Am Freitag hat die Präsidentenkammer des Verwaltungsgerichts in einer Eilentscheidung dem dortigen Oberbürgermeister Thomas Geisel untersagt, in das Demonstrationsrecht einzugreifen. Geisels Aufruf zu einer Gegendemonstration muss von der Internet-Seite der Stadt verschwinden; auch andere Maßnahmen wie das mittlerweile beliebte Stromabknipsen muss er unterlassen. Amtsinhaber seien aus gutem Grund zu Neutralität verpflichtet; und dürfe deswegen auch nicht städtische Gebäude aus politischen Gründen verdunkeln. Der Vorstoß des Düsseldorfer Oberbürgermeisters wurde erstinstanzlich gestoppt. Doch der OB will das nicht akzeptieren. Ist es wirklich eine gute Idee, wenn die Regierenden sich das Recht anmassen, Demonstrationsrecht einfach zu unterlaufen? Geisel hatte Politik, Bürger und Geschäftsleute aufgerufen, eine geplante Dügida-Demonstration zu verhindern, wie in Köln und Berlin das Licht ausschalten und an einer Gegendemonstration teilzunehmen. Entsprechende Texte auf der Internetseite der Stadt müssten entfernt werden, entschied das Gericht am Freitagabend.
Als Amtsträger sei der Oberbürgermeister zur Neutralität verpflichtet, stellen nun die Richter in der auf Antrag der Düsseldorfer Pegida-Bewegung („Dügida“) ergangenen Eilentscheidung fest. Es bleibe ihm unbenommen, sich als Politiker oder Privatperson zu äußern. Doch der Oberbürgermeister will jetzt juristische Mittel nutzen und vor das Oberverwaltungsgericht ziehen. Geisel kündigte an, das Rathaus zum Zeichen des Protests gegen die „Dügida“-Demo auf jeden Fall zu verdunkeln. „Dabei bleibt es. Wie hell oder dunkel das Rathaus ist, ist wohl unsere Kanne Bier.“ Als Amtsperson aber zur Neutralität verpflichtet sei und deswegen auch nicht städtische Gebäude aus politischen Gründen verdunkeln dürfe.
Dieses Urteil stellt auch das Vorgehen von anderen Spitzen der Republik wie Gauck und Merkel in Frage, die wegen ein paar hundert oder ein paar tausend Demonstranten zu allerlei Protest von oben aufrufen. Man mag Pegida nicht mögen, kann deren Proteste ablehnen, auch zutiefst verabscheuen. Aber Meinungsfreiheit ist eben unteilbar; die Demonstrationsfreiheit ist ein Grundrecht. Diese Position habe ich noch am Mittwoch in der hart-aber-Fair-Sondersendung unter einhelliger Zustimmung vertreten; es ist ein ebenso geflügeltes wie eigentlich selbstverständliches Wort. Demokratie ist lästig, manchmal sogar ziemlich. Daher erscheint das Urteil zwingend.
Das Düsseldorfer Urteil bestätigt, dass eben auch eine breite Mehrheitspolitik Grenzen findet – und dass Minderheiten, so unangenehm oder unangemessen sie sein mögen, vom Grundgesetz gegen Übergriffe der Politik geschützt sind. Nicht die Mehrheit entscheidet – die Minderheit wird geschützt. Damit liegt das Gericht in Düsseldorf auf der Linie des Bundesverfassungsgerichts. Es hat jüngst der Familienministerin Manuela Schwesig zwar insoweit recht gegeben, dass sie in einem konkreten Fall gegen die NPD im Wahlkampf Thüringen zu Felde ziehen durfte. Die Äußerungen Schwesigs als Ministerin im Thüringer Wahlkampf haben dem Gericht zufolge nicht die Rechte der rechtsextremen Partei verletzt.
Der Vorsitzende des BVG, Voßkuhle warnte allerdings davor, das Urteil als „Freifahrschein“ zu verstehen. Der Senat habe sich intensiv mit den Grenzen der Äußerungsrechte von Mitgliedern der Bundesregierung befasst. Minister dürfen ihr Amt demnach nicht dazu missbrauchen, um gegen andere Parteien im Wahlkampf Stimmung zu machen. „Es gilt insofern das Gebot der Neutralität des Staates im Meinungskampf“, sagte Voßkuhle. Sie dürften zwar am politischen Meinungskampf teilnehmen – müssten dies jedoch von ihrem Amt trennen. Und selbstverständlich darf jeder, vom einfachen Bürger bis zur Bundeskanzlerin, privat demonstrieren. Ein Amt erlegt den Trägern politische Neutralität auf. Der Amtseid verlangt sogar, sich für angemeldete Demonstrationen einzusetzen. Persönliche Meinung und Betroffenheit muss halt nun mal zurückstehen, auch bei Demonstrationen, deren Ziele man nicht teilt. Und Demonstrationen müssen nicht genehmigt werden – sie müssen nur angemeldet werden. Auch wenn das nicht mehr so wahrgenommen wird: Es gibt keine Pflicht dazu, nur genehme Demonstrationen führen zu dürfen.
Als Amtsträger müssen Minister eine gewisse Neutralität wahren. Sie müssen sich politisch zurücknehmen und dürfen nicht auf die finanzielle und sonstige Ausstattung ihres Hauses zurückgreifen, um Wahlkampf zu machen. Als Parteimitglieder oder als Privatpersonen haben sie mehr Rechte, kommentierte beispielsweise DIE ZEIT.
Nun ist es schwierig, im Einzelnen zwischen Partei und Amt zu unterscheiden.Klar dürfte diese Unterscheidung allerdings sein, wenn beispielsweise ein Oberbürgermeister die Stadtwerke veranlasst, den Strom abzuschalten, um eine ihm nicht genehme Demonstration zu stören. Oder wenn er auf der Stadt-Internetseite Stimmung macht. Denn dann hat er die Ressourcen seines Amts im Meinungskampf missbraucht.
Geisel kündigte an, das Rathaus zum Zeichen des Protests gegen die „Dügida“-Demo auf jeden Fall zu verdunkeln. „Dabei bleibt es. Wie hell oder dunkel das Rathaus ist, ist wohl unsere Kanne Bier.“ Ist es wirklich seine Kanne Bier, wenn die städtischen Bediensteten nicht mehr arbeiten, weil der OB es persönlich richtig findet? Geisel hält die Auffassung des Gerichts in seiner Urteilsschelte „für sehr erstaunlich“. „Dieser Richterspruch geht in die völlig falsche Richtung.“ Er sei kein seelenloser Technokrat. „Ich habe im Staatsrechtsseminar an der Hochschule gelernt, dass unsere grundgesetzliche Ordnung auf einem Wertekanon fußt, und der ist eben nicht indifferent und neutral. Als Oberbürgermeister fühle ich mich aufgerufen zur Verteidigung dieser Grundwerte. Es kann doch nicht sein, dass diese bei der Amtsausübung keine Rolle mehr spielen dürfen.“ Wenn sich Angela Merkel bei einer Demonstration gegen Rechts oder islamistischen Terror in die erste Reihe stelle, dann tue sie dies auch nicht als Privatperson, sondern als Bundeskanzlerin, sagte er RP-Online.