Tichys Einblick

Die rote Richterin und der Rechtsstaat

In Mecklenburg-Vorpommern ist die Linke-Politikerin Barbara Borchardt als Richterin des Greifswalder Verfassungsgerichtshofes gewählt worden. Auch mit Stimmen der CDU. Borchardt steht für den extrem linken Flügel ihrer Partei.

Barbara Borchardt

imago images / foto2press

Barbara Borchardt muss man nicht kennen. Doch die letzten Tage könnten dafür sorgen, dass ihr Name doch einmal Erwähnung in Geschichtsbüchern findet, für die einen als Heldin, für die anderen als Symbol für einen Tabubruch. Die 64-Jährige ist Politikerin der Linken und am letzten Freitag vom Landtag von Mecklenburg-Vorpommern zur Richterin des Verfassungsgerichtshofes des Landes gewählt worden. Aber nicht nur mit dem Stimmen ihrer Fraktion, sondern auch von der SPD. Schließlich haben auch CDU-Parlamentarier für die DDR-Diplom-Juristin gestimmt, die auch schon ihrer Partei angehört hat als die sich noch SED nannte.

Im zweiten Wahlgang erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit

Landesverfassungsgericht MV
DDR-Juristin zur Verfassungsrichterin gewählt
Zwar bekam Borchardt erst im zweiten Wahlgang die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit, weil sich hier noch einige Abgeordneten verweigert hatten, vermutlich aus den Reihen der CDU. Doch dann siegte die Fraktionsdisziplin: Die Fraktionsspitze der Union hatte sich schon vor einiger Zeit mit SPD und Linken darauf geeinigt, die Kandidaten des jeweils anderen zu wählen. Dieser Deal war wichtiger als der Rechtsstaat. Denn die Haltung der neuen Richterin zur Bundesrepublik und ihrer Verfassungsordnung ist zweifelhaft. Borchardt war Mitgründerin der sogenannten „Antikapitalistischen Linken“, einer Gruppierung innerhalb der Linkspartei, die vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestuft wird.

In der CDU des Landes – dem Heimatverband der Kanzlerin – soll es nun gären wie die Bild-Zeitung heute titelte. Kein Wunder: Eine Partei, die sich selbst gerne als „Partei der Deutschen Einheit“ feiert, aber 30 Jahre nach der Wende eine alte DDR-Funktionärin, die immer noch deutlich mit der Bundesrepublik fremdelt, in eine für unseren Rechtsstaat zentrale Funktion wählt, steht nicht nur gegenüber den eigenen Wählern in Erklärungsnot.

Gilt die Hufeisen-Theorie noch?

Wir erinnern uns an Thüringen: Als dort der FDP-Mann Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden ist, ging ein Aufschrei durch die Republik. In der Debatte danach verwiesen Unionsspitzen immer wieder auf die so genannte Hufeisen-Theorie: Man wolle gleiche Distanz zu den Extremen von rechts und links halten. Sollte heißen: Keine Zusammenarbeit mit der AfD und mit den Linken. Und jetzt?

Ob im Kanzleramt ein Hufeisen an der Wand hängt, wissen wir nicht. Wenn, dann zeigt es nun nach unten. Diese Wahl war ein Unglück, für den Rechtsstaat, aber auch für die Glaubwürdigkeit der Kanzlerin. In Thüringen hatte Merkel nicht gezögert, von einem Staatsbesuch aus die Kemmerich-Wahl als nicht akzeptabel zu geißeln. Ob die Kanzlerin sich nun auch an ihre Schweriner Parteifreunde wenden wird? Sie setzt wohl darauf, dass im Trubel der Corona-Krise dieses Problem einfach untergeht.


Dieser Beitrag von Stefan Sasse erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur, der wir für die freundliche Genehmigung zur Übernahme danken.

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