Im „Kampf gegen Rechts“ ist den Parteien von SPD über Linke, FDP und Grüne bis zur CDU ein entscheidender Durchbruch gelungen: Der FC Bundestag will Abgeordnete der AfD künftig nicht mehr mitspielen lassen. Wer schon im Team sei, soll gegebenenfalls rausfliegen. Das ist Haltung. Das wird den Bürgern, die ob Wirtschaftskrise, unklarer Haltung zur Ukraine oder Migrationskrise schon an der Politik gezweifelt haben, von deren Handlungsfähigkeit überzeugen.
Die Mauer, die der FC Bundestag auf dem Fußballfeld bildet, ähnelt der „Brandmauer“, die die Parteien vor der AfD und ihren Wählern hochgezogen haben: Man steht ängstlich aneinander gedrängt, hält sich die Hände schützend vor die Geschlechtsteile und muss mit ansehen, dass die Treffer, die trotz Mauer fallen, besonders spektakulär sind und im Gedächtnis der Zuschauer haften bleiben.
So wie jetzt in Dresden. Dort hat die CDU für einen AfD-Antrag zur Bezahlkarte gestimmt und das mit der Blockade der Grünen im Bund begründet. Auch FDP und Freie Wähler hatten dem Antrag im Dresdner Stadtrat zugestimmt, wie die „Sächsische Zeitung“ zuerst berichtet hatte. Die Abstimmung kommt einen Bruch mit der „Brandmauer“-Strategie gleich: Damit wollte die CDU ausschließen, für Anträge der AfD zu stimmen.
Im Mittelpunkt der Debatte am Donnerstag stand die Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge. Die AfD hatte einen Antrag eingebracht, um die Stadt Dresden zu einer schnellen Einführung zu zwingen. In den Beratungen in den Ausschüssen im Vorfeld der Ratssitzung war der AfD-Antrag noch mit großer Mehrheit von den anderen Parteien abgelehnt worden.
In der Debatte im Plenum änderte Thomas Lehmann, Mitglied der Dresdner CDU-Fraktion, aber seine Haltung. Er begründete dies mit einer Bundestagsdebatte am gleichen Tag, die um die Weigerung der Grünen gekreist war, ein bundesweites Gesetz für eine Bezahlkarte zu beschließen. Lehmann führte aus: „Es ist jetzt ein Punkt, wo wir uns als Kommune selber auf den Weg machen müssen (…) wir können nicht warten, bis die Grünen ihre Haltung sozusagen ändern“, sagte er bei der Stadtratssitzung.
Dem folgte nicht nur die CDU-Fraktion, sondern auch die der FDP und der Freien Wähler, die allesamt für den AfD-Antrag stimmten, und der daraufhin eine Mehrheit fand – mit einer einzigen Stimme. Die AfD feiert die Entscheidung als einen Sieg. „Die Brandmauer fällt krachend zusammen“, sagte Silke Schöps, Stadträtin der AfD-Stadtratsfraktion in Dresden, in einem Beitrag auf der Plattform „X“.
Doch trotz des Treffers in Sachsen kann sich die CDU nicht entscheiden, ob sie bei der Brandmauer Schütze, Mauer oder Tornetz sein will. Ihr Vorsitzender sagte der Welt: „Ich werde mir morgen (am Freitag) mit dem Kreisvorsitzenden und dem Landesvorsitzenden der CDU den Sachverhalt genau anschauen und dann bewerten.“
Nach Plänen der Bundesregierung sollen Asylbewerber einen Teil der staatlichen Unterstützung künftig über die Bezahlkarte beziehen – und nicht mehr als Bargeld. Eine bundesweit einheitliche Regelung gibt es bislang nicht, wird aber für den Sommer anvisiert. In Sachsen läuft derzeit ein Pilotprojekt, bei dem die Landkreise mehrheitlich schon am 1. April mit der Bezahlkarte an den Start gehen.
In Dresden findet es Merz schlimm, wenn eine Bezahlkarte durchgesetzt wird. Im Bundestag hat er als Fraktionsvorsitzender selbst einen entsprechenden Antrag gestellt. Falls das noch nicht reicht, um einen Eindruck von der Halbherzigkeit des CDU-Chefs zu erhalten: Um zu diesem Antrag zu sprechen, hat er die Ersatzspieler aus dem hintersten Winkel der Bank aufs Feld geschickt.
Da die Ampel den Antrag mit den üblichen Argumenten ablehnte – Geld sei kein Anreiz nach Deutschland zu kommen und so weiter – blieb der Antrag der CDU folgenlos. Der Parteivorsitzende kann sich jetzt um die Bestrafung der Parteifreunde kümmern, die einem vergleichbaren Antrag zugestimmt haben. Die Probleme der Migrationskrise bleiben ungelöst – aber immerhin setzt der FC Bundestag ein Zeichen, das die Kraft hat, in China einen Sack Reis zum Umsturz zu bringen.