Eine ungewöhnlich sehenswerte Dokumentation zeigte der Norddeutsche Rundfunk: Eine halbe Stunde über Marco Scheel, einen „Poken“ auf der Insel Rügen, und sein kleines Textilunternehmen „Nordwolle“. Er kauft die graue oder auch schwarze Wolle des Pommerschen Landschafs, die bisher kaum jemand mehr wollte, weil sie sich im Gegensatz zu weißer Wolle nicht bunt färben lässt – und macht daraus Jacken in Grautönen, wie sie auf den Schafen wachsen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in England und Wales sucht er schließlich im Wortsinne nach den schwarzen Schafen, deren Wolle kaum jemand sonst haben will. Und er findet sie.
Eine schöne, einfache Idee: Warum weiße Wolle künstlich schwarz färben, wenn es schwarze Schafe gibt? Und es ist ein Geschäft, das ganz im Sinne der Ökologie und nicht zuletzt der Sicherung heimischer, traditioneller Land- und Textilwirtschaft ist. Kleider made in Germany – gesponnen in Sachsen, gewalkt in Bayern, genäht in Thüringen und Mecklenburg.
Wer kann diesem schlagfertigen, im Wortsinne unternehmenslustigen Mann und seiner „Nordwolle“ nicht jeden Erfolg wünschen? Wer wollte ihm Steine in den Weg legen, wenn er mehr Raum zur Produktion braucht. Nun ja, schließlich kommt nach rund 20 Minuten die große Ernüchterung. Deutsche Bürokraten verhindern, dass Marco Scheel einen rund zweihundert Jahre alten Kuhstall für seine Produktion herrichtet. Sie wollen ihm einen Lotsen vermitteln für die Untiefen des Baurechts. Die Ablehnung der Renovierung des uralten Kuhstalls begründen sie mit der Verhinderung der Zersiedelung, während sie ihn zugleich überreden wollen, in einer neuen Metallhalle produzieren zu lassen.
Wie Scheel das vor laufender Kamera minutenlang kommentiert, ist nicht nur ein Bruch in der Doku und ihr überraschender Höhepunkt, sondern ein filmisches Mahnmal gegen den Wahnsinn der deutschen Bürokratie:
„Wir können nicht alle“, so Scheels Fazit, „mit ’nem MacBook und ’nem Chai Latte in Berlin in ’neuen Coworking Space sitzen und die zehnte DatingApp erfinden. Es gibt auch ein paar Leute, die was anfassen und sich die Hände schmutzig machen.“
Die ganze NDR-Doku hier: