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Die merkwürdige Sorge um Raisi bei der Tagesschau

Die meisten kennen den iranischen Präsidenten Raisi als „Schlächter von Teheran“. Für die Tagesschau ist er lediglich „erzkonservativ“. Und der EU-Ratspräsident zeigt sein „aufrichtiges Beileid“ nach der Todesmeldung.

Screenprint: ARD / Tagesschau

Kritik am Iran ist mittlerweile seltener als Kritik an Israel geworden. Wer etwa den Atom-Deal mit den Mullahs für problematisch hielt, der war mindestens Populist oder Trumpist. Und während die israelische Politik Anstoß erregt, scheint die iranische Politik inklusive der Vernichtung Israels buchstäblich gottgegeben zu sein.

Im Zuge des Todes von Präsident Ebrahim Raisi steht natürlich die Frage im Raum, wen Raisi vertreten hat und wofür er stand. Die ARD verblüfft dabei mit einer sonst vermissten Einfühlsamkeit für nicht-linksliberale Regierungen. So klärt die Tagesschau den Zuschauer über Raisis Politik folgendermaßen auf:

„Raisis Regierung steht seit Jahren wegen ihrer erzkonservativen Wertevorstellungen, der Unterdrückung von Bürgerrechten und der schweren Wirtschaftskrise im Iran in der Kritik.“

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: erzkonservativ. Die AfD ist rechtsextremistisch, Giorgia Meloni eine Postfaschistin, die israelische Regierung ultrarechts, und für die (ehemalige) polnische wie ungarische Regierung fand man auch jeweils passende Benennungen – aber in Teheran regiert jemand mit lediglich „erzkonservativen Wertevorstellungen“.

Auch ansonsten macht sich die Tagesschau etwas zu sehr mit der Haltung der iranischen Regierung gemein. Mit der Schlagzeile „Kaum noch Hoffnung auf Rettung von Raisi“ zitiert sie direkt einen Sprecher der iranischen Regierung – ohne Anführungszeichen.

Auch bei der Feststellung des Todes ordnet sich die ARD erst einmal dem iranischen „Framing“ unter, wenn sie als erste Darstellung die eines „Märtyrertodes“ wiedergibt, wie sie die iranische Nachrichtenagentur Mehr vorlegt. In einem anderen Artikel lässt sie zuerst Präsident Ali Chamenei zu Wort kommen, der Raisi als „wertvollen und aufrichtigen Menschen“ bezeichnete.

Die Tagesschau befindet sich damit in guter Gesellschaft. Denn während Iraner Freudenfeuer entfachen, drückte EU-Ratspräsident Charles Michel sein „aufrichtiges Beileid“ zum Tode des iranischen Präsidenten und Außenministers aus. Da musste selbst der neue starke Mann der Niederlande, Geert Wilders, eingreifen: Er hoffe im Gegensatz zu Michel darauf, dass der Iran ein freier, säkularer Staat werde, ohne das barbarische Mullah-Regime.

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