Tichys Einblick
Heute begeht Taiwan seinen Nationalfeiertag

Ein Leuchtturm für Demokratie und Wohlstand, Recht und Freiheit

Aus deutscher Sicht steht Taiwan knapp hinter Indien an fünfter Stelle unserer wichtigsten Handelspartner in Asien. Im weltweiten Vergleich steht Taiwan auf Position 29 – vor Brasilien, Kanada oder Australien. Das ist für ein verhältnismäßig kleines Land wie Taiwan eine immense Leistung.

Taiwan ist ein Leuchtturm. Ein Leuchtturm für Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Freiheit. Darauf können die Menschen in Taiwan zurecht stolz sein. Sie leben in Freiheit. Sie arbeiten hart für Ihren Wohlstand. Die Früchte sind eine stabile Demokratie und eine Wirtschaftskraft, von der andere noch lange nur träumen können. Taiwan ist ein Vorbild – auch beim Umgang mit der Corona-Pandemie. Am 10. Oktober begeht Taiwan seinen Nationalfeiertag.

Im Deutschen Bundestag gibt es 47 Parlamentariergruppen. Es gibt zum Beispiel eine deutsch-amerikanische, eine deutsch-französische oder eine deutsch-russische Parlamentariergruppe. Viele Staaten – insbesondere die kleineren – werden in Gruppen zusammengefasst. So befinden sich Indonesien, Vietnam und Malaysia zusammen mit ein paar anderen Staaten in der ASEAN-Parlamentariergruppe. Und sogar Australien muss sich eine Gruppe zusammen mit Neuseeland, Papua-Neuguinea und Timor-Leste teilen.

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Taiwan hingegen hat eine eigene Parlamentariergruppe. Ich bin stolz darauf, gerade Vorsitzender dieser Gruppe zu sein. Und unsere Parlamentariergruppe ist sogar noch eine der größeren Gruppen im Deutschen Bundestag. Aber der Name „Freundeskreis Berlin-Taipeh“, den unsere Parlamentariergruppe offiziell noch trägt – oder besser gesagt: tragen muss – zeigt auch ein Problem auf. Denn aufgrund der Ein-China-Politik erkennt Deutschland Taiwan leider nicht als souveränen Staat an und unterhält deshalb keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. Das ist sehr schade. Taiwan ist eine gefestigte Demokratie, was in der Region leider wahrlich keine Selbstverständlichkeit ist. Aufgrund der Ein-China-Politik heißt der Freundeskreis offiziell nicht deutsch-taiwanische Parlamentariergruppe, sondern ist nach unseren Hauptstädten Berlin und Taipeh benannt. Wir haben versucht, dies zu ändern, weil wir als frei gewählte Parlamentarier mehr Spielräume als die Regierung zu haben glauben und diese selbstbewusst nutzen wollen. Wir wollten ein Freundeskreis bleiben, aber offiziell auch so heißen dürfen wie alle anderen auch – nämlich Parlamentariergruppe. Unser Vorstoß war leider noch nicht erfolgreich. Ich werde uns aber weiterhin als deutsch-taiwanische Parlamentariergruppe bezeichnen. Das lasse ich mir nicht nehmen.

Mit den Parlamentariergruppen pflegt der Deutsche Bundestag die Beziehungen zu anderen Staaten auf parlamentarischer Ebene. In der Außenpolitik besteht zwar traditionell eine Prädominanz der Exekutive. Die Parlamentariergruppen sind aber eine wichtige Ergänzung. Wir wollen als Gesetzgeber und Kontrolleure unserer Regierungen voneinander lernen und Erfahrungen austauschen. Gerade zwischen Abgeordneten ist das sehr wichtig. Aber natürlich pflegen wir auch enge Kontakte zu Regierungsvertretern und gesellschaftlichen Repräsentanten.

