In einem Interview mit dem Blogger Thilo Jung gab Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) vor kurzem Erstaunliches zu Protokoll. Es ging um die Besteuerung von Ehepaaren – und die unterschiedlichen Ansichten innerhalb der Regierungskoalition dazu. „Die FDP“, so Paus, ist der Auffassung, dass die Familie so etwas ist wie eine kleine GbR, also eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Und dass man da nicht reingucken sollte, sondern dass es dieser Gesellschaft selbst überlassen bleiben sollte, wie sie die Steuerbelastung untereinander aufteilen.“
Aus für Ehegattensplitting – die Koalition will wieder Probleme lösen, die niemand hat
Grüne wollen Ehepaaren verbieten, künftig die Steuerklassen III und V für sich zu wählen. Das soll mehr Frauen in Erwerbsarbeit treiben. Ihr Ziel: Das Splitting soll am besten ganz fallen.
Abgesehen von der seltsamen Verwendung des Begriffs GbR durch die Ministerin – genau so dürften auch die meisten Familien in Deutschland denken: nämlich, dass sie gut selbst und ohne staatliche Lenkung entscheiden können, wie sie ihre privaten steuerlichen Angelegenheiten regeln. In dem Interview machte die grüne Ministerin deutlich, dass sie hier eine ganz andere Auffassung vertritt. Sie möchte die Kombination der Steuerklassen V und III für Paare möglichst schnell abschaffen, also das sogenannte Steuersplitting. Ihre Begründung mutet ebenso ungelenk an wie ihr GbR-Vergleich. Die Aufteilung in unterschiedliche Steuerklassen sei ungerecht: „Der ganze Vorteil fließt dann auf das Konto des Mannes.“
Bei dem, was auf das Konto von Berufstätigen fließt, egal welchen Geschlechts, handelt es sich in Wirklichkeit natürlich um das Nettogehalt – also das, was der Staat übriglässt – und nicht um einen „Vorteil“. Außerdem scheint sie grundsätzlich von einem Mann als Hauptverdiener auszugehen. Das trifft zwar oft zu, aber nicht immer.
Für ein Ehepaar, in dem beide Partner unterschiedlich verdienen, ergibt sich durch die Kombination der Steuerklassen III und V ein Vorteil – allerdings ein ohnehin kleiner und relativer. Das höhere Einkommen unterliegt dadurch einer geringeren Besteuerung, das niedrige einer etwas höheren. Je deutlicher die Gehaltsdifferenz, desto besser stellt sich das Nettoeinkommen der Familie erst einmal dar. Allerdings gilt dieser Vorteil nur für die Steuervorauszahlung, also das, was sich in der monatlichen Lohnabrechnung niederschlägt. In der jährlichen Steuerabrechnung folgt die Versteuerung der Einkommenssteuertabelle.
Schon jetzt können Ehepartner allerdings frei wählen: entweder die Kombination aus III und V, oder für beide die Steuerklasse IV, die sich empfiehlt, wenn beide etwa gleich verdienen. Was Familien in Deutschland zu schaffen macht, ist nicht die Wahl der Steuerklasse, sondern die generell hohe Steuer- und Abgabenlast. Eine Ungerechtigkeit, wie Paus wähnt, gibt es also gar nicht zu beseitigen.
Allerdings passt das Vorhaben in die politische Ausrichtung der Ampel und dort vor allem zu der SPD und den Grünen, die unentwegt „Reformbedarf“ entdecken und „Probleme anpacken“ wollen, von deren Existenz kaum ein Normalbürger vorher etwas ahnte. Bei der Änderung des Ehegattensplittings, wie die Grünen es fordern, geht es auch weniger um das Familieneinkommen – sondern vielmehr um den Arbeitsmarkt. Nach ihrer Vorstellung hält die Wahlmöglichkeit unterschiedlicher Steuerklassen Frauen massenhaft davon ab, in den Arbeitsmarkt einzusteigen beziehungsweise Vollzeit zu arbeiten. Mit dem Kombinationsverbot der Klassen III und V für Ehepaare soll der Partner, der bisher weniger verdient, von Staats wegen zu Mehrarbeit angehalten werden.
