Tichys Einblick
"geschlechtergerechte" Sprache in der Kirche

Die RatsmitgliederInnen der EKD beim freiwilligen Turmbau zu Babel

Die Herren und HerrInnen der Evangelischen Kirche in Deutschland konnten erneut ihren Drang zur Komik und zu schiefen Witzen nicht bezähmen.

Symbolbild

Getty Images

Bei seinem Treffen am 19. Juni 2020 beschloss der Rat der EKD zur Unterhaltung des geneigten Publikums in schwieriger Corona-Zeit einen kleinen Schwank als freiwillige gesellschaftliche Arbeit, als Subbotnik für die große Transformation der Gesellschaft, aufzuführen, für den er den publikumswirksamen Titel: „Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Sprache in schriftlichen Äußerungen der EKD sowie in Normtexten“ fand.

Die Herren und HerrInnen der EKD erinnerten sich vermutlich daran, dass jemand behauptete, Komik entstünde, wenn man das Gegenteil von dem unternimmt, was man ankündigt. Und so befehlen die „Empfehlungen“ harsch: „Die schriftliche Kommunikation der EKD ist geschlechtergerecht zu gestalten.“

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Schließlich hegen die Herren und HerrInnen der EKD den tiefen Aberglauben, dass Sprache „gerecht“ sein könnte. Gerechtigkeit mag ein soziales oder politisches Phänomen oder Leitbild sein, ein linguistisches ist es nicht. Der Begriff der Gerechtigkeit kommt in der Linguistik nicht vor. Würden die Herren und HerrInnen der EKD einmal ihren Drang zur Komik und zu schiefen Witzen hintanstellen, müsste ihnen der Widerspruch, in dem sie sich begeben haben, auffallen. Wenn Sprache ein Spiegel unseres Alltags ist, dann würde nur ein „geschlechtergerechter Alltag“, was immer das auch sein mag, eine geschlechtergerechte Sprache hervorbringen, und der Rat der EKD hätte nichts anderes zu tun, als auf diesen „geschlechtergerechten Alltag“ zu warten, der dann im Laufe von Jahrhunderten auch eine geschlechtergerechte Sprache hervorbringen würde. Aber da die Mitglieder und MitgliederInnen des Rates der EKD viel Zeit in Judith Butlers Klippschule zugebracht haben, glauben sie nun, indem sie die Sprache ändern, würden sie den Alltag verändern. Dabei sollte man gerade im Rat der EKD wissen, dass auch in der DDR die geflügelte Jahresendzeitfigur für den Engel oder die EngelIn sich nicht durchgesetzt hat und im übrigen auch nicht die Eindeutschung des Boulevards als Fußgängererlebnisbereich.

Das alles aber ficht die EKD in ihrer tapferen Don Quichotterie gegen die Sprache mitnichten an. So soll der Pfarrer bspw. die Christen beim Sonntagsgottesdienst nicht mehr mit: „Liebe Brüder und Schwestern“ begrüßen, denn das würde das dritte Geschlecht und all die anderen 666 Geschlechter diskriminieren, sondern stattdessen „Liebe Geschwister“ sagen und statt „Sehr geehrte Damen und Herren“ „Sehr geehrte Anwesende“, was voraussetzt, dass der Pfarrer durch seine Predigt nicht die Anwesenden plötzlich in Abwesende verwandelt.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Ein bisschen Gender
Allerdings wirft die EKD mit der Anrede „Geschwister“ ein gewaltiges linguistisches Problem auf. Zunächst wurden nämlich unter „Geschwister“ allein die Schwestern verstanden, wie die Brüder als Gebrüder bezeichnet wurden. Nun hatte sich bereits in Zeiten, in denen man sich so etwas wie den Genderismus oder die geschlechtergerechte Sprache allenfalls im Städtchen Schilda vorstellen konnte, die Geschwister als generisches Femininum für die Brüder und Schwestern durchgesetzt. Sprechen wir heute von Geschwistern meinen wir die Brüder und Schwestern.

