Tichys Einblick
Rechtsextremismus in der Bundeswehr?

Die Soldaten haben das Misstrauen der Politik nicht verdient

Manche Politiker gefallen sich offenbar darin, den Ruf der Uniformträger in diesem Land zu beschädigen. Beispielhaft dafür ist der Generalverdacht des Rechtsextremismus gegen die Bundeswehr-Elitetruppe Kommando Spezialkräfte.

imago/7aktuell

Wieder einmal gefallen sich Politiker, in diesem Fall zwei SPD-Politikerinnen, darin, deutsche Sicherheitskräfte in ein schiefes, „braunes“ Licht zu rücken. Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken meint, bei der Polizei einen „latenten Rassismus“ erkennen zu können; und ausgerechnet die neue Wehrbeauftragte Eva Högl möchte sich mit der Diagnose profilieren, in der Bundeswehr gebe es rechtsextreme Strukturen. Strukturen! Deutsche Medien sind mangels eigener Erkenntnisse umgehend dabei, die „Urteile“ beider Damen zu verbreiten und in Kommentaren noch einen drauf zu setzen. Ein publizistisches Armutszeugnis sondergleichen.

Lassen wir Eskens (Vor-)Urteil über die Polizei beiseite. Widmen wir uns der Bundeswehr und vor allem dem Kommando Spezialkräfte (KSK). Befeuert wurden die Vorwürfe gegen das KSK aktuell durch ein Waffendepot, das ein 45-jähriger KSK-Oberstabsfeldwebel im nordsächsischen Dorf Collm angelegt hatte. Die sächsische Polizei hatte das Waffenversteck mitsamt einem Sturmgewehr der russischen Bauart „Kalashnikov“ AK-47, Munition und Plastiksprengstoff nach einem Hinweis des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) am 13. Mai 2020 bei einer Razzia ausgehoben. Ist das schon ein „Depot“? Der betreffende Soldat soll außerdem bei Feiern beteiligt gewesen sein, bei denen unter Abspielen von „Rechts“-Rock verfassungsfeindliche Symbole gezeigt worden seien.

Rassismus?
Über Todesfälle bei Polizei-Einsätzen
Es folgte am 18. Mai ein KSK-interner Brandbrief des KSK-Kommandeurs Brigadegeneral Markus Kreitmayr. Er verurteilte die rechtsextremen Vorfälle in seiner Eliteeinheit scharf, kündigte Konsequenzen an und schrieb, Extremisten würden entfernt, oder aber sie sollten die Bundeswehr aus eigenem Antrieb verlassen. Am 12. Juni wurde der Brief eines KSK-Hauptmanns an Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer bekannt – von wem auch immer an die Öffentlichkeit durchgestochen. Auf 12 Seiten schilderte der Soldat, der seit 2018 dort Dienst tut und offenbar wegversetzt werden sollte, dass im KSK rechtsextreme Tendenzen geduldet und teilweise „ignoriert oder gar toleriert würden“. Er schreibt von einer „Kultur des Wegschauens.“

Klar, dass danach ein Heer an „Experten“ aufmarschierte und umgehende Maßnahmen forderte, ja gar die Auflösung des KSK ins Gespräch gebracht wurde. Eine der wenigen voll einsatzfähigen Elitetruppen der Bundeswehr würde damit über Bord geworfen. Geschehen ist indes bereits folgendes: Das Verteidigungsministerium hat in diesem Zusammenhang bisher vier Entlassungen veranlasst; der MAD behandelt aktuell etwa 20 Fälle. Und Kramp-Karrenbauer will bereits Anfang Juli einen Untersuchungsbericht vorlegen.

Das sind die Relationen

Bei all dem gilt es, die Relationen nicht gänzlich aus dem Auge zu verlieren. Aktuell sind etwa 265.000 Männer und Frauen bei der Bundeswehr beschäftigt – 184.489 in Uniform, davon rund 12 Prozent Frauen, und rund 80.000 in Zivil. Rund 1.100 Soldaten gehören dem Kommando Spezialkräfte (KSK) mit Standort in Calw an. Das 1996 als Teil des Heeres gegründete Kommando ist die Elite- und Spezialtruppe der Bundeswehr. Ihre Aufgaben sind der Schutz deutscher Einrichtungen und Kräfte im Ausland sowie von Personen in besonderen Lagen; das Retten, Befreien und Evakuieren von Personen; die militärische Aufklärung zugunsten eigener Informationsüberlegenheit und der Kampf gegen Ziele hoher Priorität auf feindbesetztem Gebiet. Über die tatsächlichen Einsatzorte des KSK wird zumeist Stillschweigen bewahrt. Sicher freilich ist, dass das KSK an nahezu allen Orten tätig war, wo die Bundeswehr im Ausland eingesetzt war bzw. eingesetzt ist.

