Tichys Einblick
Kulturkampf

Die Eiferer zwischen Seattle und München wollen die westliche Vergangenheit auslöschen

Beim Sturm gegen Denkmale geht es längst nicht mehr um Kolonialvergangenheit. Eine radikale Bewegung schickt sich an, die Bürgergesellschaft zu zerstören. An ihre Stelle würde die Gewalt ethnischer Gruppen treten – wie sie sich in manchen Städten schon abzeichnet.

imago Images

Die Liste der Denkmale, die fal­len, der Straßen, die umbenannt werden sollen, der Symbole, die ausgemerzt werden müssen, wächst seit Wochen. In den USA, in Westeuro­pa, auch in Deutschland. Unter dem Stichwort „#teardownthisshit“ („reißt den Scheiß nieder“) veröffentlichte das „Künstlerkollektiv PENG“ Ende Juni eine Karte mit über hundert Markie­rungen der auszulöschenden Vergan­genheit, von der Nordseeküste bis zu den Alpen. „Deutschland, we have a problem! Deine Straßen und Denkmä­ler sind auch 2020 immer noch nach ko­lonialistischen Verbrechern benannt“, dekretieren die Aktivisten.

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Bei PENG, einer Organisation, die öf­fentlich zu Vandalismus aufruft, han­delt es sich nicht etwa um eine von Be­hörden argwöhnisch beäugte Vereini­gung. Im Gegenteil: Erst 2018 bekamen die „Aktivisten“ den Aachener Frie­denspreis (für ihre Aktion „Deutsch­land geht klauen“, eine Aufforderung, Lebensmittel aus Supermärkten zu stehlen). Auch bei einem Kolloquium zu „Fragen der Förderung von aktionisti­schen Kunstformen“ in München saßen PENG­-Vertreter im Saal. Mitfinanziert wurde die Veranstaltung direkt aus dem Bundeskanzleramt – von Kulturstaats­ministerin Monika Grütters.
Sturm auf die Traditionen

Es geht längst nicht mehr um den Tod von George Floyd, der mutmaßlich bei seiner Festnahme in Minneapolis am 25. Mai von einem weißen Polizisten ge­tötet wurde, längst nicht mehr um „Black Lives Matter“ (BLM) – sondern um einen Sturm auf die Tradition des Westens.

Westliche Vergangenheit ist schlecht – auf diese schlichte Formel lässt sich die Säuberungsbewegung der politischen Eiferer zwischen Seattle und München bringen. Im Deutschlandfunk forderte der Bonner Historiker Michael Zeus­ke, „auch solche Geistesgrößen wie den Philosophen Immanuel Kant in den Blick nehmen“. Er habe, behauptet Zeuske, „in seinen anthropologischen Schriften den europäischen Rassismus mitbegründet“. Für den Denkmals­sturm benutzt der Lehrstuhlinhaber einen bemerkenswerten historischen Begriff: Er hoffe, meinte er in dem ARD­-Sender, „dass sich das nicht wie­der verläuft und eine kulturelle Revolu­tion angestoßen wird“.

Eine neue Kulturevolution

Die „Zeit“, früher einmal linksliberal, druckte vor Kurzem sogar den Begriff „Kulturrevolution“ ohne jede Distanz auf ihr Titelblatt. Der wiederverwende­te Begriff, ursprünglich geprägt für den von Mao entfesselten Terror von 1966, trifft den Punkt: Die Parallelen zu dem aktuellen antiwestlichen Sturm im Wes­ten drängen sich auf. Denkmale vom Sockel zu stoßen, gehört normalerweise zu den Ritualen eines Staatsumsturzes.

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In China feuerte allerdings die obers­te Parteiführung unter Mao zusammen mit den Medien die Roten Garden – fa­natisierte Jugendliche an Schulen und Universitäten – zur Vernichtung der „Si Jiu“, der „vier Relikte“, an: alte Ideen, alte Kultur, alte Sitten und alte Gewohn­heiten. Statuen fielen, traditionelle chi­nesische Kunst und historische Schriften gingen in Flammen auf, Rotgardisten ermordeten und folterten Hunderttausende, die sie zu „Relikten“ der Gesellschaft erklärten. Glück hatte, wer von ihnen lediglich öffentlich gedemütigt, aber nicht umgebracht wurde.
Selbst eine Frauenstatue fällt

Zwar gibt es im Westen kein Blutbad wie seinerzeit in China – aber einen sehr ähnlichen Kulturkrieg von oben, angeheizt durch akademische Stichwortgeber, Medien und staatlich mitfinanzierte Organisationen. Und er geht ebenfalls gegen „Relikte“ – mehr oder weniger den gesamten Traditionsbestand.

