Tichys Einblick
Nach Fragen zu „Demos gegen Rechts“

Die SPD und ihre halbseidene Liebe zum NGO-Vorfeld

Die 551 Fragen der Union zu NGOs und „Demos gegen Rechts“ sorgen für Aufruhr. Die SPD will den von ihr fabrizierten Mist nicht auch noch auf offener Bühne auseinandernehmen lassen. Gleichzeitig flirtet die CDU noch einmal kurz mit Grünen und FDP. Kommen aufregende Koalitionsgespräche auf uns zu?

picture alliance / Metodi Popow | M. Popow

Die Fragen der Unionsfraktion nach der Verzahnung von angeblich gemeinnützigen Vereinen und GmbHs und der Bundesregierung sorgen für Ärger noch vor dem offiziellen Beginn der Koalitionsgespräche zwischen CDU und SPD. Das ist auch kein Wunder, denn hier hat Friedrich Merz und hat die Union mal wieder etwas Schlagseite bewiesen, wenn auch wieder einmal nur rhetorisch. Die Fragen sind eben, wie man sieht, nur Fragen, noch keine Taten. Die könnten damit allenfalls vorbereitet werden.

Doch für den neugebackenen SPD-Fraktionsvorsitzenden und alten Parteichef Lars Klingbeil sind die Fragen Grund genug, der Union eins vor den Latz zu geben, unmittelbar nach seiner mit Ach und Krach bestandenen Wahl. Lars Klingbeils erste Amtshandlung war es tatsächlich, die 551 Fragen der Union als „Foulspiel“ anzugreifen. Und ja, es ist klar, in der SPD wollen sie alle zusammen bleiben, untergehakt bis in den Untergang, auch Saskia Esken, auch Klingbeil und alle NGOs. Aber alles hat ein Ende, und der neue Bundestag bedeutet auch dies für die Partei: Trennung. Fast die Hälfte ihrer Abgeordneten hat die „alte Tante SPD“ am Sonntag eingebüßt. Bei der nächsten Wahl könnten es noch weniger werden.

Dass diese böse Giftliste der Union der SPD gefallen würde, damit war in der Tat nicht zu rechnen. Auf ihr finden sich Namen wie „Omas gegen Rechts“, die Grünen-Werber von Campact, der staatlich geförderte Fake-News-Dienst Correctiv, Attac, BUND, die Amadeu-Antonio-Stiftung, die Agora Energiewende, Greenpeace u. v. a. m. Die Liste wirkt teilweise sehr grün, betrifft aber die SPD ganz genauso. Der Union riet Klingbeil zudem, „noch mal sehr schnell in sich“ zu gehen, „ob sie daran festhält“. Also in sich gehen und dann noch schnell. Das zeigt höchste Not für Sozialdemokraten an. Der Mist ist am Dampfen.

Und, noch wichtiger: Es ist der eigene Mist. Die SPD nämlich hatte seit 2014 eine Extremistenklausel nicht für notwendig erachtet bei dem von ihren Ministerinnen verantworteten Programm namens „Demokratie leben!“. Natürlich, der Titel sagte es ja: „Demokratie!“, was war daran nicht zu verstehen? Dahinter konnten sich keine Extremisten verbergen, weder von der linken noch von der islamischen und natürlich schon gar nicht von der rechten Seite des politischen Spektrums. Denn darauf achteten ja die SPD-Bürokraten schon selbst. Und so kam es, dass die Sache überaus Schlagseite bekam, auch weil das Familienministerium in all diesen Jahren bruchlos in rot-grüner Hand war – von Manuela Schwesig angefangen, über Katarina Barley, Franziska Giffey, Christine Lambrecht (alle SPD) bis zu Anne Spiegel und Lisa Paus (beide Grüne).

Stefan Aust nennt die NGOs in einem neuen Interview mit der Welt den „weitgehend unsichtbaren Wurm im Gebälk der Demokratie“, der sich eine „weitgehend staatlich finanzierte heimliche Macht im Staate“ aufgebaut habe. Und dagegen hilft laut Aust nur der Liberalismus, das „Eintreten für die persönliche Freiheit“, von denen er hofft, dass sie nicht am Ende sind. Und SPD wie Grüne sind für die Herausbildung dieses Nebenstaates, dieses Staates im Staate, verantwortlich. Entstanden ist so ein vielfältig ineinander verschlungenes Netz von Körperschaften, „gemeinnützigen“ Gesellschaften mit beschränkter Haftung und wohl-, ja „mildtätigen“ Vereinen, die vorgeben und mit deren Hilfe andere vorgeben, UnsereDemokratie™ zu verteidigen.

