Wo bleibt eigentlich der „rechte“ Protest gegen G20? Wird die „linke“ und „linksradikale“ Protestsammelbewegung gegen den Globalisierungsgipfel im Hamburg am kommenden Wochenende möglicherweise auch eine Demonstration in Sachen Meinungshoheit?
Eigentlich müsste hier doch die „radikale Rechte“ den Versuch unternehmen, der „Linken“ politisch den Schneid abkaufen und zeigen, dass sie noch viel besser und lauter gegen die Globalisierung kann. Also quasi Identitäre und AfD-Jugend in Konkurrenz zu Antifa und Gewerkschaftsjugend und gemeinsam gegen G20.
„Wir dürfen das Werben um besorgte Bürger nicht den Populisten überlassen. Die etablierten Parteien müssen die Angst vor der Globalisierung in ihre Arbeit einbeziehen“, sagte Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann-Stiftung gegenüber der ZEIT. Und wer heute nach Hamburg schaut der weiß: die Botschaft ist angekommen. Jetzt fehlen nur noch die Pegida-Busse aus Dresden, da war man doch auch immer gegen Globalisierung?
Heiko Maas erzählt in seinem Buch „Aufstehen statt wegducken“ ja auch, die „neue Rechte“ baue auf der Monstererzählung über die Globalisierung „weite Teile ihrer Ideologie auf.“ Nun sind es allerdings die neuen Bundesgenossen von Heiko Maas im „Kampf gegen Rechts“, die das Monster in Hamburg auf die Hörner nehmen wollen.
Aber dazu muss man wissen: Für Heiko Maas ist Globalisierung keine Bedrohung an sich, sondern eine Frage des gesellschaftlichen Wandels. Also der bestmöglichen Anpassung. Das ist Politik, die nicht mehr selbst gestalten will, sich nicht mehr aufstellt im Sinne der Gerechtigkeitsfindung, sondern den bequemeren Weg wählt: eine nachhaltige Veränderung des Verständnis für Gerechtigkeit.
China scheut sich auch nicht, Handel mit autoritären Regimen zu treiben ohne diesen, wie der Westen, an demokratische Reformen zu knüpfen. Aber wird die Weltgemeinschaft China hier die Leviten lesen? Kaum anzunehmen, denn mittlerweile engagiert sich die USA ebenfalls verstärkt in Afrika, während Deutschland wahrscheinlich zukünftig alle Kraft darauf setzen wird, die Ehe für Alle nach Afrika zu importieren – ersatzweise für Fahrzeuge und Maschinen Made in Germany. Dem Verdacht der Ausbeutung wird so jedenfalls erfolgreich gegengesteuert. Derweil freuen sich Entwicklungshilfefachleute in Deutschland, dass hier lebende Afrikaner via MoneyGram Teile ihrer Sozialleistungen in ihre Heimatländer schicken – das wäre eine alternative Entwicklungshilfe, die direkt bei den Menschen ankäme.
Die im „Kampf gegen Rechts“ staatlicherseits so hoch subventionierte „Linke“ bekommt in Hamburg aber nicht nur die Chance, sich gegen „rechte“ Globalisierungsgegner abzusetzen, viel wichtiger scheint, das man hier verloren gegangene Glaubwürdigkeit in den eigenen Reihen aufpolieren kann. Gelegenheit, mal das Herrchen zu beissen, das einen füttert. Souveränität andeuten, denn mehr ist es ja nicht. Wahrscheinlich hofft sogar „die Linke“ darauf, dass die Polizei ihre Arbeit vernünftig macht, es also bei einer randalefreudigen deutlichen Willensbekundung von „links“ bleiben darf. Schön blöd, dass jetzt die Polizeigewalt gegen „linke“ Randalierer eingesetzt werden muss, die man sonst so gerne als Strumtrupp vorschickt.
Der Zwiespalt erinnert an die Zeit, als Trittin Umweltminister der rot-grünen Agenda-2010-Regierung war und um Weisheit rang, als es darum ging, dem bei Atomkraftgegnern so beliebten „Schottern“ eine Absage zu erteilen. Auf einmal war nicht mehr das Endlager illegal, sondern die grünen Aktionen dagegen.
In Hamburg bietet sich der „radikalen Linken“ die Gelegenheit, sich über interne Streitigkeiten hinweg neu zu formieren und ihr Alleinstellungsmerkmal in Sachen Protest zu bekräftigen. Eine Machtdemonstration also sowohl gegen die ebenfalls globalisierungsfeindliche „Rechte“, aber auch gegenüber der Regierung selbst, die in den Gipfeltagen intensiver als sonst spüren wird, das es nichts umsonst gibt im Leben, selbst dann nicht, wenn man bereit war, „linken“ Gruppierungen unterschiedlicher Schattierungen im „Kampf gegen Rechts“ via Familienministerium 200 Millionen Euro Startgeld hinzuwerfen.
Wo also ist „die Rechte“ in Hamburg? Stellvertretend dafür mag die innere Zerrissenheit der AfD zum Thema Globalisierung stehen. Einerseits bekennt man sich im Parteiprogramm dazu, das „Internationaler Handel (…) die Grundlage unseres Wohlstands und des friedlichen Miteinanders“ sei, andererseits sagt man nein zu TTIP, CETA und TISA.
Ein Paradoxon der AfD kann es sein, einerseits die EU zu kritisieren, die, so Frauke Petry „Deutschland zur Melkkuh“ gemacht hat und andererseits einem globalen Welthandel das Wort zu reden, einem Welthandel, der auf einen starken gesamteuropäischen Player angewiesen scheint.
Wahrscheinlich liegt die Wahrheit in einer banalen Erkenntnis: „Die Rechte“ beruft sich in ihrem Kampf gegen Globalisierung auf die Ängste der Bürger, während „die Linke“ den Bürger gar nicht befragen mag, sich also nicht auf einem imaginären Volkswillen beruft, sondern der Einfachheit halber gleich die eigene Erkenntnis der Wahrheit zur Grundlage ihres politische Strebens macht.
Für „Rechte“ wie „Linke“ ist die Globalisierung Auslöser der Fluchtbewegungen nach Europa. Aber der Schwerpunkt ist ein anderer. Ist es für „die Rechte“ eine Art Masterplan der oberen Zehntausend und steht hier die Verteidigung der eigenen Identität gegen die Globalisierung im Vordergrund, bekämpft „die Linke“ das immer gleiche Profitstreben der internationalen Banken und Konzerne bzw. des Imperialismus und verteidigt die Menschenrechte. Völker hört die Signale, auf zum letzten Gefecht. Nach Hamburg.
Der AfD fällt dazu nicht viel mehr ein als das, was beispielsweise Leif-Erik Holm von der AfD-Fraktion im Landtag vom Mecklenburg-Vorpommern twittert: „Grenzkontrollen zum G-20 Gipfel plötzlich möglich: Sicherheit für alle Bürger, nicht nur für die Mächtigen!“ Das mag zwar auf eine Art fein beobachtet sein, aber es liest sich angesichts der vielfältigen geplanten Aktionen „der Linken“ gegen den Gipfel doch nur wie eine irgendwie madige Randnotiz. Macht doch mit.