Tichys Einblick
UvdL als Kommissionspräsidentin

Die Transfersumme zahlt der deutsche Steuerzahler

Man könnte in Anlehnung an den Spitzenfußball die FCAS-Milliarden auch als Transfersumme für die Ministerin verstehen, die allerdings der deutsche Steuerzahler zu berappen hat.

imago images / Le Pictorium

Ursula von der Leyen ist bisher nicht durch große europäische Initiativen aufgefallen. Gut, sie hat brav das Lied von der Europaarmee gesungen, weil es ihre Chefin Angela Merkel als Beruhigungspille den Franzosen gegenüber so haben wollte. Ja, sie hat im Unterschied zu anderen Ländern die europäische Arbeitszeitordnung 1:1 eingeführt und damit der Bundeswehr jegliche zeitliche Flexibilität genommen. Die Soldaten marschieren statt früher mit Kompass und Kampfanzug nun mit Stoppuhr und dem Bewusstsein ins Gelände, dass jede Minute zählt – für die Freizeit. Und ja, es gab da vielleicht noch die eine oder andere Aktivität im Laufe der Jahre, die man in Brüssel bei Bedarf ins Feld führen konnte.

Nun soll von der Leyen Chefin der EU-Kommission werden, ohne dass sie sich in der EU zur Wahl stellte. Das ist ohne eigenen EU-Karrierevorlauf schon ziemlich bemerkenswert in einer Phase, in der im Deutschen Bundestag ein Untersuchungsausschuss tagt. Dort soll geklärt werden, was die Verteidigungsministerin in ihrem Ressort so alles hat einreißen lassen bei Rüstungs- und anderen Verträgen. Die Vergabebedingungen und Beraterhonorare von mehreren hundert Millionen Euro stehen zur Debatte – vor allem aber die Frage, welche Rolle persönliche Bekanntschaften im Umfeld der Ministerin spielten.

Womit wir beim Thema wären: Ja, man kennt sich. Dem französischen Präsidenten Emanuel Macron wird Ursula von der Leyen nachdrücklich aufgefallen sein, als sie sich zugunsten des französisch-deutsch-spanischen Riesenvorhabens FCAS (Future Combat Air System – Zukünftiges Luftkampfsystem) mächtig ins Zeug legte. Am 17. Juni 2019 erst wurden anlässlich der Pariser Luftfahrtschau die Verträge unterschrieben. Zur Erinnerung: Das FCAS soll in der Luftwaffe ab etwa 2040 die Waffensysteme Eurofighter und Tornado (ggf. auch dessen Nachfolger) ablösen, bei den französischen Luftstreitkräften die Rafale. Siehe hier sowie hier.

Hauptauftragnehmer ist der französisch-deutsche Airbuskonzern, der für das Gesamtsystem verantwortlich zeichnet, die französische Luftfahrtfirma Dassault konzentriert sich auf das Kampfflugzeug. Ferner sind mit an Bord der französische Lenkwaffenhersteller MBDA, der französische Elektronik-Spezialist Thales, sowie die Triebwerkshersteller MTU (Deutschland) und Safran (Frankreich). Ein integriertes Gesamtsystem soll es schließlich werden mit Kampfflugzeugen, Drohnen, Kommando- und Kontrollflugzeugen und sogar Satelliten im Verbund. Dieses Rüstungsvorhaben birgt massive Risiken, weil entgegen aller Erfahrung dabei zu allem Überfluss auch noch Technologieentwicklung betrieben werden soll. TE hat am 2. Juli darüber berichtet.

Neue Technologien in einem Projekt vorzusehen, für die keine Erfahrungswerte aus der Praxis vorliegen, hat zuletzt das Projekt A400M mit seinem nicht ausgereiften Triebwerk an den Rand des Scheiterns gebracht. Ist das politische System denn gar nicht lernfähig? Jedenfalls wurde der Grundstein gelegt für ein über Jahrzehnte laufendes, staatlich finanziertes Multi-Milliardenprogramm mit einem eindeutigen Schwerpunkt in Frankreich. Die Franzosen werden mit ihren potenten Rüstungsfirmen als Köche am Herd stehen, den Deutschen und Spaniern die Kellnerdienste verbleiben. Allerdings um den Preis zwei- und dreistelliger Millionenbeträge in den nächsten Jahrzehnten – per anno!

Das war die Ausgangslage, in der der französische Präsident sich keinen Deut um die Selbstermächtigung des EU-Parlaments mit ihren vorgeblichen Spitzenkandidaten aus der EU-Wahl scherte. Die europäischen Verträge gestehen den Staats- und Regierungschefs das Vorschlagsrecht für den Kommissionspräsidenten zu, das hat er wie andere auch genutzt. Wie aber kommt Macron in dieser Situation dazu, ausgerechnet die deutsche Verteidigungsministerin vorzuschlagen und nicht, wenn Deutschland schon zum Zuge kommen sollte, in Person etwa des Brüssel-erfahrenen deutschen Wirtschaftsministers … oder … oder…?

An dieser Stelle der Geschichte kommt das FCAS ins Spiel, der Zusammenhang liegt auf der Hand. Macron hatte von der Leyen gut im Gedächtnis, sie hatte Frankreich wenige Tage vorher einen Riesenschluck aus der deutschen Pulle ermöglicht. Im jüngsten EU-Personalpoker ergab sich mit der Förderung der Hochrisikopläne eines FCAS eine glänzende Ausgangsposition. Dabei sind 77 Prozent der Deutschen mit ihrer Verteidigungsministerin unzufrieden, sie ist in der eigenen Heimat so unpopulär, wie kaum ein anderes Kabinettsmitglied. Nicht einmal in ihrer eigenen Partei, der CDU, mag man sie sonderlich. Bei Parteitagen bekommt sie bei der Wahl zur Partei-Vize – ohne Gegenkandidatur – meist nur um oder unter 60 Prozent Zustimmung.

Von der Leyens Förderung des Projektes FCAS wirkt nun wie eine Eintrittskarte ins Kartenhaus der EU, die Deutschland eine Unsumme Geldes kosten wird. Man könnte in Anlehnung an den Spitzenfußball die FCAS-Milliarden auch als Transfersumme für die Ministerin verstehen, die allerdings der deutsche Steuerzahler zu berappen hat. Dieser über lange Jahre abzubezahlende Transferbetrag dürfte sogar die Herren Ronaldo oder Neymar vor Neid erblassen lassen.


Von Oberst a.D. Richard Drexl

Josef Kraus / Richard Drexl, Nicht einmal bedingt abwehrbereit. Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine. FBV, 240 Seiten, 22,99 €

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