Rot-grünes Wolkenkuckucksheim ohne Rechtssicherheit

600 Träger organisieren 5000 Projekte – das ist das Programm „Demokratie leben!“, mit dem erst die Sozialdemokraten und dann die Grünen dem Volk das richtige Denken beibiegen wollten. Letztes Jahr sollte noch ein „Demokratiefördergesetz“ folgen, das diesen Anspruch der beteiligten Gruppen bis in alle Ewigkeit zementiert hätte. Nancy Faeser und Lisa Paus versuchten es gegen den Widerstand der FDP durchzudrücken.

Union nach 10 Jahren aufgewacht?
Union hat 551 Fragen zu rot-grünen „NGOs“ und „Demos gegen Rechts“
Übrigens könnte auch die „Demokratieförderung“ des Bundes ganz für sich genommen und ohne „Demos gegen Rechts“ verfassungswidrig sein. Denn die geförderten Projekte haben wohl eher nicht überregionale Bedeutung. Außerdem sind die Förderziele auch noch unklar gehalten, so dass sich gar nicht überprüfen lässt, ob sie von den Geldempfängern auch eingelöst werden. Das merkte der Bundesrechnungshof an. Es geht um typische rot-grüne Wolkenkuckucksheime, die einer rechtlichen Überprüfung vielleicht nicht einmal standhalten würden.

Seit 2015 gibt es das Programm. Im Jahr 2016 verdoppelte die SPD-Ministerin Manuela Schwesig die Mittel. Nach Einsetzen der Migrationskrise im Jahr zuvor befürchtete man in der SPD offenbar ein Wiederaufflammen einer ausländer- und speziell asylbewerberfeindlichen Stimmung, wie es sie einige Jahrzehnte zuvor gegeben hatte. „Immer mehr Menschen pöbeln in Deutschland unverhohlen gegen Flüchtlinge. Rechter Mob zündet Flüchtlingsunterkünfte an oder bedroht das Leben von Menschen, die bei uns Zuflucht vor Krieg und Elend suchen“, hieß es dazu unverhohlen und undifferenziert auf der SPD-Website unter der Überschrift „Stark gegen rechts“. Dass irgendwo im Text auch die Gefahr von „radikalem Salafismus“ auftauchte, störte da weniger. Die SPD wusste (und weiß), wo ihr Gegner steht und welches Vorfeld sie finanzieren wollte.

Koalitionsgespräche mit Österreich-Faktor?

551 Fragen zu NGOs
Staatlich finanzierte Aufmärsche
Die Koalitionsgespräche könnten also durchaus spannend werden. Vielleicht gibt es ja sogar einen Österreich-Faktor, der allen beteiligten Parteien am Ende deutlich werden lässt, dass sie einfach nicht zueinander passen. Das wäre dann in der Tat das Bankrott-Signal des deutschen Parteienstaats, und die geschrumpfte SPD könnte Anspruch auf eine Sieger- oder Ehrenurkunde bei diesen Bundeswahlspielen erheben. Sie hat zusammen mit den anderen etablierten Parteien dafür gesorgt, dass Deutschland schon jetzt am Rande der Unregierbarkeit ist – durch ihre Sturheit beim Durchfechten ihrer eigenen idiosynkratisch spleenigen Vorstellung von „Demokratie“. Schlägt sie Merz’ Offerte einer Zusammenarbeit wegen der NGO-kritischen Töne der CDU aus, dann können die Spiele erst recht beginnen.

Die CDU wird der SPD derweil vielleicht sogar abspenstig, will auch noch mit Grünen und sogar der gar nicht im neugewählten Bundestag vertretenen FDP sprechen. Aber bis Ende März gibt es ja noch den alten Bundestag und damit auch eine FDP, und mit der will man noch rasch einen höheren Verteidigungshaushalt beschließen, nach Möglichkeit auch ein Sondervermögen, das gar nicht im Haushalt auftaucht. Das ist der Betrug am Wähler schlechthin und aus demokratietheoretischen Gründen untunlich: Man hat soeben den Souverän befragt und entschließt sich nun, sein Votum zu ignorieren. Dieses Argument ist den Regierenden aber absehbar egal, weil es ihnen vor allem darum geht, nicht schon wieder mit der AfD abstimmen zu müssen.

Und das könnte am Ende durchaus dazu führen, dass auch die Giftliste der Union wieder in der Versenkung verschwindet, aus der sie nach zehn Jahren auftauchte. Was jetzt erst einmal als brüsker Forderungskatalog in Frageform erscheint, könnte bald wieder von der Bildfläche verschwinden, wenn die SPD es nur genügend will und die Union geneigt ist, ihr nachzugeben.

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