Tichys Einblick
Wagenknecht-Partei

Die letzte Rache des Oskar L.

Die mögliche Wagenknecht-Partei beschäftigt seit knapp einem Jahr die politische Debatte. Zeit, mal über den Mann zu sprechen, der eigentlich dahinter steht: den SPD-Spalter Oskar Lafontaine.

IMAGO / Becker&Bredel

Es ist Oskar Lafontaine, stupid. Wir haben uns jüngst in unseren Berliner Redaktionsräumen über das Thema Wagenknecht-Partei unterhalten und sind endlich auf das gekommen, was eigentlich offensichtlich sein sollte: Oskar Lafontaine ist die treibende Kraft hinter der bevorstehenden Spaltung der Linken. Nicht Sahra Wagenknecht. Sie liefert nur den Namen – weil Lafontaine sich derart oft ins Abseits geschossen hat, dass er nicht mehr in der ersten Reihe stehen kann.

Sahra Wagenknecht war in der DDR ein bevorzugtes Kind, durfte Abitur machen. Aber die heute 54-Jährige fiel in Ungnade. Sie musste ihren Job aufgeben, von privaten Russisch-Stunden leben. Trotzdem trat sie im Frühjahr 1989 in die SED ein. Am Anfang vom Ende der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Als Wahlbetrug, Botschaftsflüchtlinge und marode Firmen und Staatsfinanzen den Weg in den Untergang der DDR vorzeichneten.

34 Jahre ist Wagenknecht der Partei treu geblieben – ganz egal, ob die sich gerade SED, PDS oder Linke nannte. Kaum jemand hat in der Politik jemals so viel in die Fresse bekommen wie Sahra Wagenknecht als Chefin der Kommunistischen Plattform. Von außerhalb der Partei. Aber auch von innerhalb. Immer wieder wurde sie diskreditiert, angefeindet und ausgebremst. Seit sie das „Manifest für Frieden“ mitverfasst hat, passiert ihr das wieder. Auch und gerade durch den Bundesvorstand der Linken. Trotzdem ist Wagenknecht immer noch in der Linken. Die Abspaltung ist nicht ihr Ding. Es ist ihr Mann. Es ist Oskar Lafontaine, stupid.

Sauer darüber sein, dass man nicht mehr geliebt wird und dann den Rolf Rüssmann machen: Wenn wir hier schon nicht gewinnen können, treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt. So hat es Lafontaine 1999 und 2005 mit der SPD gemacht. Damit hat er 16 Jahre Angela Merkel überhaupt erst ermöglicht. Jetzt nimmt er Rache an einer Partei, die er in ihrem jetzigen Zustand selbst mit ins Leben gerufen hat: die Linke. Es ist Oskar Lafontaine, stupid.

Der Mann galt als eines der größten Talente der Politik. Als „Enkel Willy Brandts“. Er hätte Bundeskanzler werden können. Doch er war schlau, mehr als schlau: überschlau. Und so hat er es sich immer wieder selbst verbockt: 1990, als er Helmut Kohl die Deutsche Einheit nicht gönnte. 1994, als er meinte, Rudolf Scharping austricksen zu können. Oder 1998, als er dachte, Gerd Schröder ließe sich von ihm führen.

Danach kam es immer wieder zum gleichen Spiel. Hoffnungsfroh antreten. Grandios scheitern. Den Rasen kaputttreten. Dieser Dreisatz brachte ihn letztlich in seine Heimat Saarland zurück, wo ihm ein lächerlich aufgestellter Landesverband der Linken ein scheinbar letztes Mal den Schuh in den Hintern trat. Ein letztes Mal ging er, zertrat den Rasen und trug dazu bei, dass die Linken aus dem Landtag flogen. In keinem anderen westdeutschen Landtag waren sie davor so erfolgreich gewesen.

Nächsten Monat wird Lafontaine 80 Jahre alt. Eine eigene politische Zukunft hat er nicht mehr. Aber er kann sich noch einmal rächen. Kommt es zur Wagenknecht-Partei, ist die Linke erledigt. Die Partei, die er in der Fusion mit der WASG mitgegründet hat. Treten nach der Abspaltung drei Bundestagsabgeordnete oder mehr aus der Fraktion der Linken aus, gibt es keine Fraktion mehr. Ihre Chancen in kommenden Wahlen wären unterirdisch – da die schon ganz ohne Spaltung auch nicht mehr gut sind. Die Wagenknecht-Partei wäre die letzte Rache des Oskar L. Es ist Oskar Lafontaine, stupid.

Die Bild spekuliert über die Burn-Out-Erkrankungen von Sahra Wagenknecht. Das gehört sich nicht. Eigentlich. Andererseits hat Wagenknecht mit dem Manifest und mit der Ankündigung einer Partei-Gründung Staub aufgewirbelt. Sie steht in der Arena. Also muss sie sich Angriffe gefallen lassen.

Doch Wagenknecht ist abgetaucht. Nur selten äußert sie sich. Gegenüber dem Portal FinanzBusiness hat sie ihre Position zur „Übergewinnsteuer“ deutlich gemacht. Zur Parteiengründung indes ist sie nicht zu sprechen. Mögliche Mitstreiter wie Ulrike Guérot hängen in der Luft, wissen nicht, wie es weitergeht. Nur die Übergewinnsteuer hat Wagenknecht nicht ausgelassen. Das Lieblingsthema eines ehemaligen Kurzzeitsuperfinanzministers. Es ist Oskar Lafontaine, stupid.

Dann äußert sich Wagenknecht doch noch. Im Spiegel. Zum Rücktritt von Fraktionschef Dietmar Bartsch. Den wirft sie der Parteiführung vor: „Der Rückzug von Dietmar Bartsch wird dazu führen, dass sich der Kurs der Parteispitze, den Klimaaktivismus der Grünen zu überbieten und die Sorgen und Probleme normaler Bürger zu vernachlässigen, in der Linken noch stärker durchsetzt.“ Zu den Plänen einer eigenen Partei äußert sie sich nicht. So ist das dieser Tage: Die Attacke gegen den Gegner geht, die eigenen Absichten bleiben konfus. Es ist Oskar Lafontaine, stupid.

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