Gerade mit Blick auf das KSK wird immer wieder behauptet, es gebe in der Bundeswehr rechtsextreme Netzwerke in größerer Zahl, gar eine „Schattenarmee“. Aber das ist von interessierter Seite herbeigeredeter Unsinn. Zwischen 2008 und 2018 wurden 199 Rechtsextreme entlassen. Gewiss ist jeder politisch Radikale einer zu viel, aber gemessen an der Größe der Bundeswehr sind 199 in zehn Jahren eine geringe Zahl; sie reicht in keiner Weise aus, die Gesamtheit unter Generalverdacht zu stellen. Auch wurden 32 Islamisten und 14 Linksextreme identifiziert. Nicht anders stellt sich die Lage im Jahre 2019 dar, trotz der von der Bundesregierung, dem MAD und den Medien ausgerufenen rechten Gefahr in der Bundeswehr. 14 Extremisten konnten enttarnt werden, darunter acht Rechtsextremisten, vier Islamisten und zwei sogenannte Reichsbürger.

Systematisch diskreditieren
Polizei und Bundeswehr als Feindbild - der Kampf gegen das Gewaltmonopol
Der Fall des Oberleutnants Franco A., der sich mit der fiktiven Identität eines syrischen Flüchtlings subsidiären Schutz erschlich und Anschläge auf Spitzenpolitiker geplant haben soll, wurde maßlos überschätzt. Auch von einer Verteidigungsministerin von der Leyen, die daraus ihr später zurückgenommenes Pauschalurteil ableitete, die Bundeswehr habe ein „Haltungsproblem“. Letztlich wurde vom Oberlandesgericht Frankfurt wegen des Verdachts der Planung terroristischer Anschläge nicht mal Anklage erhoben. Immerhin hat der Bundesgerichtshof nach jahrelangen Ermittlungen inzwischen die Anklage zugelassen.

Von den 199 Rechtsextremen der Dekade 2008 bis 2018 waren übrigens 170 noch zu Zeiten der Wehrpflicht zur Bundeswehr gekommen. Seit dem 1. Juli 2017 wird nun jeder Bewerber durch den MAD überprüft. Es ist eine Binse, dass Dienst in der Bundeswehr Menschen mit „rechten“ Einstellungen anzieht. Es ist aber auch Tatsache, dass in aller Regel nichts so zuverlässig zu disziplinaren Maßnahmen bis hin zu einer Entlassung führt, wie das Auffälligwerden solcher Einstellungen. Außerdem konnte niemals nachgewiesen werden, dass in der Bundeswehr jemals ein höheres Maß an staatsgefährdender Gesinnung oder Betätigung herrschte als an Gymnasien, Universitäten, in Werkhallen oder Behörden.

Umso fragwürdiger erscheinen die politischen Absichten hinter dem Ende 2019 bekannt gewordenen massiven Ausbau des MAD. Mit dessen Ausweitung um 300 Dienstposten reagiert das Ministerium offenbar auf Kritik, das Vorgehen gegen Rechtsextremisten in den Streitkräften sei zu zögerlich. Soll etwa hinter jeden Bundeswehrkommandeur ein Geheimdienstler, um nicht zu sagen, ein Spitzel, gestellt werden, damit nun auch gar nichts Verdächtiges mehr durchgehen kann?

Dass der MAD mit hohen „Verdachtszahlen“ operiert, die sich bei genauerer Überprüfung in den allermeisten Fällen in nichts auflösen, lässt die Vermutung aufkommen, der MAD wolle sich hier politisch korrekt und willfährig verhalten. Solche Akte des Misstrauens haben die Soldaten nicht verdient. Nachdem seit 2017 bereits alle Bewerber für den Dienst in der Bundeswehr überprüft werden, müssen die zusätzlich vorgesehenen Kontrollschleifen im Kern den aktiven Militärs und zivilen Mitarbeitern gelten. Die eingeleitete Gesinnungsprüfung stellt sich damit als Misstrauenserklärung gegen aktive Soldaten sondergleichen dar. Das sollte sich auch eine Wehrbeauftragte Eva Högl hinter die Ohren schreiben. Ihr Job ist es nicht, die Herrschaft des Verdachts gegenüber Soldaten zu predigen, sondern als Vertrauensperson aufzutreten. Den Vorschuss an Vertrauen, der ihr mit der Wahl eigentlich zustand, hat sie rasch verspielt.

 

Mehr zum Thema von Josef Kraus und Richard Drexl: Nicht einmal bedingt abwehrbereit. Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine. Edition Tichys Einblick im FBV, 240 Seiten, 22,99 €.


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