Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi, der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz haben sich in Kiew für den EU-Kandidatenstatus der Ukraine ausgesprochen. Bei ihrem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bekräftigte Scholz den Status der Ukraine als Teil der „europäischen Familie“. Ihnen schloss sich der rumänische Präsident Klaus Iohannis an. Macron sagte: „Wir alle vier unterstützen die Gewährung des EU-Kandidatenstatus der Ukraine.“ Dieselbe Möglichkeit stellte Macron Moldawien in Aussicht.
Die klare Ansage verwundert, denn der französische Präsident hatte in der Vergangenheit bekräftigt, es könne keinen schnellen EU-Beitritt für die Ukraine geben. Frankreich wie Italien hatten sich abgesprochen, stattdessen eine „europäische politische Gemeinschaft“ für Moldawien, die Ukraine und möglicherweise Georgien anzuvisieren. Frankreich gilt als skeptisch hinsichtlich möglicher Erweiterungen der Union.
Frankreich und Italien wollten eigentlich eine neue Gemeinschaft statt EU-Beitritt
Stattdessen hatte Macron von einer neuen Gemeinschaft beitrittswilliger Staaten gesprochen. „Diese neue europäische Organisation würde für demokratische europäische Nationen, die sich zu unserem Wertefundament bekennen, einen neuen Raum für politische Zusammenarbeit, Sicherheit und Kooperation ermöglichen“, erklärte er Anfang Mai gegenüber dem EU-Parlament in Straßburg. Die Idee eines osteuropäischen „Cordon sanitaire“, der als Puffer zwischen Westeuropa und der damaligen Sowjetunion Nahrung erhielt, war bereits ein französischer Plan der Zwischenkriegszeit. Auch der britische Premier Boris Johnson äußerte Pläne, eine neue Gemeinschaft in Ostmitteleuropa ins Leben zu rufen.
Offenbar haben Paris wie Rom aber die Pläne vorerst ad acta gelegt, nicht zuletzt aufgrund des Drucks ukrainischer Offizieller. Ob es aber tatsächlich zu einem mittelfristigen EU-Beitritt der Ukraine kommt, bleibt dennoch fraglich. Nicht alle Beitrittsverhandlungen gehen schnell vonstatten oder sind von Erfolg gekrönt. Die Türkei gilt seit 1999 als Beitrittskandidat, die Verhandlungen sind mittlerweile eingefroren worden. Nordmazedonien ist seit 2006 Beitrittskandidat. Die EU zahlt bereits vorher „Heranführungshilfen“ an die Beitrittskandidaten. Diese betragen derzeit insgesamt rund 14 Milliarden Euro.
Möglich ist, dass Macron, Draghi und Scholz auf Zeit spielen. Die Verleihung des Beitrittsstatus muss vom Rat der Europäischen Union einstimmig angenommen werden. Bereits in den letzten Wochen hat die vormals eifrige Unterstützung zugunsten der Ukraine eher abgenommen. Sollte die Verleihung des Beitrittsstatus scheitern, könnte Frankreich seinen alten Plan doch wieder aus der Schublade ziehen.