Der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer etwa ruft dazu auf, das Denkmal Bismarcks und andere Statuen auf den Kopf zu stellen, zu beschmieren, und das wiederaufgebaute Stadtschloss in Berlin mit „Stacheldraht aus den Konzentrationslagern zu umwickeln, um Sehgewohnheiten zu brechen“. Ein Redakteur des Norddeutschen Rundfunk pries den Vorschlag: „Die Ideen sind vielfältig.“

In der „Süddeutschen Zeitung“ lobt eine Redakteurin die Verbannung des Films „Vom Winde verweht“, der wegen seiner Darstellung von Schwarzen als „rassistisch“ gilt. „Eine umstrittene Statue von Theodore Roosevelt in New York wird wegen ihrer rassistischen Symbolik entfernt“, jubelt der „Spiegel“. Die rassistische Symbolik besteht in diesem Fall darin, dass die Statue Roosevelt zu Pferd darstellt, während Indianer ihn zu Fuß begleiten.

In vielen Fällen genügt es schon, dass ein Denkmal überhaupt aus der Vergangenheit stammt – wie die meisten Denkmale – und für irgendetwas Westliches steht. Wofür genau, das müssen die neuen Rotgardisten nicht wissen.

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In Madison, Wisconsin, etwa stürzte ein BLM-Mob die „Forward Statue“, ein 1893 von der Bildhauerin Jean Pond Miner geschaffenes Denkmal einer Frau, die symbolisch für Fortschritt und Emanzipation steht. Beziehungsweise: stand. Damals sammelten liberale Frauen Geld, um die Statue zu finanzieren. Ein Denkmal, das eine Frau zeigt, geschaffen von einer Frau, finanziert von Frauen, gehört nach Ansicht der westlichen Taliban 2020 auf dem Müllhaufen der Geschichte.

Im britischen Leeds beschmierten Fanatiker das Denkmal der jungen Königin Viktoria mit der Parole „BLM“ und dem Schriftzug „Slave owner“. Die Abschaffung des Sklavenhandels beschloss das britische Parlament schon 1807, 12 Jahre vor Viktorias Geburt. Zu Viktorias Lektüre gehörte Harriet Beecher Stowes „Onkel Toms Hütte“, ausweislich ihrer ausgiebigen handschriftlichen Anmerkungen. Ihr Mann Prinz Albert übernahm 1840 die Schirmherrschaft über eine Antisklavereiversammlung in der Exeter Hall in London, wo er eine kurze Ansprache hielt und die Sklaverei als den „schwärzesten Fleck auf dem zivilisierten Europa“ bezeichnete. All das interessiert die dumpfen Stürmer von 2020 nicht.

Welche grotesken Ausmaße die Bewegung erreicht hat, demonstrierten gerade zwei aktivistische Journalistinnen des Springer-Jugendportals „Noizz“, die in einer Petition fordern, das Abbild des Heiligen Mauritius aus dem Stadtwappen von Coburg zu entfernen. Der Schutzpatron der Stadt, so die Petitionsinitiatorin Juliane Reuther, sei „ein höchst rassistisches Überbleibsel der Kolonialzeit“. Aus welcher Kolonialzeit der um 250 n. Chr. bei Theben in Ägypten geborene Mauritius beziehungsweise das Coburger Wappen von 1570 stammen soll, führte sie nicht weiter aus. Besonders störe sie sich an den „dicken Lippen“ des Dargestellten, verkündete Reuther. „Mohr im Coburger Stadtwappen sorgt für Ärger“, sekundierte ohne jede Distanz der Bayerische Rundfunk. Die ARD-Anstalt übernahm auch kritiklos die Deutung des christlichen Märtyrers als „rassistisches Überbleibsel der Kolonialzeit“.

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Die Pointe der Geschichte: Es gab schon einmal eine politische Bewegung, die den Mohren im Coburger Stadtwappen ärgerlich fand, ihn tatsächlich beseitigte und ein neues Stadtsignet schuf: die NSDAP 1934. Zu den ersten Amtshandlungen des Nachkriegsbürgermeisters gehörte es 1945, den Mauritiuskopf wieder einzuführen.

