während die Konservativen ihren Stimmenanteil im nationalen Mittel hielten. Klar ist, dass diese Wahl durch den Brexit entschieden wurde. Erste Analysen zeigten, dass Wahlkreise mit starkem Leave-Votum (55% plus) fast durchgehend konservativ geworden sind. Am späten Nachmittag konnte man lange Schlangen vor den Wahllokalen sehen.
Mitstreiter und Konkurrenten standen nicht an, den entschiedenen Sieg Johnsons festzustellen. Der Fall für den EU-Austritt ist mit diesem Wahlergebnis so klar wie nie zuvor geworden. So verwies eine Ex-Labour-Abgeordnete – als hartnäckige Nachfragerin im Parlament und Brexit-Anhängerin bekannt – darauf, dass die Europäische Union nun nicht mehr sagen könne, die Briten würden ihre Meinung schon noch ändern. Gar nicht unzufrieden sah auch Nigel Farage an diesem Wahlabend aus. Im Gegenteil, er stellte fest, seinen Einfluss auf diese Wahl genutzt zu haben, den Aufstieg der Liberal Democrats verhindert und Labour mitbesiegt zu haben.
Laut einer in der Woche der Wahl durchgeführten Umfrage waren die Konservativen in der Lage, ihre Führung von zehn Prozentpunkten bis zu den eigentlichen Wahlen aufrecht zu erhalten. Die politische Karte des Vereinigten Königreichs wird demnach ziemlich »blau« werden, mit nur ein paar roten und grünen Flecken (und einem weitgehend »gelben« Schottland, für die Scottish National Party).
Mit Beginn des Wahlkampfes schossen dann die Konservativen und Labour gemeinsam in die Höhe, ein Effekt der Polarisierung zwischen den beiden Kandidaten um das Premierministeramt. Allerdings erlitt Corbyn später einige Rückschläge, als ihn beispielsweise der britische Chefrabbiner Ephraim Mirvis als »ungeeignet für ein Führungsamt« beschrieb – denn Labour hat ein Antisemitismus-Problem, das der Parteivorsitzende entweder nicht lösen will oder kann. Die Frage wird nun sein, ob Labour sich von Corbyn und seinem linksradikalen Programm lösen kann und will. Die Stimmen dafür mehren sich.
Es ist aber zunächst ein Tag des Triumphs für die Konservativen und vor allem Boris Johnson, der von nun an die nötige Mehrheit hat, um seine Vision vom Brexit umzusetzen und in Gesetze zu gießen.