Wer schließlich die Nase vorn hat, scheint auch gegen Mitternacht nicht wirklich festzustehen. Dass die Stichwahl am 7. Mai zwischen Le Pen (bei 22 Prozent indiziert) und Macron (bei 24 Prozent) ausgetragen wird, hingegen mehr. Gehen wir einmal davon aus.
Unabhängig davon, wie der nächste Präsident der französischen Republik heißen wird, lassen sich ein paar Dinge feststellen, die darüber hinaus gehen.
So wenig sich Frankreich und Österreich aus vielen Gründen vergleichen lassen, so sehr stimmt ein Befund überein: Die Kandidaten der zwei Volksparteien haben es in Paris wie Wien nicht ins Ziel der Stichwahl geschafft.
Bei den sozialistischen/sozialdemokratischen Parteien schrillen die Alarmglocken: Der Kandidat der Parti Socialiste scheitert mit um die sechs Prozent.
Deutsche wie österreichische Spitzen-Sozialdemokraten setzen auf Macron – in Wien haben sie einen, der wenigstens ein wenig ausschauen könnte wie er, in Berlin keinen.
Ob der gescheiterte Konservative Fillon mit seiner Wahlempfehlung für Macron in der Stichwahl diesem nicht mehr schadet als nutzt, werden wir sehen. Dass die Traditionswähler der Parti Républicain eher einen weißen Stimmzettel abgeben werden als einen für Macron, pfeifen in Frankreich die Spatzen von den Dächern.
Viele berufsmäßige Auguren setzen darauf, dass die Franzosen wie bisher dem neu gewählten Präsidenten auch eine Mehrheit im Parlament verschafften. Aber was ist, wenn dieses mal auch das anders ausgeht? Dann stünden Frankreich fünf Jahre politischer Stillstand ins Haus und der EU gleich ein Interregnum mit.
Fest steht heute gegen Mitternacht nur eines: das Machtgefüge in den bisher wichtigsten EU-Ländern schwindet dahin. Die Dinge haben begonnen, sich grundlegend neu zu sortieren. Der Brexit war keine Ausnahme, sondern nur die erste große tektonische Verschiebung der politischen und wirtschaftlichen Strukturen in Old Europe.
Ich wünsche eine gute Nacht. Die Sonne geht immer wieder auf, da Politik darüber nicht entscheiden kann.