Jene Sorte des „Antirassismus“, der in Wirklichkeit mit dem Kampf gegen Rassendiskriminierung nichts zu tun hat, nennt der französische Philosoph Alain Finkielkraut den „Kommunismus des 21. Jahrhunderts“. Tatsächlich gibt es eine Verbindung zwischen beiden Ideologien: den Hass einer gefühlten Avantgarde auf die alte Bürgergesellschaft.

Anders als der historische Kommunismus scheint die Raserei heute den gesamten Westen zu erfassen. Zumindest ganz Westeuropa und die USA – während viele in Tschechien, Polen, und Ungarn der Selbstzerstörung fassungslos zusehen. Beim Stichwort „Kolonialismus“ denken die meisten Ungarn nicht an die „white guilt“, die „weiße Schuld“, sondern an die Unterwerfung ihrer Vorfahren durch die Osmanen.

Muslimische Sklaverei: kein Thema

Die Schulddebatte der identitären Linken konzentriert sich allerdings ausschließlich auf die westliche Kultur. Dass jahrhundertelang Europäer von muslimischen Sklavenhändlern entführt und verkauft wurden, dass Sklavenhändler aus muslimischen Ländern mehr Afrikaner versklavten als die Europäer, dass es im Herrschaftsbereich etwa der islamischen Miliz Boko Haram in Nigeria bis heute Sklaven (und vor allem Sklavinnen) gibt – all das spielt in den Manifesten der Aktivisten und der Begleitmusik linker Medien praktisch keine Rolle. Im Gegenteil: wer auf die Fakten hinweist wie der Althistoriker Egon Flaig in seiner „Weltgeschichte der Sklaverei“, muss sich auf Schmähungen gefasst machen. Der Historiker Zimmerer, der die Zerstörung von Statuen und das Einwickeln des Berliner Schlosses in Stacheldraht vorschlug (siehe oben), beschimpfte Flaigs Werk wegen seiner Exkurse zur muslimischen Sklaverei in der „Süddeutschen“ als „krampfhaft“ und „einseitig“.

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Deutlicher könnten die politischen Eiferer gar nicht demonstrieren, dass es ihnen nicht um den Skandal der Sklaverei geht. Auch nicht um das Ende rassistischer Diskriminierung. Im Gegenteil – sie wird sogar angeheizt, nur unter neuem Vorzeichen. Die Cambridge-Professorin für postkoloniale Literatur Priyamvada Gopal twitterte am 22. Juni mit Bezug auf die Black-Lives-Matter-Bewegung: „I’ll say it again. White Lives Don’t Matter.“ Und setzte hinzu, damit niemand ihre Bemerkung als Metapher verstehen sollte: „As white lives.“ („Ich werde es noch einmal sagen. Weiße Leben spielen keine Rolle. Als weiße Leben.“) Gopals Tweet führte nicht etwa zum Ende ihrer akademischen Karriere: Die Universitätsleitung von Cambrigde erklärte, sie verteidige „das Recht unserer Akademiker, ihre eigenen rechtmäßigen Meinungen zu äußern, die von anderen als kontrovers empfunden werden könnten“.

Als im vergangenen Jahr der liberal konservative Autor Jordan B. Peterson ein mehrwöchiges Gaststipendium in Cambrigde erhalten sollte, sah das ganz anders aus. Linke Aktivisten auf dem Campus inszenierten einen routinierten Protest – und die Universität zog das Angebot an Peterson zurück. Die orwellhafte Begründung damals: Die Universität wolle ein „inklusives Umfeld“ sein – und da passe Peterson mit seinen nichtlinken Ansichten eben nicht hinein.

„Weiße Leben zählen nicht“

Dass „weiße Leben“ nichts zählen, gilt nicht nur in der britischen Eliteuniversität als legitime Meinung. Der Satz „White Lives Matter“ fällt für identäre Linke unter „Rassismus“. Als kürzlich ein Kleinflugzeug ein Banner mit diesem Satz über dem Etihad-Stadion von Manchester hinter sich herzog, um an die Ermordung dreier weißer Homosexueller durch einen libyschen Migranten zu erinnern, fälschte das ZDF in seinem Bericht die Botschaft und behauptete, auf dem Transparent habe „Nur weiße Leben zählen“ gestanden. Nach Protesten entschuldigte sich der Sender halbherzig.

