Tichys Einblick
Berlin-Wahl

Die Koalition der Verlierer gewinnt

Rot-Rot-Grün kann trotz Verlusten die Mehrheit wahren, die CDU einen Achtungserfolg erzielen. Die Koalition der Verlierer bleibt also – die Frage bleibt, ob mit Franziska Giffey oder Bettina Jarasch im Amt.

Klaus Lederer (Die Linke), Franziska Giffey (SPD), Bettina Jarasch (Die Grünen), Pressekonferenz am 07.02.2023, Berlin

IMAGO / Jens Schicke

Die Rot-Grün-Rote Mehrheit bröckelt, aber sie steht. Die Frage, wer sie anführt, bleibt dagegen offen. Noch liegen SPD und Grüne (jeweils 16 bis 20 Prozent) zu nahe beieinander, um darüber ein Urteil zu fällen. In vielen Prognosen der Umfrageinstitute liegen beide Kopf an Kopf. Die entscheidende Frage lautet daher: Verteidigt Franziska Giffey ihr Amt als Regierende Bürgermeisterin von Berlin, oder zieht Bettina Jarasch auf der Ziellinie doch noch an ihr vorbei?

Zum derzeitigen Zeitpunkt sind die Ergebnisse noch zu undeutlich, um eine der beiden Kandidatinnen zum Sieger zu küren: Während etwa Infratest die Grünen vorne sehen, erkennt die Forschungsgruppe Wahlen einen Vorsprung für die Sozialdemokraten. Es könnte daher eine lange Nacht werden, in der sich erst im Detail entscheidet, wer die Hauptstadt regiert. Es kommt also wieder auf einzelne Wahlzettel an – und es zeichnet sich bereits jetzt der Sieg derselben Koalition der Verlierer ab, die die Stadt zum Verlierer gemacht haben.

Auf der Seite der Opposition kann dafür die CDU einen Achtungssieg (23 bis 28 Prozent) erzielen. Sie ist damit zum ersten Mal wieder stärkste Kraft im Abgeordnetenhaus – seit 1999. Damals holte die Union noch 40,8 Prozent. Davon wagt man bei den Christdemokraten heute nicht einmal mehr zu träumen. Trotzdem dürfte das Achtungsergebnis innerhalb der Partei seine Spuren hinterlassen, wenn es auf den zukünftigen Kurs ankommt.

Die FDP kann sich nach aktueller Lage noch nicht sicher sein, ob sie im Abgeordnetenhaus verbleibt. Die Institute verorten sie zwischen 4 und 6 Prozent. Die AfD hat ihr Ergebnis (9 bis 12 Prozent) steigern können, aber ansonsten nicht von der großen Unzufriedenheit mit dem Berliner Senat und der von ihm verantworteten Chaoswahl profitieren können. Gegner der Senatspolitik orientierten sich eher an der CDU. Die Linkspartei kommt auf 10 bis 13 Prozent.

Auch das ist ein Thema: die Unzufriedenheit der Berliner mit ihrer Regierung und der Umgang mit dieser. In einer Forsa-Umfrage zeigten sich bis zu 90 Prozent der Befragten mit dem Senat und seiner Arbeit unzufrieden. Zu einer Änderung des Wahlverhaltens hat aber dieser Unmut ganz offenbar nicht geführt.

Auch die Wahlbeteiligung fiel niedrig aus. Am Mittag lag sie bei 23,4 Prozent. Im Jahr 2016 – dem letzten Wahljahr ohne gleichzeitiger Bundestagswahl – hatte sie zu dem Zeitpunkt bei 25,1 Prozent gelegen. Neben dem fehlenden Anreiz wegen einer bedeutsameren Wahl dürfte auch eine verstärkte Briefwahl eine Rolle gespielt haben. Viele Wähler wollten auf ähnliche Erfahrungen wie letztes Mal verzichten.

Insgesamt verlief der Wahltag ereignislos. Im Gegensatz zur letzten Wahl war eine fast gespenstische Leere in den Lokalen zu beobachten. Die Einführung neuer Wahlkabinen, der Einsatz der Briefwahl und die gesunkene Wahlbeteiligung sorgten dafür, dass die Wahlhelfer dieses Mal eher unterfordert waren. Redakteure von TE waren im ganzen Stadtgebiet unterwegs und berichteten immer dasselbe: kaum Wähler vor Ort und Wahlhelfer, die sichtlich erfreut waren über jeden, der sich in das Lokal verirrte.

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