Schließt aber dieser Vorschlag nicht härter und brutaler noch gerade das dritte Geschlecht aus? Denn die Angehörigen dieses Geschlechts sind weder dem Bruder ein Bruder, noch der Schwester eine Schwester, aber auch der Schwester kein Bruder und dem Bruder keine Schwester? Umso geschlechtergerechter die EKD also werden will, um so sprachungerechter wird sie.

Der Satz: „Gesellschaftlicher Wandel und Wandel der Sprache beeinflussen sich gegenseitig“ besitzt den Wert eines linguistischen Dogmas der unbefleckten Empfängnis. Sprache, lernen wir also von den RätInnen der EKD, ist etwas von der Gesellschaft Getrenntes, Apartes, so als fände Kommunikation außerhalb der Gesellschaft, geradezu als creatio ex nihilo statt.

Kommunikation gehört im Gegenteil zu den konstituierenden Elementen der Gesellschaft. Gesellschaftlicher Wandel hingegen bezeichnet im Grunde eine Tautologie, denn Gesellschaft befindet sich im ständigen Wandel, man nennt es Geschichte. Aber gut, in der Tautologie wird die Logik nur besonders zwingend – und was besitzt schon eine höhere Logik als ein weißer Schimmel. Und vielleicht kann man seine Abende oder seine gottesdienstfreien Sonntage auch damit zubringen, die Sprache und die Gesellschaft dabei zu beobachten, wie sie sich beim scheinautistischen Wandeln heimlich gegenseitig beeinflussen, wiewohl die Gesellschaft dabei sprachlos und die Sprache ungesellig wäre.

Marx und Bedford-Strohm
Das bischöfliche Bullerbü oder das lustige Bischofs-Doppel
Sprache kann man nicht zwingen, sie entwickelt sich durch das Sprechen und Schreiben aller Angehörigen einer Sprachgruppe. Martin Luther hat in seinem schönen Sendbrief „Vom Dolmetschen und von der Fürbitte der Heiligen“ den Umgang mit Sprache so beschrieben: „Denn man soll nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man Deutsch reden soll, wie es die Esel tun, sondern man muss die Mutter im Haus, die Kinder auf der Gasse, den einfachen Mann auf dem Marktplatz danach fragen und denselben auf den Mund sehen, wie sie reden, und danach dolmetschen, so versehen sie dann und merken, dass man deutsch mit ihnen redet.“

Man sollte auch nicht Ideologen fragen, wie die Leute sprechen sollen. Wenn die RätInnen der EKD Gottes Wort verbreiten wollen, ich weiß, eine kühne Annahme, wenn sie wirken möchten, dann sollten sie nicht versuchen, so künstliche, wie krude Maßstäbe durchzusetzen, sondern „den einfachen Mann auf dem Marktplatz … auf den Mund sehen.“

Nicht Herrscher, nicht Minister oder Bischöfe, weder Politiker, noch NGO-Aktivisten entscheiden darüber, wie gesprochen wird, sondern all diejenigen, die die Sprache sprechen. Während sich der Wortschatz einer Sprache schneller verändert, finden Modifikationen in der grammatikalischen Struktur der Sprache behutsam und in langen Zeiträumen statt. Der Versuch, per odre de mufti Sprache zu verändern, ist bisher immer gescheitert.

Aber wahrscheinlich wird man den RätInnen der EKD wieder erklären müssen, wer Martin Luther war, so wie man ihnen den Glauben, die Trinität und die Mission, wie man ihnen die Aufgabe der Kirche wieder erläutern muss.

An der EKD kann man derzeit studieren, wie Ideologie aus einer Kirche eine rotgrüne NGO mit religiöser Folklore macht, die einem neuheidnischen Glauben namens Wohlfühlprotestantismus anhängt.

Der Turm der Ideologie, den man im Rat als Selbstvergottung baut, wird nur zur Sprachverwirrung führen, einer Verwirrung, die allerdings allein die zur Sekte werdende EKD betrifft, denn niemand wird sie mehr verstehen und auch nicht mehr verstehen wollen. Und das ist zutiefst sprachgerecht, denn wer sich an der Sprache vergeht, wird sie verlieren. Der hockt dann nur noch lallend in den ersten beiden Mauerringen des Tempels, die ihm vergönnt waren, fertigzustellen, bevor der Herr über ihn kam.

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