Tichys Einblick
Bundestagswahlkampf

Die von der Union erhoffte Trendwende in den Umfragen bleibt aus

Angesichts der neuesten Umfragen bleibt der Union inzwischen nur noch die vage Hoffnung, dass einige ihrer abtrünnig gewordenen Wähler sie in der Wahlkabine doch wieder wählen, um so zu verhindern, dass sie von den rot-grün-roten Steuer- und Schuldenplänen geschröpft werden.

IMAGO / Udo Gottschalk

Nachdem es der SPD dank Olaf Scholz wider Erwarten gelungen ist, wenige Wochen vor der Wahl in den Umfragen nicht nur die Grünen auf Platz drei, sondern zudem die Union von Platz eins zu verdrängen, rätseln die Wahlstrategen um Armin Laschet und Markus Söder, wie sie das Blatt bis zum 26. September wieder zu ihren Gunsten wenden könnten. So soll zum Beispiel ein „Zukunftsteam“ von überwiegend namen- und profillosen „Experten“ den Wählern den Eindruck von Kompetenz und Aufbruch vermitteln, den Armin Laschet ihnen offenbar nicht ausreichend zu vermitteln vermag. Dass ein solcher Schachzug den eigenen Kanzlerkandidaten in den Augen vieler Wähler eher zusätzlich schwächt als stärkt, wurde dabei wohl eher nicht bedacht. Spätestens nachdem dann auch noch ein Mitglied aus Laschets „Zukunftsteam“ namens Karin Prien öffentlich dazu aufgerufen hat, anstelle des in einem Thüringer Wahlkreis von der dortigen CDU als Direktkandidaten aufgestellten, ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen, den gegen ihn angetretenen Kandidaten der SPD zu wählen, war wohl allen Beteiligten klar, dass mit einem solchen „Team“ für die Union kein Blumentopf, geschweige denn die Zukunft zu gewinnen ist.

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Daraufhin wurde die Kanzlerin von der Union dazu gedrängt, den Wählern zu verkünden, sie stehe nicht hinter Olaf Scholz, sondern hinter Armin Laschet, nachdem Scholz sich diesen im Wahlkampf als eine Art Merkel 2.0 (mit Raute) präsentiert hat. Allein der Umstand, dass der Kandidat der SPD sich der Wählerschaft als der prädestinierte Nachfolger Merkels vorzustellen vermag, macht deutlich, wie inhaltlich nahe sich CDU/CSU und SPD dank der nicht nur von der Kanzlerin seit Jahren betriebenen „Modernisierung“ der beiden Unionsschwestern inzwischen sind. Nachdem es Merkel auf diesem Weg lange Zeit gelungen ist, ehemalige SPD-Wähler für die Union zu gewinnen, versucht Scholz nun, den Spieß umzudrehen, indem er sich zusammen mit seiner Partei diesen und anderen Unionswählern als den Garanten eines „Weiter-So“ im Sinne Merkels anbietet. Dass die Wahlkampfstrategen der Union sich genötigt sahen, Merkel deswegen öffentlich erklären zu lassen, nicht Scholz, sondern Laschet sei ihr einzig legitimer politischer Erbe, spricht über die derzeitige öffentliche Wahrnehmung der Union Bände.

Nachdem sich auch hiernach die erhoffte Trendwende in den Umfragen für die beiden Unionsparteien nicht einstellen wollte, sollte dies in einem weiteren Schritt Laschet zwei Wochen vor der Wahl in der direkten Auseinandersetzung mit Scholz und Baerbock in dem von ARD und ZDF veranstalteten „Triell“ bewerkstelligen. Außer in einigen Fragen der Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik verfestigte sich aber auch hier der Eindruck, dass sich die drei Kandidaten in den meisten politischen Fragen weitgehend darin einig sind, eine mehr oder weniger stark sozialdemokratisch geprägte, um grüne Inhalte angereicherte politische Agenda vertreten zu müssen. Sie präsentierten sich so den Zuschauern, entgegen ihren Verlautbarungen von einer „Richtungswahl“, gleichsam als Vertreter einer nicht mehr aus zwei, sondern aus drei Parteien bestehenden Großen Koalition (GroKo), bei der es lediglich noch um die Frage geht, welchem Kandidaten die Wähler am ehesten das Kanzleramt zutrauen.

