Für den kommenden Donnerstag, 5. März, haben Bauern zu einem neuen Großkundgebungstag aufgerufen. Die Vereinigung »Land schafft Verbindung« ist wieder Initiator der Proteste. Schwerpunkt ist diesmal Dessau, denn dort befindet sich das Umweltbundesamt, das im Zentrum der Kritik der Bauern steht. Das Amt spielt eine entscheidende Rolle bei den unkorrekten Nitratwerten im Grundwasser, die Deutschland nach Brüssel gemeldet hatte. Allerdings befürchten vor allem Landwirte aus Nordrhein-Westfalen, aufgrund anderer Schlagzeilen medial ins Hintertreffen zu geraten und wollen nicht mitmachen.
Eine wesentliche Ursache für die heftigen Proteste der Bauern: die geplante weitere Verschärfung der Düngeverordnung. Wie mehrfach berichtet, hat Deutschland in der Regel falsche Werte für Nitrat im Grundwasser an die EU gemeldet. Wie diese Werte zustande gekommen sind, ist heftig umstritten. 2012 wurden sämtliche EU-Mitgliedsstaaten im Zuge der Wasserrahmenrichtlinie aufgefordert, Daten über die Grundwassergüte an die EU zu melden. Damals sind von deutscher Seite nur Informationen zu angeblich besonders belasteten Gewässern und Gebieten nach Brüssel übermittelt worden. Das hat übrigens die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Ott-Kinast bei einem Treffen mit Landwirten am 18. November so bestätigt und gleichzeitig den Vorgang als »Witz« bezeichnet, der leider nicht mehr rückgängig gemacht werden könne.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze lehnt bisher noch kategorisch ab, die uralten Daten von 2003 bis 2005 und 2006 und 2010 zu überprüfen, die die Grundlage der EU-Androhung gegen Deutschland bilden. Gemessen wurde wohlweislich auch nur in der obersten Grundwasserschicht, während in Österreich zum Beispiel die Nitratwerte aus vier verschiedenen Tiefen gemessen wurden. Die vermindern sich nämlich mit zunehmender Tiefe. Bakterien bauen Nitrate ab, wenn kein Sauerstoff zugegen ist.
Im Sächsischen Landtag wird am Donnerstag eine Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft stattfinden. Thema: »Evaluierung des sächsischen Nitratmessstellennetzes vor dem Hintergrund der Novellierung der Düngeverordnung«. Die Bauern verlangen, das Nitratmessstellennetz zu überprüfen und haben selbst ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das allerdings wird nicht vor Ende Juli 2020 fertig sein.
»Kommen Sie am 5. März bis spätestens 9.00 Uhr vor den Landtag in Dresden, mit oder ohne Traktor, zeigen Sie Flagge, kämpfen Sie um die Rechte von uns sächsischen Bauern, denn nur gemeinsam sind wir stark!« ruft der Landesbauernverband auf.
Immerhin ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ( DIW) dem Staat beigesprungen. In einer eigenen Studie wollen die Wirtschaftsforscher herausgefunden haben, dass das Grundwasser in Deutschland vergleichsweise sehr hohe Belastungen an Nitrat aufweisen würde. Die Alarmglocken klingen bei den Landwirten angesichts der Autoren der Studie. Darunter auch Claudia Kemfert, die von vielen als Vordenkerin der Energiewende betrachtet wird.
In den Niederlanden ist der Konflikt zwischen Staat und Bauern bereits in das nächste Stadium getreten. Dort sollen die Landwirte mit Viehbetrieben in ihren Ställen die Hälfte ihres Viehbestandes reduzieren. Im Klartext: Die Hälfte des Viehs schlachten und nicht ersetzen – und das noch in diesem Jahr. Der Grund: das Pariser »Klimaabkommen«, das eine drastische Reduzierung des CO2-Ausstosses vorsieht. Die CO2-Reduzierung wird so zum Hebel, der Landwirtschaft den Garaus zu machen. Für etliche holländische Landwirte würde das bedeuten: Höfe schließen. Deswegen führen sie den Kampf auch noch deutlich härter als hierzulande.
Der Klima-Hammer droht aber auch deutschen Bauern im kommenden Jahr, wenn die angeblichen CO2-Bilanzen ins Spiel kommen. In dieser theoretischen Diskussion wären die Landwirte eigentlich gut aufgestellt, können sie doch die »CO2-Speicherung« in den Böden als Argument anführen. Doch im Bereich der Landwirtschaft wird die CO2-Speicherung im Ackerboden nicht in die große Rechnung einbezogen. Vom CO2-Handel sind Bauern ausdrücklich ausgeschlossen.
Dann kommt wieder das ominöse Umweltbundesamt ins Spiel, das als einzige Behörde feststellen soll, ob die CO2-Vorgaben überall eingehalten werden. Falls nicht, soll zum Beispiel das Landwirtschaftsministerium die deutschen Landwirte zwingen, ebenfalls ihre Viehbestände zu reduzieren.
Umstritten ist auch die Frage, ab wann Bauern Dünger ausbringen dürfen. In die neue Düngeverordnung hat die Regierung nebenbei hineingeschrieben, dass auf gefrorenen Böden nicht mehr gedüngt werden darf. Da kommt im Frühjahr zu Beginn der Vegetationsperiode häufig die Frage auf, ob Bodenfrost am Morgen bereits gefroren bedeutet oder nicht. Dann dürften Landwirte ausgerechnet in jener Phase nicht mehr düngen, in der die wachsenden Pflanzen gerade Stickstoff benötigen würden.
Das Ziel der demonstrierenden Landwirte ist klar: Die Düngeverordnung muss weg. Die soll nach den bisherigen Plänen Anfang April verabschiedet werden. Käme sie durch, würde sie das Aus für viele landwirtschaftliche Betriebe bedeuten. Denn die sieht eine schrittweise Reduzierung der Düngemengen vor. Das wiederum bedeutet eine Mangelernährung für die Pflanzen und einen geringeren Ertrag. In den Folgejahren sollen die Düngemengen weiter reduziert werden. Das bedeutet letztlich Raubbau am Boden. Den Landwirten würde eine schrittweise Abwärtsspirale aufgezwungen werden.