Der Pariser Jung-Siegfried Macron gilt in der deutschen Medienlandschaft, aber auch in der breiteren Öffentlichkeit immer noch als politische Lichtgestalt, der Frankreichs verkrustete Wirtschaft genauso umkrempelt wie der Europäischen Union neue Impulse verleiht. Dass er in Frankreich die Auseinandersetzung mit dem Gewerkschaftskartell sucht, um die französische Wettbewerbsfähigkeit durch Arbeitsmarktreformen nach deutschem Gerhard Schröder-Vorbild zu erhöhen, ist unbestritten. Doch seine europapolitischen Initiativen, die er im Herbst in seiner Rede an der Pariser Sorbonne spektakulär präsentiert und jetzt vor dem Europäischen Parlament in abgemilderter Form erneuert hat, bleiben der alten französischen Tradition verhaftet, Europa endgültig in eine zentralistische Transferunion umzubauen. Das scheint vielen in Deutschland bis heute entgangen zu sein.
Ein europäischer Finanzminister mit eigenem europäischen Budget? Eine Stärkung der Währungsunion mit noch mehr gemeinsamer Haftung? Eine Bankenunion mit einer Einlagensicherung, die zu Lasten der deutschen Institute und ihrer Kunden einen weiteren Haftungsverbund in Europa schmiedet? Das alles in einem Europa, das nach wie vor aus souveränen Mitgliedstaaten mit demokratisch legitimierten Parlamenten besteht, zu deren vornehmstem Recht die Budgethoheit gehört. Wer will, dass die nationale Souveränität noch stärker an der Brüsseler Garderobe abgegeben und das Subsidiaritätsprinzip von der EU-Kommission noch stärker missachtet wird, der muss Macron ohne Rücksicht auf die dramatischen Konsequenzen folgen.
Die Grünen haben Deutschlands Bremserrolle in der Europapolitik in den letzten Tagen scharf kritisiert. In der SPD wird diese Kritik überwiegend geteilt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz gibt sich bisher eher reserviert. Ergeht es ihm mit der Kanzlerin wie Schäuble im Sommer 2015?