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Im Mai 2018 war ich beispielsweise zusammen mit Roland Jahn in Taiwan zu Gast. Roland Jahn ist der Leiter der Stasiunterlagenbehörde – also der Behörde, die die Unterlagen des „Stasicherheitsdienstes“, des früheren DDR-Geheimdienstes, verwahrt. Die Behörde ist ein wichtiges Instrument zur geschichtlichen Aufarbeitung der zum Glück überwundenen DDR-Diktatur. Auch wenn sich eine Gleichsetzung der totalitären kommunistischen Herrschaft im früher unfreien Teil unseres Vaterlandes mit der Zeit des Kriegsrechts in Taiwan verbietet, spielt Aufarbeitung doch auch in Taiwan eine große Rolle, da im Namen staatlicher Autorität Unrecht begangen wurde. Am 28. Februar wird in Taiwan des 228-Massakers gedacht. Bei unserem Besuch ging es nicht darum, jemanden zu belehren. Das können und wollen wir nicht. Wir haben von unseren Erfahrungen berichtet. Von Erfolgsrezepten und Fehlern. Fehler, die wir schon gemacht haben, müssen andere nicht wiederholen, erfolgreiche Modelle nachzuahmen, ist nicht einfallslos, sondern klug.

Aufgrund der Ein-China-Politik konzentrieren sich die offiziellen deutsch-taiwanischen Beziehungen vor allem auf die Bereiche Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Gerade was die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen anbelangt, läuft es sehr gut. Deutschland ist sowohl bei den Importen als auch bei den Exporten Taiwans wichtigster Partner in Europa. Aus deutscher Sicht steht Taiwan knapp hinter Indien an fünfter Stelle unserer wichtigsten Handelspartner in Asien. Im weltweiten Vergleich steht Taiwan auf Position 29 – vor Brasilien, Kanada oder Australien. Das ist für ein verhältnismäßig kleines Land wie Taiwan eine immense Leistung. Und Taiwan beliefert uns nicht mit irgendetwas, sondern mit hochwertigen Gütern. Taiwanische Marken haben in Deutschland einen exzellenten Ruf.

Leider setzt uns die Ein-China-Politik einen engen Rahmen. Ich rechne es Taiwan hoch an, dass auch die taiwanische Regierung diesen Rahmen respektiert und immer respektiert hat. Wir Mitglieder des Freundeskreises arbeiten daran, dass innerhalb dieses Rahmens Hürden ab- und nicht weitere aufgebaut werden. Ein großer Erfolg war dabei sicherlich die Befreiung von der Schengenvisumpflicht für taiwanische Staatsbürger. Touristen und Geschäftsleute dürfen 90 Tage ohne Visum nach Deutschland reisen.

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Leider gilt dies nicht für die Spitzenpolitiker des Landes. Wir Freunde Taiwans thematisieren dies immer wieder im Deutschen Bundestag. Offiziell gibt es kein Einreiseverbot. Und dennoch sind ranghohe Vertreter von offizieller Seite in Deutschland und in EU nicht willkommen. Ich sage es offen: Es bedrückt und beschämt mich. Ich finde es beschämend, wenn Vertretern undemokratischer Systeme der rote Teppich ausgerollt wird, während uns zum Beispiel der Repräsentant eines demokratisch legitimierten Parlaments wie dem Legislative Yuan nicht besuchen darf oder nicht besuchen soll. Auch wenn es in der gesamten Europäischen Union eher die Ausnahme als die Regel ist, dass taiwanische Spitzenpolitiker nicht einreisen dürfen, halte ich es für falsch – für grob falsch sogar. Wir beugen uns an dieser Stelle einem unbotmäßigen Druck. Viel wichtiger erscheint mir ein konstantes Dagegenhalten. Als kleines Zeichen haben wir vor einiger Zeit den taiwanischen Vize-Außenminister Dr. Szu-Chien Hsu ganz bewusst im Deutschen Bundestag empfangen – und nicht an einem neutralen Ort.

