Tichys Einblick
Mit Ansage

Die Letzte Generation radikalisiert sich öffentlich

Die Bewegung "Die letzte Generation" radikalisiert sich zunehmend. Vorm Bundeswirtschaftsministerium rissen ihre Mitglieder jetzt den Boden auf und verschmierten das Gebäude. Außerdem hat die Gruppe angekündigt, Gas-Pipelines stilllegen zu wollen. In Politik und Medien stoßen sie auf Wohlwillen.

Der deutsche Terrorismus begann am 7. August 1967. Zwei linke Aktivisten warfen eine Rauchbombe auf die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin. Eine symbolische Tat. Verletzt wurde niemand. Aber Terror lag in der Luft. Als im Januar 1969 vier Wachsoldaten im saarländischen Lebach ermordet wurden, hielten Verfassungsschützer und Bundesstaatsanwaltschaft dies zunächst für Terror. Doch es stellte sich heraus, dass die Täter homosexuelle Lebemänner waren, die sich durch den Mord Luxus an der Riviera erpressen wollten. Der eigentliche Terror begann dann am 14. Mai, als die RAF Andreas Baader aus der Haft befreite. Nur, ab wann beginnt man, von Terror als Terror zu reden? Wenn Journalisten von der politischen Symbolik von Kaufhausbränden schwafeln? Wenn Aktivisten Rauchbomben auf Gebäude werfen? Oder doch erst, wenn Bomben explodieren und auf Menschen geschossen wird? Wenn es um die „Letzte Generation“ geht, ist der Begriff des Terrors noch verpönt. Medien schreiben stattdessen von „Aktivisten“. Das klingt nicht nur liebevoll und unterstützend – das ist auch so gemeint.

Doch der Radikalisierung der „Letzten Generation“ kann man förmlich zuschauen. Es erfordert nicht mal eine besonders anspruchsvolle Recherche: Die Gruppe stellt die Bilder dazu selbst ins Internet. Etwa über den Twitter-Account, der den Namen „Letzte Generation“ trägt. Am heutigen Mittwoch sind dort Bilder zu sehen, wie ihre Mitglieder in Frankfurt am Main Verkehrsachsen blockieren. Vergangene Woche verletzte sich eine Radfahrerin, als die „Letzte Generation“ Öl auf Straßen kippte. Auch von der Aktion am gestrigen Dienstag vorm Wirtschaftsministerium gibt es Bilder.

„Letzte Generation“-Täter hatten sich als Bauarbeiter verkleidet. In der Berliner Invalidenstraße rissen sie den Boden auf und verlegten symbolisch eine Gas-Pipeline. Die Adresse war nicht zufällig gewählt. Dort steht das Bundeswirtschaftsministerium. Die Aktion sei ein Protest gegen die Initiative des zuständigen Ministers Robert Habeck (Grüne), Gas-Lieferungen aus Russland durch welche aus Katar zu ersetzen, heißt es in dem Bekennerschreiben. Zudem hätten sie die Fassade des Gebäudes mit Öl beschmiert, um gegen die Förderung von Öl in der Nordsee zu protestieren.

Die Polizei war vor Ort. Was den Tätern nun droht, ist indes offen. Gegenüber dem RBB verteidigte sich die Polizei damit, dass der Einsatz noch nicht abgeschlossen sei. Fragen von TE zu einem möglichen Ermittlungsverfahren, beantwortete die Polizei überhaupt nicht. Auch auf der eigenen Internetseite findet sich noch kein Bericht zu dem Einsatz. Aus der Politik hat die „Letzte Generation“ für frühere Aktionen sogar Ermutigung erhalten: „Es gibt halt verschiedene Protestformen“, sagte etwa der ehemalige Bundesminister Jürgen Trittin (Grüne), der sich schon 1977 in dem Umfeld bewegte, das öffentlich von „klammheimlicher Freude“ schrieb, als die RAF Generalbundesanwalt Siegfried Buback ermordete.

Eine weitere Radikalisierung der „Letzten Generation“ ist erwartbar. Sie hat der Bundesregierung einen öffentlichen Brief geschrieben, in dem sie ankündigt, kommende Woche Öl- und Gaspipelines abdrehen zu wollen. „Friedlich“. Natürlich. Der Link dazu findet sich immer noch auf dem Twitteraccount der Bewegung.

Immerhin fangen Medien an, sensibler auf solche Androhungen von Gewalt zu reagieren. Die öffentlich-rechtlichen Sender und mit ihnen auf politischer Linie liegende Zeitungen hielten sich damit zurück, diese Drohung zu verbreiten. Im Februar konnten sie noch Anschläge auf den Luftraum im Bayerischen Rundfunk ankündigen. Im Fernsehen. Live. Unwidersprochen.

Die geplanten Anschläge fielen zusammen mit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine. Die Polizei nahm da die „Letzte Generation“ ernst und unterband die Anschläge im Ansatz. Wenn dieser Staat entschlossen ist, gegen Terrorismus vorzugehen, kann er es immer noch recht erfolgreich.

Die Identität der Aktivsten, die am 7. August 1967 den Anschlag auf die Gedächtniskirche verübten, ist übrigens bekannt. Es handelte sich um ein Pärchen. Frisch verliebt. Gerade erst hatten sie sich kennengelernt. Er hieß Andreas Baader. Sie Gudrun Ensslin. „Eine große Frau der Weltgeschichte“, wie unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) jüngst meinte. Keine drei Jahre später führten Baader und Ensslin die RAF an und lösten so eine Mordwelle aus.

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