Achim Dercks ist kein Lautsprecher. Bevor er das „Energiewende-Barometer“ der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) vorstellt, schickt er voraus, dass die Kammer dieses seit über zehn Jahren erstellt. Es sei seinem Haus nicht darum gegangen, Unternehmen gezielt abzufragen, um den Schock des letzten Jahres darzustellen.
Die Zahlen, die der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer vorstellt, sind allerdings schockierend. Zumindest für die Vertreter der Ampel: 32 Prozent der Industriebetriebe plant oder realisiert bereits eine Verlagerung von Produktion ins Ausland. Im vergangenen Jahr waren es 16 Prozent – eine Verdopplung innerhalb eines von bisher zwei Ampeljahren. Die USA sei für viele Unternehmen ein interessanter Markt. Zumal die Staaten derzeit deutsche Unternehmen gezielt abwerben würden. Bekomme Deutschland aber seine Energiepreise nicht in den Griff, könnten auch Nachbarländer wie Frankreich als Ziel für eine Abwanderung interessant sein.
Zwischenzeitlich hätten die Unternehmer die Energiewende sogar positiv gesehen, sagt Dercks. Sie hätten sich durch die damit verbundenen Investitionen gute Geschäfte erhofft: „Doch heute sehen die Unternehmer weniger die Chancen und eher die Risiken.“ Vor allem die hohen Preise hätten den Glauben an die Energiewende einbrechen lassen.
An diesem Dienstag berät die Ampel über den „Industriestrompreis“. Die Idee von „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck (Grüne): Unternehmen müssten nur noch einen staatlich festgelegten Strompreis bezahlen. Die Differenz zum Marktpreis übernimmt der Steuerzahler. Dieses Instrument könne jetzt helfen, sagt Dercks. Aber: „Der Industriestrompreis springt zu kurz.“ Es sei niemandem geholfen, wenn der Staat einige ausgewählte Unternehmen für einige Jahre unterstütze – und danach habe sich nichts geändert.
Zumal ein Blick auf die weiteren Fragen im Barometer zeigt: Die Unternehmer sehen die hohen Preise nicht einmal als das größte Problem in der „Transformation“ zu mehr Klimaschutz. Es sind nur 30 Prozent der Unternehmer, die diesen Punkt angeben. Letztes Jahr waren es noch 38 Prozent.
Aus den Ergebnissen liest sich die Arbeit einer Bundesregierung heraus, die den Unternehmen das Überleben schwermacht: „Die Unternehmen sehen sich zunehmend mit Vorgaben konfrontiert, die in der Praxis kaum umsetzbar sind“, sagt Dercks. Die Auflagen würden immer kleinteiliger, regelten immer mehr Details. Die bürokratischen Vorgaben gehen mittlerweile so weit, dass die Unternehmen nicht einmal mehr zugriffen, wenn der Staat Geld an sie verschenkt. Deshalb hätten manche auf Ansprüche durch die „Energiepreisbremsen“ verzichtet. „Hinzu kommen Einsparziele aus dem Energieeffizienzgesetz, von denen niemand sagen kann, wie sie ohne ein Herunterfahren der Produktion erreicht werden können.“
Außerdem warnt Dercks vor einem Effekt, den der Industriestrompreis haben könnte, wenn er wie geplant nur an 2000 Unternehmen ausgezahlt werde: Die Stimmung in der Wirtschaft sei jetzt schon „extrem schlecht“. Wenn jetzt Unternehmer zusehen müssten, wie andere Steuergeld bekommen, während sie selbst hohe Energiepreise zahlen und mit schlechten Gewinnmargen leben müssten, könnte das zu viel sein.
Wichtiger als der Industriestrompreis sei daher, „Energiepreise durch höheres Angebot zu senken“, fordert die DIHK. Die Preise könnten wieder wettbewerbsfähig werden, wenn die Ampel Steuern und Abgaben auf Energie senkt. Zudem müsse mehr Wasserstoff produziert werden und zur Verfügung stehen, Planungssicherheit gelten, Bürokratie ab- und das Stromnetz ausgebaut werden. Hier zeigt sich, wie weit die Ampel ihren eigenen Plänen hinterherläuft: 12.000 Kilometer an neuen Stromleitungen sind laut DIHK für die Energiewende notwendig – 9000 Kilometer seien bisher noch nicht einmal genehmigt.