Taiwan ist der Beweis, dass auch Chinesen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit können! Die Liste der kleinen und großen Repressionen und Drohungen von Seiten der Volksrepublik China gegenüber Taiwan ist lang. Bei jeder Gelegenheit versucht China den Namen Taiwan zu tilgen oder mit dem Label „China“ zu versehen. Vor etwa zwei Jahren hat der taiwanische Außenminister Joseph Wu beispielsweise der Süddeutschen Zeitung ein Interview gegeben. Keinen Tag später nahm die chinesische Botschaft die Zeitung unter Beschuss. Die Süddeutsche Zeitung würde nicht nur gegen die Ein-China-Politik verstoßen, sondern auch noch „sektiererischen Kräften der taiwanischen Unabhängigkeitsbewegung eine öffentliche Plattform zu bieten“. Die Wortwahl macht mich immer noch fassungslos. Denn Joseph Wu ist der demokratisch legitimierte Außenminister eines Staats mit 23 Millionen Einwohnern – und nichts anderes.

In aller Offenheit forderte der chinesische Staatschef Xi Jinping in seiner 2019er Neujahrsansprache eine Annexion Taiwans – notfalls mit militärischen Mitteln. Ich spreche bewusst nicht von einer Wiedervereinigung. Denn die Republik China war nie Teil der Volksrepublik. Ich habe die Drohung Xi Jinpings danach im Deutschen Bundestag zur Sprache gebracht. Ich habe unserem Außenminister Heiko Maas im Plenum folgende Frage gestellt:
„Wie wird die Bundesregierung auf die Drohung des chinesischen Staatspräsidenten Xi gegenüber Taiwan in dessen Neujahrsansprache reagieren, beide Länder notfalls mit militärischen Mitteln zu vereinigen?“

Und weil die Antwort so eindeutig wie erfreulich war, möchte ich Sie hier in voller Länge eins zu eins wiedergeben:
„Die Bundesregierung wird in dieser Frage die Position, die sie immer eingenommen hat, auch gegenüber den Verantwortlichen in China vertreten. Unabhängig von den Spannungen, die es im Südchinesischen Meer gibt, halten wir die Androhung von militärischen Mitteln für nicht akzeptabel; das werden wir an der entsprechenden Stelle auch deutlich sagen.
Darüber hinaus ist das ein schönes Beispiel für die Notwendigkeit, wie ich finde, dass wir nicht nur die Haltung der Bundesregierung, die bei dem Thema eine sehr deutliche gewesen ist, unterstreichen, sondern dass wir uns auch als Europäische Union in dieser Frage positionieren.
Im Übrigen ist es auch ein Beispiel dafür, warum wir der Auffassung sind, dass man im Außenrat der Europäischen Union mit Mehrheitsentscheidungen durchaus besser arbeiten kann. Schließlich ist in der Vergangenheit – durchaus durch nicht ungeschickte Einwirkung von der chinesischen Seite auf einzelne Mitgliedstaaten der Europäischen Union – zumindest eine eindeutige Beschlussfassung zu diesem Thema in ihrem Sinne verhindert worden. Insofern wäre es ein Fortschritt, wenn es uns gelingen würde, uns auch auf europäischer Ebene eindeutig in dieser Frage zu positionieren.“

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Ich bin mit unserem Außenminister nicht immer einer Meinung, aber ich danke Heiko Maas ausdrücklich für dieses Bekenntnis. Mittlerweile lässt die Volksrepublik ihren Worten mehr und mehr Taten folgen. Bei seinem Besuch in Deutschland drohte der chinesische Außenminister Tschechien, weil eine hochrangige Delegation tschechischer Politiker Taiwan einen Solidaritätsbesuch abstattete. Für dieses „kurzsichtige Verhalten“ müsse Tschechien einen „hohen Preis“ zahlen, so Wang Yi direkt vor einem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Maas. Das ist und war ein Affront sondergleichen. Peking belässt es nicht nur bei markigen Aussagen. Auch das militärische Drohpotenzial wächst. Die Meldungen über Eindringen rotchinesischer Kampfflugzeuge in die taiwanische Luftverteidigungszone mehren sich. Auch dies habe ich im Bundestag zur Sprache gebracht. Die Bundesregierung äußerte hierzu:
„Insgesamt sieht die Bundesregierung die wachsenden – auch militärischen – Spannungen in der Straße von Taiwan mit Sorge und setzt sich auch weiterhin für Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße ein.“

