Von Justizminister Marco Buschmann macht ein Meme die Runde. Es zeigt den FDP-Politiker mit einem Zitat von ihm: „Es gibt ein absolutes Ende aller Maßnahmen und alle Maßnahmen enden spätestens mit dem Frühlingsbeginn am 20. März 2022.“ Gestern hat Buschmann den Weg frei gemacht für die Maskenpflicht für Elfjährige in Schulen, für Erwachsene in Kneipen und im Freien für alle. Ausgenommen sind die, die sich alle drei Monate eine Nadel verpassen lassen und damit Karl Lauterbach (SPD) die Impfdosen abnehmen, die er im Kaufrausch bestellt hat.
Das alles musste Buschmann in den Tagesthemen erklären. Aus dem Home-Office. Mit ungünstiger Gesichtsfarbe. Der Justizminister wirkte so, wie er so oft bei öffentlichen Auftritten wirkt: wie ein Schüler, der schon nicht zu den coolen Partys eingeladen wird und jetzt obendrein der Lehrerin erklären muss, dass er die Hausaufgaben auch nicht gemacht hat. Genauso gut könnte Buschmann sein gebrochenes Versprechen mit der Größe und den klaren Worten Adenauers rechtfertigen, dass ihn sein „Geschwätz von gestern“ nicht interessiere. Doch Buschmann ist nicht groß, und klare Worte spricht er erst recht nicht. Seine Aussagen sind so kompliziert, dass ihre Interpretation ein kniffliges Thema für eine Abiprüfung hergeben würde.
Seine zweite Verteidigungslinie ist, dass viel nun in der Macht der Länder liege. Womit Buschmann den Schwarzen Peter weitergibt. Was der Hund bei den Hausaufgaben ist, sind für den Justizminister bei Corona-Maßnahmen die Länder. Und drittens sagt Buschmann, dass ja ohne die FDP noch alles viel schlimmer gekommen wäre. Es ist die Verteidigungslinie, zu der es offensichtlich eine weit verbreitete Sprachregelung in der FDP gab. Mit ihrer Version von „Es war nicht alles schlecht“ sprechen sich die Liberalen in den sozialen Netzwerken Mut zu. Es sind vor allem die Liberalen, die von der Politik leben müssen. Diejenigen, die einem echten Beruf nachgehen, schweigen weitgehend – die FDP ist ihnen an diesem Tag peinlich.
2017 war die FDP in den Bundestag zurückgekehrt. Ihr Chef Christian Lindner verhandelte eine Jamaika-Koalition, ließ sie dann aber ohne Vorwarnung platzen. Das sorgte für Irritation – bei Wechselwählern, weil Lindner sich nicht traute, den Grund öffentlich klar zu nennen, warum er die Verhandlungen platzen ließ: Weil er erkannt hatte, wie sehr Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das Land abwirtschaftet und er sich an diesem Prozess nicht beteiligen wollte. Parteimitglieder waren irritiert, dass Lindner die Regierungsbeteiligung ausschlug. Viele von ihnen sind Lobbyisten – Betreiber von PR-Agenturen, andere Unternehmer, Funktionäre in halbstaatlichen Organisationen und Verwaltungsmitarbeiter. Sie erwarten von ihrer Partei keine liberale Politik. Sie erwarten von ihrer Partei Aufträge, Einfluss und Posten. Eine FDP in der Opposition bringt ihnen nichts.
Lindner kriselte. Fast die gesamte Wahlperiode über schaffte es die FDP in Umfragen kaum über 5 Prozent. Ob der Vorsitzende noch eine Zukunft hat, wurde öffentlich spekuliert. Doch dann kam die Pandemie. Die erste Welle, in der es hieß, man wisse zu wenig über den Virus und müsse Zeit gewinnen, um Informationen zu sammeln. Die zweite Welle, in der das Land immer noch nicht weiter war. In der ein vierwöchiger „Wellenbrecher-Lockdown“ angekündigt wurde, der dann acht Monate dauerte. Mit nächtlichen Ausgangssperren, vereinzelt Maskenpflicht im Freien und mit jeder Menge Schulausfall. Dass dies bei Kindern und Jugendlichen zu Bildungsverlust führte, ist bewiesen. Ebenso dass die Zahl psychischer Erkrankungen bei jungen Menschen durch die Pandemie-Politik und Panikmache à la „Absolute Killervariante“ explodierte. Ob solche Maßnahmen geholfen haben, den Virus einzudämmen, wissen wir immer noch nicht, musste Buschmann im Juni verkünden: Wie ein Schüler, der schon nicht zu den coolen Partys eingeladen wird und jetzt obendrein seiner Lehrerin erklären muss, dass er die Hausaufgaben auch vergessen hat.
Die Pandemie ist zu Ende, wenn es Impfstoffe gibt. Hieß es. Die Pandemie ist zu Ende, wenn es Mittel zur Behandlung gibt. Hieß es. Die Pandemie ist zu Ende, wenn eine Grundimmunisierung erreicht ist. Hieß es. Das alles gibt es nun. Und entsprechend beendet Europa die Corona-Maßnahmen. In Großbritannien, in Spanien, in den Niederlanden, in Frankreich, in Österreich … Nur nicht in Deutschland. Wo eine liberale Partei mitregiert, die versprochen hat, sich wieder um Normalität zu kümmern, dort gilt weiter der Lauterbachsche Panikmodus und werden die Zügel nach einem kurzen Sommer wieder angezogen. Wo eine ehemalige Rechtsstaatspartei mitregiert, wackelt faktisch sogar die Demonstrationsfreiheit. Weniger liberal als die Ampel könnte eine Regierung kaum sein.
Auch weil die FDP kein anderes Thema hat. Wenn die Liberalen die Lippen spitzen, pfeifen sie zwar das Lied von der Digitalisierung. Doch die ist Fiktion in Deutschland. Die Realität sieht anders aus und heißt zum Beispiel Nachweisgesetz. Während die anderen EU-Länder Vorgänge digitalisieren und Unternehmen in der Verwaltung entlasten, geht Deutschland exakt in die andere Richtung – mehr Aufwand in der Verwaltung, Digitalisierungsverbot und die Pflicht, alles handunterschrieben vorzulegen. In Deutschland regiert die FDP mit, doch das Land wird von Tag zu Tag weniger liberal.
In einem Thema hat sich Buschmann selbstbewusst gezeigt. Als es um die Familiensituation von Trans-Menschen ging. Dass es hohe Strafen gibt, wenn man eine Person mit dem gefühlt falschen Namen anspricht, stört den liberalen Minister nicht. Er freut sich zu sehr darüber, dass Zeit und Süddeutsche Nettes über ihn geschrieben haben. Wie ein Schüler, der immer noch nicht zu den Partys der coolen Clique eingeladen wird, aber von deren Teilnehmern auf dem Schulhof mal in Ruhe gelassen wurde.
Lindner und Buschmann sind im Auftritt nur blass. Als Verfechter liberaler Positionen sind sie sogar ein Totalausfall. „Es war nicht alles schlecht“, reicht nicht als Position. Bliebe noch Verkehrsminister Volker Wissing. Er hat immerhin einen Etat rausgehandelt, um alte Autobahnbrücken neu zu bauen. Doch unterm Strich ist die Partei tot und wartet auf die Abwahl.