Im „Triell“ ist es dem Vizekanzler Scholz laut den sich anschließenden „Blitzumfragen“ gelungen, diese Frage mehrheitlich für sich zu entscheiden, während Laschet deutlich abgeschlagen weiterhin auf Platz zwei landete. Scholz sitzt seit dem Abgang von Sigmar Gabriel ohnehin schon mehrere Jahre stellvertretend im Kanzleramt. Er müsste aus seiner Sicht im Kabinett nur einen Platz weiterrücken, um, egal mit welchen Partnern, auf dem Kanzlerstuhl Platz zu nehmen, um von dort aus das fortsetzen und forcieren zu können, was er unter Merkels Führung mit der Union zusammen in den letzten Jahren als sozialdemokratische Politik schon recht erfolgreich auf den Weg gebracht hat. Auch Laschet würde dies, mit etwas anderen Akzentsetzungen, erklärtermaßen gerne tun, verfügt aber nicht wie Scholz über den „Vizekanzlerbonus“, den dieser recht geschickt ausspielt, nachdem sich durch Merkels Abtritt der „Kanzlerbonus“ gleichsam in Luft aufgelöst hat.

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Vor diesem Hintergrund wird es zusehends wahrscheinlicher, dass das Wahlergebnis am 26. September in etwa so aussehen wird, wie die jüngsten Umfragen vom 13. und 14. September es kundtun. Die SPD wäre mit 25 bis 26 Prozent der Wahlgewinner, die Union mit 20 bis 23 Prozent Zweiter und die Grünen mit 15 bis 16 Prozent Dritter. Als wohl letzten Versuch, angesichts solcher Aussichten das Blatt bis zur Wahl doch noch zu wenden, wirbt die Union nun neuerdings mit einem „Sofortprogramm“. Es besteht aus sechs „Paketen“, nämlich einem „Familienpaket“, einem „Sicherheitspaket“, einem „Beschleunigungspaket“, einem „Klimaschutzpaket“, einem „Entlastungspaket“ und einem „Mittelstandspaket“. Darin sind neben diversen Wahlgeschenken wie zum Beispiel der Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrags auf 1250 Euro und der Minijob-Grenze auf 550 Euro weitgehend all diejenigen Wahlversprechen versteckt, mit denen es der Union schon bislang nicht gelungen ist, die Abwanderung großer Teile ihrer Wähler hin zur AfD und zu den Grünen, inzwischen aber auch zur SPD zu stoppen geschweige denn umzukehren.

Im Falle der zur AfD abgewanderten ehemaligen Unionswähler dürften diese in den Wahlprogrammen der beiden Unionsparteien und Aussagen ihres Spitzenkandidaten keinerlei Gründe finden, am 26. September wieder zur CDU oder zur CSU zurückzukehren. Beide Parteien und deren Vorsitzende haben diese Wählergruppen schon seit längerem für sich abgeschrieben, um stattdessen mit Hilfe sozialdemokratischer und grüner Inhalte vor allem die an die SPD und die Grünen verlorenen Gruppen wieder für sich gewinnen zu können. Dieses Kalkül scheint aber nicht aufzugehen. Viele Wähler entscheiden sich inzwischen offenkundig lieber für die roten und grünen Originale als für die schwarze Kopie, der sie so allenfalls noch die Rolle des Juniorpartners einer SPD-geführten Koalitionsregierung zubilligen. Deswegen erodiert die (Stamm-)Wählerschaft der Union mittlerweile in einem ebenso atemberaubenden Ausmaß wie seit Jahren schon die Wählerschaft der SPD.

Vor diesem Hintergrund bleibt den beiden Unionsparteien nur noch die vage Hoffnung, dass angesichts einer möglichen rechnerischen Mehrheit für Rot-Grün-Rot ausreichend viele ihrer ehemaligen Wähler, entgegen ihren Absichten, die AfD, die SPD, die Grünen oder auch die FDP zu wählen, CDU/CSU in der Wahlkabine doch noch nicht nur ihre Erst-, sondern auch ihre Zweitstimme geben, um so zu verhindern, dass sie mittels der angekündigten rot-grün-roten Steuererhöhungen zusätzlich geschröpft werden und die Staatsverschuldung gleichzeitig zusammen mit der Haftung für die Schulden anderer EU-Länder weiter dramatisch steigt. Dies ist inzwischen der letzte Strohhalm, an den die Wahlstrategen der Union noch ihre Hoffnung knüpfen können, entgegen den aktuellen Umfragen am 26. September knapp vor der SPD durchs Ziel zu gehen. Auch sie könnte sich allerdings als trügerisch erweisen, nachdem inzwischen bekannt ist, dass rund fünfzig Prozent der Wähler per Briefwahl ihre Stimmen abgeben wollen. Zur spontanen, zähneknirschenden Rückkehr in der Wahlkabine ist es bei vielen ehemaligen Unionswählern daher wohl auch schon zu spät.

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