Die Bertelsmann-Stiftung behauptete schon 2021, eine Ersetzung des Steuersplittings zugunsten des sogenannten „Realsplittings“ nach Einkommenshöhe „brächte 44.000 Frauen in Arbeit“. Die Stiftung ist allerdings bekannt dafür, politische Wunschlyrik unter der Überschrift „Studie“ zu Papier zu bringen. Selbst das nach links neigende regierungsnahe DIW schrieb im März 2022:
„Ob die geplante Reform aber tatsächlich die Erwerbsbeteiligung von Frauen erhöht, ist fraglich. Dies wäre vor allem dann der Fall, wenn die PartnerInnen ihre Erwerbsentscheidungen an den laufenden Lohnsteuerbelastungen orientieren, die sich am Ende jeden Monats auf dem Gehaltszettel widerspiegeln. Die Lohnsteuer ist aber nur eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer des Paares. Soweit sich viele Paare nach dem gemeinsamen Nettoeinkommen nach der Steuererklärung im Folgejahr richten, bei der das Ehegattensplitting mit seiner steuerbelastenden Wirkung auf Zweitverdienende greift, werden die Effekte auf die Erwerbsbeteiligung nur gering ausfallen.“
Das DIW plädiert trotzdem nicht dafür, aus den von ihm genannten Gründen das Steuersplitting beizubehalten. Ähnlich wie die Grünen sehen sie die Unterbindung der III/V-Kombination nur als Zwischenschritt zur gänzlichen Abschaffung des steuerlichen Vorteils von Ehepaaren. Auch die DIW-Ökonomen empfehlen das „Realsplitting“. Dabei würde der niedrig verdienende Partner etwas mehr Netto erhalten, ein Gutverdienender allerdings deutlich weniger. Im Jahr 2023 liegt der Spitzensteuersatz bei 62.810 Euro – ab dann gilt jemand als Besserverdienender, der von jedem zusätzlichen Euro 42 Cent abliefern muss.
Da beim Realsplitting nur ein geringer Einkommensbetrag auf das niedrigere Gehalt übertragen werden könnte, liefe diese Praxis für Ehepaare mit einem Gutverdiener und einem Partner mit niedrigem Einkommen unterm Strich oft auf eine Steuererhöhung für die Familie hinaus.
SPD und Grüne verfolgen also zwei Ziele mit ihrer geplanten Änderung: Es sollen mehr Frauen in den Arbeitsmarkt, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, von dem sie 2015 noch behaupteten, er würde sich dank Asylzuwanderung von allein auflösen. Zweitens würde für viele der monatliche Steuerabzug steigen – und damit die staatlichen Einnahmen. Faktisch würde nebenbei auch die wirtschaftliche Attraktivität der Ehe sinken.
Journalistisch begleitet wird die Kampagne gegen das Steuersplitting beispielsweise von der ARD-Anstalt Bayrischer Rundfunk. Hier darf die als „Jobberaterin“ bezeichnete Katrin Wilkens die Abschaffung des Splittings mit der evidenzfreien Begründung fordern, das diene der Armutsbekämpfung bei Frauen.
Sie rät Frauen gleichzeitig auch indirekt davon ab, Kinder zu bekommen: „Wilkens sagt: ‚Ich glaube, darüber muss man sich wirklich klarwerden, dass das größte Armutsrisiko für Frauen heute noch immer ist, Mütter zu werden.‘ Jungen Frauen sei das häufig nicht klar, weshalb sie später in die Armutsfalle rutschten“, heißt es in dem BR-Beitrag. Dort kommt auch die Autorin Mirna Funk zu Wort, die als ideales Gesellschaftsmodell auf die DDR verweist, wo häufig beide Ehepartner Vollzeit arbeiten, und Kinder so früh wie möglich in Krippen und Kindergärten abgegeben wurden.
„Mirna Funk ist noch in der DDR aufgewachsen“, so der BR im Propagandaton: „‚Da war es selbstverständlich, dass sowohl Frauen als auch Männer Vollzeit arbeiten. Kinderbetreuung war für jedes Kind garantiert, von sechs bis 18 Uhr‘. ‚Das ist eine Sozialisierung‘, erzählt sie. Westdeutsche Frauen hätten lange überhaupt nicht gearbeitet. Zum Zeitpunkt des Mauerfalls 1989 hätten nur 50 Prozent gearbeitet, ein Großteil in Teilzeit. “
Dass die DDR-Gehälter Ehepaaren – sofern sie nicht zur privilegierten Nomenklatura zählten – gar keine andere Wahl ließen, als doppelt zu verdienen, lassen sowohl Funk als auch der BR beiseite.
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