Ohne Wenn und Aber: Was Hans-Christian Strache von der österreichischen FPÖ geliefert hat, ist nicht nur skandalös deppert – um im österreichischen Jargon zu bleiben – , sondern es erfüllt den Tatbestand aller Synonyme, die es für „deppert“ gibt, zum Beispiel: behämmert, bescheuert, doof, dusselig, töricht, unbedarft, verrückt (neben die Realität gerückt), stroh-/stockdumm, minderbemittelt, unterbelichtet, geistlos, beknackt, bekloppt, kopflos, vernagelt, verbohrt, plemplem … Wer sich im vermeintlich (!) privaten Kreis so verhält, der ist für zumal höhere politische Ämter ein Sicherheitsrisiko. Was Strache am 24. Juli 2017 in einer Finca auf Ibiza in euphorisiert-größenwahnsinniger Weinlaune gegenüber eigentlich Wildfremden vom Stapel gelassen hat, wird nicht dadurch harmloser, dass er zu diesem Zeitpunkt noch nicht Vizekanzler und Minister war. Das wurde er erst nach den Wahlen zum Nationalrat vom 15. Oktober 2017, bei der seine FPÖ 25,97 Prozent einfuhr und zum Regierungspartner von Sebastian Kurz‘ ÖVP wurde.
Das ist die eine Seite dieses Skandals. Die andere Seite ist die Methode, mit der Strache – außer dass er sich natürlich auch selbst zu Fall gebracht hat – zu Fall gebracht wurde. Denn hier galt offenbar der Grundsatz: Der Zweck heiligt die Mittel. Der hochpolitische, ja hochideologische Zweck war es, in Österreich eine Regierungskrise auszulösen sowie der FPÖ und allen sog. rechtspopulistischen Parteien Europas wenige Tage vor der sog. Europawahl zu schaden. Die Mittel dazu waren und sind illegal. In typischer Geheimdienstmanier (Stasi-Leute hätten es nicht besser gekonnt) wurde Strache in eine Falle gelockt, rechtswidrig wurde ohne sein Wissen ein Video eines langen Gespräches mitgeschnitten, aus durchsichtigen Motiven wurde dieses Video von deutschen Redaktionen in die Welt gesetzt. Das vorläufige Ergebnis – Rücktritt Straches und Neuwahlen – ist bekannt.
Auf ein anderes Ergebnis aber warten wir noch. Wer steckt dahinter? „Süddeutsche“ und „Spiegel“ werden sich bzw. ihre Zuträger nicht outen und Quellenschutz reklamieren. Es ist zu befürchten, dass auch kaum jemand ein Interesse daran haben wird, den Dingen auf den Grund zu gehen. „Politiker der anderen Parteien und Chefredakteure eingeschlossen.“ So schreibt Stefan Weber zu Recht auf „heise“ mit einer interessanten Arbeitsthese und Chronologie. Abgründe könnten sich hier auftun.
Die Arbeitshypothese lautet: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Tal-Silberstein-Affäre und der Finca-Falle. Am 28. Juni 2017 ging die Facebook-Verunglimpfungsseite „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“, die über Wochen von einem von Tal Silberstein organisierten und von der SPÖ finanzierten Geheim-Team bespielt wird, online. Am 24. Juli 2017 wurden die FPÖ-Politiker Strache und Gudenus in einer Mietfinca auf Ibiza mit Leihautos, zwei Schauspielern und sechs Kameras in eine Falle gelockt. Am 14. August 2017 wurde Tal Silberstein in Israel verhaftet. Am 30. September 2017 „outen“ „Die Presse“ und „Profil“ Silbersteins SPÖ-Dirty-Campaigning-Unit als Urheber der Seite „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“, 16 Tage vor der Nationalratswahl 2017. Die Frage bleibt: Hat das Tal-Silberstein-Umfeld erneut die Finger im Spiel?
Dessen ungeachtet, sondern wichtige und weniger wichtige Deutsche bereits ihre Pawlowschen Reflexe ab. Annalena Baerbock von den Grünen: „Dieser ungeheuerliche Skandal zeigt, Rechtspopulisten verachten unsere Werte wie Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit und arbeiten an der systematischen Aushöhlung der Demokratie.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte angesichts der Vorgänge in Österreich einen entschiedenen Kampf gegen Rechtspopulismus. Heiko Maas (SPD) kritisiert Bundeskanzler Sebastian Kurz wegen seiner Regierungskoalition mit der rechtspopulistischen FPÖ: „Rechtspopulisten sind die Feinde der Freiheit. Mit Rechtspopulisten gemeinsame Sache zu machen, ist verantwortungslos“, meint Maas. Typisch Piefke eben! Für Norddeutsche, die österreichischer Schimpfkanonaden weniger mächtig sind: Ein Piefke ist ein nörgelnder, meist touristischer deutscher Besserwisser.
Nein, Österreich ist kein 17. deutsches Bundesland. Einem linkspopulistischen Anschluss hat das österreichische Wahlvolk im Oktober 2015 eine klare Absage erteilt. Und wenn nicht alles täuscht, wird der österreichische Wähler es bei den Neuwahlen zum Nationalrat im Herbst 2019 zu würdigen wissen, dass es deutsche Medien und deutsche Politiker waren, die sich hier zu Gouvernanten aufspielten. Er wird es zu goutieren wissen, wenn Linkspopulisten Rechtspopulisten Populisten nennen.