Warum feuern Stichwortgeber aus Universitäten, Presse und Politik eine Bewegung an, die der chinesischen Kulturrevolution ähnelt? Warum reden weiße, privilegierte Meinungsführer die giftige Hassrede gegen Weiße klein und behaupten sogar, einen Rassismus gegen Weiße könne es gar nicht geben?

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Zum einen betrachten viele aus der linksliberalen Elite alles als unkritisierbar, was als Jugendbewegung gilt. „Es sind nicht mehr die Junioren, die sich um ihr Fortkommen sorgen und den Senioren den Hof machen, sondern Letztere müssen Ersteren hinterherlaufen, um nicht ihr Gesicht zu verlieren“, spottet der französische Publizist Régis Debray in seinem Essay „Das grüne Zeitalter“. Zum anderen lähmt der bloße Vorwurf, „Rassist“ zu sein, bei vielen Bürgern den Widerstand gegen selbst die abstrusesten Auswüchse der angeblich antirassistischen Bewegung. So ähnlich hatte es Michel Houellebecq in seinem dystopischen Roman „Unterwerfung“ schon vor Jahren beschrieben.

Und drittens können sich viele Bewohner des Westens offenbar nach einer langen Epoche des Wohlstands und der Stabilität schlicht nicht vorstellen, dass beides verloren gehen könnte. So argumentiert jedenfalls der britische Soziologe Frank Furedi: Nicht die dogmatischen identitären Linken seien so stark und ihre Pamphlete so überzeugend – sondern die Gegenkräfte so schwach.

Die Denkmalstürmer und ihre identitätspolitischen Zuarbeiter stützen sich bewusst oder unbewusst auf die Ideen des französischen Theoretikers Frantz Fanon. Der argumentierte, dass die gesamte europäische Kultur mit all ihren Institutionen und Erbstücken durch und durch rassistisch sei, weswegen an ihrer Zertrümmerung kein Weg vorbeiführe. Nach Fanon spielt es tatsächlich keine Rolle, was König Viktoria und Prinz Albert über Sklaverei dachten, was Kant schrieb und ob ein Denkmal eigentlich den liberalen Fortschritt verkörpert, wie die „Forward“-Statue in Madison. Es genügt, dass sie in irgendeiner Weise zum westlichen Kanon zählen und deshalb etwas repräsentieren, was beseitigt werden muss.

Ausnahmen gibt es nur wenige, etwa für Karl Marx, der anders als Königin Viktoria tatsächlich rassistisch dachte und sich etwa in einem Brief an Friedrich Engels über den „jüdischen Nigger Lassalle“ und dessen „negerhafte Grundsubstanz“ ausließ. Trotzdem blieben die Marx-Denkmale in Berlin, Trier und London von dem Reinigungsfuror etwa des PENG-Kollektivs verschont.

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Die identitätslinke Ideologie markiert das exakte Gegenteil dessen, was der Anführer der Bürgerrechtsbewegung, der Republikaner Martin Luther King, in den 1960er-Jahren forderte. Er wollte keine immer feinere Aufsplittung der Gesellschaft in PoC (People of Color), BIPoC (Black and Indigenious and People of Color), die neue Hassgruppe weiße alte Männer und eine Unzahl erfundener sogenannter Geschlechtsidentitäten – sondern eine Gesellschaft von Bürgern. Hautfarbe sollte nicht mehr eine Auf- oder Abwertung begründen, sondern schlicht keine Rolle spielen für den Platz des Einzelnen in der Gesellschaft.

In Kings Rede vor dem Lincoln Memorial in Washington 1963 hieß es: „Ich habe den Traum, dass eines Tages diese Nation aufstehen wird in der wahren Bedeutung des Credos: ‚Wir halten die Wahrheit für selbstverständlich, dass alle Menschen gleich geschaffen sind.‘ Ich habe den Traum, dass eines Tages auf den roten Hügeln von Georgia die Söhne der ehemaligen Sklavenhalter und die Söhne der früheren Sklaven brüderlich an einem Tisch zusammensitzen.“
Heute würden natürlich auch – an erster Stelle – die Töchter erwähnt. Aber Kings Botschaft ist bis heute unmissverständlich. Er träumte von einer Gesellschaft freier Bürger, nicht von einem neuen Tribalismus.

