Es kommt selten genug vor, dass Politiker klare Worte wählen. In der Regel muss sich der Bürger mit müden Willensbekundungen, hohlen Phrasen oder verklausuliertem Politikersprech zufriedengeben. Umso begrüßenswerter ist es, dass der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) sich in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel konkret zur Rigaer Straße 94, dem von Linksextremisten teilbesetzten Haus, äußert. Dabei wird aber vor allem eines klar: Der Berliner Senat ist entweder impotent im Angesicht offenen Rechtsbruchs oder unehrlich in seinen Zielen. Was schlimmer wäre, das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Gleich im ersten Absatz seines Beitrags schreibt Geisel:
„Ich habe drei Grundsätze für meine Arbeit als Innensenator: Erstens wird die Polizei nicht benutzt, um sich politisch zu profilieren. Zweitens lasse ich es nicht zu, dass unsere Polizistinnen und Polizisten unnötig in Gefahr gebracht werden und drittens brechen wir nicht geltendes Recht, um parteipolitische oder öffentliche Erwartungshaltungen zu erfüllen. Diese Grundsätze gelten allesamt auch für die Situation in der Rigaer Straße.“
Erstens gibt er vor, die Polizei nicht zur politischen Profilierung nutzen zu wollen. Wie schön, dass ein Politiker sich zu solch demokratischen Selbstverständlichkeiten verpflichtet fühlt – der Rest der SPD scheint da anderer Meinung zu sein und arbeitet sich bei jeder sich bietenden Möglichkeit an der Polizei ab.
Und schließlich behauptet Geisel gar, dass er nicht geltendes Recht brechen lässt, um parteipolitische oder öffentliche Erwartungshaltungen zu erfüllen. Das stimmt sogar, dass Recht in Berlin in diesem Fall wohl nicht gebrochen wird, aber wenn man Recht und Gesetz solange verbiegt, bis diese zu einer Parodie ihrer selbst werden, dann ist man in Berlin.
Da wäre zum Beispiel das Antidiskriminierungsgesetz, welches die Berliner Polizisten unter den Generalverdacht des Rassismus stellt und dazu führt, dass Berliner Polizisten nun beweisen müssen, dass sie keine Rassisten sind. Auch ist die noch immer bestehende Teilbesetzung der Rigaer Straße Folge einer solchen Gesetzesbeugung. Denn der Senat erkennt den Hausverwalter und Eigentümer-Anwalt der Besitzer der Rigaer Straße einfach nicht an. Das Haus gehört tatsächlich einer Briefkastenfirma in London: der sogenannten „Lafond Investment Limited“, die einzig und allein das Haus mit der Adresse „Rigaer Straße 94“ verwaltet. Die Besitzer dieser Briefkastenfirma möchten sich aber nicht der Öffentlichkeit preisgeben. Der Tagesspiegel berichtet an anderer Stelle, dass die Eigentümer dies tun, um sich gegen Repressalien zu schützen: denn schon der Voreigentümer wurde Opfer zahlreicher Gewaltbedrohungen. Der Hauptanteilseigner der Lafond Investment Ltd. soll in Berlin leben; da haben es die gewaltbereiten Extremisten nicht weit, um ihn unter Druck zu setzen.
In seinem Gastbeitrag sagt Geisel, das Land Berlin sei bereit, das Haus zu kaufen – aber nur, wenn die Besitzverhältnisse klar sein, um zum Beispiel Geldwäsche ausschließen zu können. Gelten Eigentumsrechte etwa nur, wenn eine Immobilie Berlin selbst gehört? Denn, egal wem das Haus schlussendlich gehört: Der Eigentümer kann darüber verfügen wie er will und auch Besetzer des Hauses verweisen. Gehen diese nicht von selbst, so kommt eben die Polizei und räumt. Dass der Berliner Senat sich mit juristischen Taschenspielertricks dagegen wehrt, geltendes Recht durchzusetzen, ist der Skandal, nicht die Anonymität des Eigentümers.
Geisel ist sich nicht zu schade zu schreiben: „Aufgabe der Eigentümer ist es, ein Sicherungs- und Nutzungskonzept zu erarbeiten, um das Haus nachhaltig zu sichern. Das ist bei anderen geräumten Objekten in der Stadt gang und gäbe. Es macht keinen Sinn, dass die Polizei Stahltüren beseitigt und kurze Zeit später sind neue eingebaut. Dieser Schutz des Eigentums ist nicht primäre Aufgabe der Polizei; die Polizei ist da, wenn Menschen bedroht werden und geltendes Recht gebrochen wird.“
Das ist eine lächerliche Verniedlichung der Vorgänge. In der Rigaer Straße hatten Hausbesetzer Sicherheitstore in das Gebäude eingebaut. Die Polizei kam, montierte diese ab und räumte eine besetzte Wohnung – was natürlich nicht ohne Gewalt seitens der Besetzer vonstatten ging. Bereits kurze Zeit später waren die Tore wieder eingebaut, und als der Hausverwalter und der Anwalt der Eigentümer das Gebäude begehen wollten, wurden sie von den Besetzern verjagt und dann auf offener Straße verprügelt. Die Polizei – die sich geweigert hatte, bei der Begehung Schutz zu gewähren – verfolgte die Angreifer bis zur Schwelle der Rigaer Straße und brach dann die Verfolgung ab, weil kein Polizeibeamter des höheren Dienstes verfügbar war, um die explizite Erlaubnis zur Verfolgung der linksextremistischen Verdächtigen zu erteilen. Denn in Berlin müssen sich Polizisten die Verfolgung linker Gewalttäter erst freigeben lassen. Geisel rechtfertigt dies damit, dass der sogenannte „Entscheidungsvorbehalt“ unter seinem Vorgänger Frank Henkel (CDU) „schriftlich fixiert wurde“. Nun ist Geisel zwar schon seit 2016 Innensenator, aber das war wohl nicht genug Zeit, um eine solche politisch gewollte Sonderbehandlung einer bestimmten Gewalttätergruppe rückgängig zu machen.
Immerhin traut sich Geisel die linke Gewalt zu verurteilen: „Und diejenigen, die dort linken Klassenkampf im Kiez vortäuschen, sind nichts anderes als gewöhnliche Kriminelle, die mit totalitären Methoden ihre Nachbarschaft terrorisieren.“. Er sagt auch: „Rechtsbrüche werden konsequent verfolgt; jeder richterliche Durchsuchungsbeschluss vollstreckt.“
In Anbetracht der Tatsache, dass in Berlin die Rate der abgeklärten Straftaten bei unter 50% liegt, dass der Görlitzer Park und die Umgebung desselben fest in der Hand von Drogendealern sind, ist das eine mutige Behauptung. Zum Schluss schreibt Geisel dann noch: „Wir setzen Recht durch. Das tun wir aber nicht in Großstadt-Sheriff-Manier, sondern ausschließlich mit den Mitteln des Rechtsstaats. An unserer Entschlossenheit sollte niemand zweifeln.“
Ganz ohne hohle Phrasen kommt er also doch nicht aus.