Das größte Computer-Museum der Welt steht in Paderborn. In einem futuristischen Glas-Bau aus dem Jahr 1971. Modern, leicht schwebt der Bau über der Grasfläche. Früher landeten dahinten die Helikopter, wenn die Bundeskanzler an der Brutstätte der Computerkultur einschwebten.
Heute? Heute ist das Museum ist ein polierter Grabstein. Hier ruht eine Hoffnung der deutschen Wirtschaft. Es war einmal die Zentrale des Computerriesen Nixdorf. Deutschland hatte mit Heinz Nixdorf schon einen Daten-Pionier, als Apple noch in der Garage steckte und mit Nixdorf kooperieren wollte. Ulrich Klotz hat an der TU Berlin den ersten deutschen Mikrocomputer mitentwickelt. Der ging nicht in Serie, sondern in die Museumsvitrine
Warum wurde Apple mächtig, warum ging Nixdorf in die Knie?
Die Angst vor dem Computer
Klotz hat darüber geforscht. Heute sagt er: Es war letztlich die Angst vor dem Computer, der uns angeblich die Arbeit wegnimmt. Sie hatte verschiedene Ausprägungen. Der Computer sollte das Denken klauen. „Alptraum Computer“, so die schlaue „ZEIT“ 1971, „EDV – eine Gefahr für die Arbeitnehmer“, so der Gewerkschaftsbund. „Innovative Unternehmen vernichten besonders viel Arbeit“, heißt es in einem Aktionsplan der IG Metall von 1984. Klotz hat darüber viele Aufsätze verfasst, alle klug. Er hat sogar bei der IG-Metall gearbeitet, um die Bereitschaft zu erhöhen, sich den modernen Technologien zu stellen. Sie zu benutzen. Sie dienstbar zu machen. Das Unausweichliche zu steuern.
Vergeblich. Die großen gesellschaftlichen Trends sind dagegen. In Kalifornien traten Hippies gegen die damaligen Groß-Rechner an („Computer-Power to the People“). Sie wollten die Macht der Computer zu den Menschen bringen. Es war die Keimzelle von Microsoft, Apple, Google, Amazon, Facebook. In Deutschland demonstrierten die Studenten gegen den Arbeitsplatzkiller Computer. Google-Chef Eric Schmidt sagt, da war oft LSD dabei. Der Rausch erzeugt neue Visionen, die heute wirksam werden. In Deutschland wird Fortschritt aus der Perspektive eines weinerlichen Kulturpessimismus erzeugt – wer braucht schon Tonfilm? Schlimmer noch – der Tonfilm ist der Untergang der abendländischen Kultur.
Lehrer ohne PC – Land ohne PC
Eine ganze Lehrer-Generation ist stolz darauf, ohne diese „asoziale“ Technik auszukommen. Es gibt viele Orte in Deutschland, in denen die Rückständigkeit Methode und sichtbar wird. „In diesem Büro gibt es keinen Computer“ – solche Schilder klebten in Bonn an den Türen vieler Büros der Grünen im damaligen Bundestag. Man darf die Folgen nicht unterschätzen. Die Folgen sind nicht nur das Computer-Museum in Paderborn. In Frankfurt/Main verrottet das Riesengebäude von Neckermann, dem Versandhauskönig der Nachkriegszeit. Zu lange wurde ohne Computer gearbeitet. In Nürnberg steht nur noch ein Kamin mit dem Quelle-Logo – tot, weil das Internet verschlafen wurde. Lange zuckten die deutschen Manager mit den Schultern – Versandhandel schien unangreifbar. Keiner macht so schöne Kataloge, hat ein so gut funktionierendes Lager, Verbindungen zu Produzenten. Amazon zeigte, dass die entscheidende Schnittstelle das Angebot im Netz ist – und dass man Unternehmen von dort aus steuern sollte. Amazon stellte den Versandhandel auf den Kopf. Es gab auch andere verpaßte Chancen. Im Schwarzwald wuchert ein Naturschutzpark. Noch vor 30 Jahren haben dort 40.000 Menschen in den Uhrenfabriken gearbeitet. Bis auf ein paar Werkstätten für teure Millionärs-Uhren sind alle verschwunden. Die Quarz-Uhr trug den Sieg davon. In Stuttgart und München wurden von Bosch und Siemens Handys für die Welt gebaut. Dann kam Apple, besiegte die trägen Marktelefanten. Schwer zu verstehen: Noch immer profitiert Bosch von Patenten, die verscherbelt wurden – und hat aufgegeben. Es ist ein Menetekel. Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert.
Mit der 68er-Generation und ihrer Angst vor der Zukunft wurden uns drei Digital-Jahrzehnte geklaut – und Arbeitsplätze. Immer neue Industrien sind gefährdet oder verschwinden, weil Gewerkschafter und viele Unternehmer am Gestern festhalten. Meine Sorge: Kommt nach dem Computer-Museum das weltgrößte Auto-Museum? Digitalisierung ist nicht alles, aber ohne Digitalisierung ist bald alles nichts.
Die Zukunft wird nicht mit Paragrafen gebaut, nicht herbei-politisiert. Staatliche Förderung in Deutschland ist meist ein Flop. Die Großrechner von Siemens – mit Milliarden gepäppelt und gescheitert. Eine Million Elektro-Autos? Eine lächerliche Vorgabe. „Jetzt erfahren Politiker, wie schwer die 1. Million ist“, spottt Daimler-Chef Dieter Zetsche. „Es fehlen noch genau 975.325“. Trends kümmern sich nicht um Pläne, wie sie Beamte schmieden. Zukunft kommt von ganz allein. Wenn man es zuläßt.
Die Frage ist nur, ob wir dabei sind – oder ins Museum kommen.
Dieser Beitrag erschien kürzer auch in BildamSonntag.