Tichys Einblick
Corona-Blockade schnell wieder vorbei

Die Ministerpräsidenten preschen mit Verschärfungsplänen vor

Vor einer Woche blockierten die Länder noch Merkels Knallhart-Maßnahmen. Nun sieht dagegen die Beschlussvorlage der Länder die Verschärfung und vor allem Verlängerung des Lockdowns vor.

picture alliance/dpa/AFP/POOL | Odd Andersen

Bei der letzten Corona-Konferenz im Kanzleramt fuhren die Ministerpräsidenten der Kanzlerin gehörig vor den Karren. Wer glaubte, die Länderchefs würden tatsächlich ein hartes Seuchenregiment verhindern, wird nun eines besseren belehrt, denn Medienberichten zufolge hat Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller, der auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist, ein Papier ausarbeiten lassen, das es in sich hat.

Heft 12-2020
Tichys Einblick 12-2020: Lockdown im Kopf
Vielleicht hat ihn der Döner-Streit mit der Kanzlerin zum Umdenken gebracht, vielleicht hat er auch das schlechte Corona-Management der Stadt Berlin auf das ganze Land projiziert. Warum auch immer – wenn es nach Müller geht, müssen sich die Deutschen auf noch stärkere Beschränkungen einstellen. Laut der Beschlussvorlage der Ministerpräsidenten sollen die Corona-Maßnahmen bis zum 20. Dezember verlängert und aller Voraussicht nach zum 1. Dezember nochmals verschärft werden. So sollen private Zusammenkünfte zum Monatsanfang auf maximal fünf Personen aus zwei Haushalten beschränkt werden. Außer an Weihnachten: Die Ministerpräsidenten wollen zum Heiligen Abend „Milde walten lassen“ und zwischen fünf und zehn Personen (dort bleibt das Papier unklar) gleichzeitig zulassen – anschließend geht es aber wieder sofort zurück in den Lockdown. Das Papier empfiehlt den Bürgern, „wo immer möglich, sich vor und nach den Feiertagen in eine möglichst mehrtägige häusliche Selbstquarantäne zu begeben“. Die Zusammenkunftsbeschränkung soll dann bis zum 17. Januar fortgesetzt werden.

Dabei behalten sich die Regierenden die Verlängerung sämtlicher Maßnahmen vor: Ab dem 20. Dezember sollen die Maßnahmen immer um jeweils 14 Tage verlängert werden können, wenn die Zahl der Neuinfektionen nicht unter einen Wert sinkt: Bundesländer, die maximal 50 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche melden, dürfen die Verlängerung der Maßnahmen verweigern, wenn es ihrem Ministerpräsidenten gefällt. Schlechte Nachrichten also für alle Bayern, die demzufolge wahrscheinlich noch bis Februar im Lockdown sitzen werden.

Überraschung im Lockdown:
Weihnachten von Günthers Gnaden
Eine Verschärfung sehen die Ministerpräsidenten wohl auch bei der Maskenpflicht vor. „Jede Person hat in geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs- oder Kundenverkehrs zugänglich sind, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen“, wird in Müllers Papier formuliert. „Darüber hinaus ist eine Mund-Nasen-Bedeckung auch an Örtlichkeiten in der Öffentlichkeit unter freiem Himmel, an denen sich Menschen entweder auf engem Raum oder nicht nur vorübergehend aufhalten, zu tragen.“ Auch die Maskenpflicht in den Schulen soll kommen, wenn es das Infektionsgeschehen rechtfertige. Auch hier gilt natürlich ein R-Wert, an dem man sich ausrichtet: Werde die wöchentliche Marke von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern „deutlich“ überschritten, soll ab der Siebten Klasse Maskenpflicht verordnet werden können – wie es aussieht, auch auf dem Schulhof.

Am Mittwoch treffen die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten erneut zur Konferenz zusammen. Dieses mal dürften die Länder den Ton angeben. Wer sich über das Scheitern von Merkels Wahnsinnsmaßnahmen vor einer Woche freute, tat dies also zu früh. Dass die Ministerpräsidenten damals bremsten, lag also wohl weniger daran, dass sie Merkels Vorschläge für unverhältnismäßig hielten. Es ging wohl um ihr Ego. Das Problem war nicht die Vorlage, sondern nur, wer sie geschrieben hat. Ein recht arg geschrumpfter Föderalismus.

Anzeige
Die mobile Version verlassen