Tichys Einblick
Unersetzliche politische Bildung?

Ein Tag ÖRR-Programm: Tausende Sendeminuten Unterhaltung – und ein bisschen Politik auf 3sat

Der ÖRR versteht sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht selbst an der Schwelle zum Verfassungsorgan. Doch schon der Blick in eine Fernsehzeitschrift offenbart die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Das ÖRR-Programm ist eine Beleidigung für jeden Gebührenzahler.

IMAGO / onw-images

Im Nachgang des umstrittenen Verfassungsgerichtsurteils zu den Rundfunkgebühren loben sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen und seine Unterstützer gerne selbst in den Himmel und betonen die wichtige Funktion für Bildung und Information der Bürger. Auch das Verfassungsgericht spricht in seinem Urteil von der „Bedeutung der dem beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltsicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden“. Es betont die Aufgabe des ÖRRs, dem Bürger ein faktenbasiertes und ausgeglichenes Informationsangebot zu liefern.

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Doch von dieser Aufgabe ist der Gebührenfunk weit entfernt, und das nicht nur aufgrund der politischen Unausgewogenheit. Auch seine angebliche Rolle als Bereitsteller von Informationen, regionaler Repräsentation oder Kultur ist ein Feigenblatt, das von ÖRR-Befürwortern nur allzu gerne hochgehalten wird. Schauen wir uns exemplarisch das heutige ÖRR-Programm an. Ergebnis: Bei ARD, ZDF, 3sat, Arte, ZDFneo, One, WDR und BR überwiegt der Unterhaltungsaspekt insgesamt mehr als deutlich.

Insgesamt kommt der Unterhaltungsbereich auf 3.750 Sendeminuten, mit Sendungen wie „Kochen mit Martina und Moritz“, Sportübertragungen, oder diversen Comedyshows. Zum Vergleich wird dem Bereich von Information, Bildung und Kultur 3.320 Sendeminuten zur Verfügung gestellt, wenn man ihn großzügig definiert. Um ein fast schon übertriebenes Maß an Fairness gegenüber den Öffentlich-Rechtlichen walten zu lassen, gelten in unserer Rechnung zum Beispiel auch Reisemagazine als „Information“ – würde man es böser meinen, könnte man noch eindeutigere Ergebnisse errechnen. Knapp 30 Prozent des nicht-unterhaltungsorientierten Angebotes wird allein vom Sender 3Sat getragen – wohlgemerkt eine Co-Produktion mit den Öffentlich-Rechtlichen Sendern der Schweiz und Österreich. Auf der anderen Seite leistet sich die ARD mit dem Sender One einen reinen Unterhaltungssender, der mit Sendungen wie „Praxis mit Meerblick“ oder „Bauerfeind – die Show zur Frau“ den ganzen Tag lang keinen Funken Informationsauftrag erfüllt und dabei auch nur Einschaltquoten von unter einem Prozent erreicht.

Auch die Menge an Kochshows, die es in die dritten Programme schaffen, ist beeindruckend: Zwischen „Einfach köstlich Kochen mit Björn Freitag“, „Land und Lecker“ und „Meisterküche“ könnte man meinen, in den Dritten werde nichts getan außer gekocht – Gott sei dank sorgen Doku-Swaps wie „Verrückt nach Camping!“ oder fast eine Stunde „die Rentnercops“ für Abwechslung.

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Wirft man einen Blick in die PrimeTime, wird das noch deutlicher: Um 20:15 läuft im Ersten der „Tatort“, im ZDF wird das Familiendrama „Lieb mich, wenn du kannst“ ausgestrahlt. Auf Arte läuft die 80er-Tragikomödie „Good Morning Vietnam“, im BR „Der Hauptmann von Köpenick“, im WDR immerhin „Wunderschön! Wangerooge – Insel ohne Eile“. Man setzt auf Quote – vermutlich, um die eigene Existenz zu Rechtfertigen – anstatt die Marktunabhägigkeit dank Rundfunkbeitrag als Auftrag zu begreifen, in der Primetime Akzente für Bildung, politische Debatte oder andere Dinge zu setzen, die auf RTL oder Pro7 kaum eine Chance hätten. Stattdessen lassen sich etwa die Programme von RTLPlus und dem WDR streckenweise kaum unterscheiden.

Ein ähnliches Bild zeigen auch die nach Sendeformaten aufgeschlüsselten Ausgaben von ARD und ZDF. In der ARD gibt man 302 Millionen Euro im Jahr für Spielfilme und mehr als 127 Millionen für Serien aus – für die „Tagesschau“ sind es nur 9.9 Millionen. Ähnlich sieht es beim ZDF aus. Die absolute Mehrzahl der angeblich unverzichtbaren Rundfunkgebühren geht weiterhin dafür drauf, dass auf über 15 Fernsehkanälen parallel Unterhaltungsfernsehen ausgestrahlt werden kann, dass teilweise die Grenze zu Trash-TV überschreitet. Wie soll das zu rechtfertigen sein?

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