Das sind warme Worte, mehr nicht. Wir müssten viel stärker dagegen halten. Die Bundesregierung muss auch weiterhin eine sinnvolle Beteiligung Taiwans an internationalen Organisationen, Mechanismen und Aktivitäten unterstützen. Taiwan muss – auch wenn es kein Mitglied der Vereinten Nationen ist – an UNFCCC, ICAO, WHO oder Interpol teilhaben können. Wer für wirksame Maßnahmen als Antwort auf veränderte Klimabedingungen eintreten möchte, darf eine Industrienation wie Taiwan nicht von einer UN-Klimakonferenz ausschließen. Eine Teilhabe Taiwans an der internationalen Luftfahrtorganisation ICAO ist gerade deshalb unabdingbar, weil der Flughafen Taipeh ein Luftfahrt-Drehkreuz in Südost-Asien ist. Die Corona-Pandemie hat es leider erneut bewiesen: Krankheiten und Epidemien machen in unserer globalisierten Welt natürlich nicht an Landesgrenzen halt. Denn Viren kennen keine Grenzen.

Unterwanderung westlicher Demokratien
China auf dem Weg zur Weltherrschaft
Wir haben alle bewundert, wie Taiwan mit der Corona-Pandemie umgeht. Taiwan war eines der ersten Länder, das die Gefährlichkeit des Virus‘ für die Weltgesundheit erkannt hat. Und trotzdem darf Taiwan bei der Weltgesundheitsversammlung noch nicht einmal am Katzentisch sitzen! Das ist nicht nur unfair, sondern auch dumm!
Nachdem ich wiederholt für eine pragmatische Teilhabe Taiwans an der Weltgesundheitsorganisation WHO geworben hatte, schrieb mir unser Gesundheitsminister Jens Spahn vor kurzem:
„Gerade bei grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren wie dem augenblicklichen Ausbruch des Corona-Virus muss sichergestellt sein, dass alle relevanten Akteure inklusive Taiwans direkten Zugang zu notwendigen Informationen erhalten. Die Bundesregierung wird sich auch zukünftig für eine technische Einbindung Taiwans einsetzen. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass Lösungen, die über diese praktizierte rein technische Zusammenarbeit hinausgehen, gegen den Widerstand der Volksrepublik China im System der Vereinten Nationen kaum zu erreichen sind.“

Vor diesem Hintergrund bin ich Spahn sehr dankbar, dass er sich persönlich in Form eines Briefs bei seinem taiwanischen Amtskollegen für das Geschenk von einer Million Atemschutzmasken und weiterer Schutzausrüstung bei seinem taiwanischen Amtskollegen bedankt hat. Man sollte meinen, dass dies eine Selbstverständlichkeit ist. Ist es aber leider nicht.

Bei der vergangenen UN-Vollversammlung scheiterte ein Versuch, Taiwan in die UN aufzunehmen. Nur 14 Verbündete sprachen sich für Taiwan aus. Ich habe mit keinem anderen Ergebnis gerechnet. Taiwan verfolgt hier ohnehin keinen dogmatischen, sondern einen pragmatischen Ansatz. Wichtig ist: Taiwan sollte, auch ohne als Staat anerkannt zu sein, an Internationalen Organisationen teilhaben können. Demokratie und Freiheit sind dafür die beste Werbung. Demokratie und Freiheit sind ein wahrer Schatz. Dieser Schatz darf unter keinen Umständen preisgegeben werden. Dafür braucht Taiwan auch unsere Unterstützung – mehr denn je.

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