Diejenigen, die einen bizarren Krieg gegen Denkmale führen und Aufsätze im Stil Fanons verfassen, greifen nicht den Rassismus an, wie es King tat, sondern vor allem jenen Teil der europäischen Geistesgeschichte, aus dem die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei entstand. Das Anliegen der Aufklärung bestand bekanntlich nicht nur in der Abschaffung der Sklaverei, sondern auch in der Befreiung der Leibeigenen, der Abschaffung der Folter und der Einführung allgemeiner Bürgerrechte, kurz, in der Einhegung einer jahrhundertelangen Gewalttradition.

Aber genau diese Gewalt bricht an den Rändern der Black-Lives-Matter-Bewegung hervor – überall dort, wo junge Männer plündern, prügeln und die Polizei zum Feind erklären. Wo sich der Staat zurückzieht, tritt der Tribalismus an seine Stelle, die Stammesgesellschaft, der Zerfall in ethnische Gruppen. Er droht in den Metropolen des Westens, wenn erst das kulturelle Gedächtnis in Trümmer fällt – und das Selbstverständnis als Bürger.

Junge Männer als Stammeskrieger

Am Ende regiert das Recht des Stärkeren. Das Zusammenleben wird „täglich neu ausgehandelt“, wie die SPD-Politikerin Aydan Özuguz einmal schwärmte. Wie eine auseinandergefallene Gesellschaft aussieht, lässt sich jetzt schon an den Dutzenden „verlorenen Gebieten der Republik“ in Frankreich studieren, in denen sich besser kein Weißer blicken lässt, erst recht kein Jude, in denen die Frauenrechte nicht existieren und in die sich Polizei nur noch im Großaufgebot vorwagt.

Im französischen Dijon – einstmals ein beschauliches Städtchen, berühmt für seinen Senf – rückte kürzlich das Militär ein, weil sich die Polizei nicht mehr in der Lage sah, den Krieg zwischen Tschetschenen und arabischen Gangs um die Vorherrschaft auf dem Drogenmarkt zu beenden.

In den USA versuchten militante Linke auf dem Capitol Hill in Seattle eine „autonome Zone“ zu errichten, die Polizei zog sich vorübergehend aus dem Viertel zurück. Das Unternehmen endete in Gewalt und Lächerlichkeit: Es gab Tote, Plünderungen, den Vorkämpfern einer neuen Ordnung ging in kürzester Zeit der Lebensmittelvorrat aus, sie mussten im Internet um Essensspenden betteln. Trotzdem debattieren jetzt auch Konservative und Rechte in den USA, ob sie bewaffnete Bürgerwehren bilden sollten.

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Im eigentlich bürgerlich-ordentlichen Stuttgart brach Ende Juni in einer Nacht die öffentliche Ordnung weitgehend zusammen, ein Mob überwiegend aus Migranten muslimischer Länder, gemischt mit einheimischen Extremisten, plünderte – unter „Allahu Akbar“-Rufen und der Linksextremistenparole „All cops are bastards“ – Läden und drosch auf Polizeifahrzeuge ein. Schon vorher hatte es in der Stadt kleinere Machtdemonstrationen ähnlicher Gruppen gegenüber der Polizei gegeben.

Viele Medien, allen voran die öffentlich-rechtlichen, bemühten sich, den Mob als „Partyszene“ kleinzureden. Aber jeder Beobachter weiß: Hier versuchen junge Männer als neue Stammeskrieger tatsächlich, das Zusammenleben neu auszuhandeln. Und fühlen sich unterstützt von Aktivisten und Medien, die ihnen einreden, sie seien Opfer einer zutiefst ungerechten Gesellschaft und einer rassistischen Polizei, die nach Ansicht einer „taz“-Kolumnistin auf den Müll gehört.

Mob, verharmlost als „Partyszene“

Mittlerweile marschiert die Polizei am Wochenende in Großeinheiten in Stuttgart und an anderen Brennpunkten auf. „Ausweiskontrollen und Taschendurchsuchungen: Polizei erstickt in Stuttgart erneute Krawalle im Keim“, berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Was es nicht berichtet: Die Stadt befindet sich jetzt zumindest an manchen Tagen in einem inneren Belagerungszustand. Ab einem bestimmten Punkt gibt es keinen öffentlichen Raum mehr, in dem sich alle unbeschwert bewegen können. Und auch keinen gesellschaftlichen Frieden mehr. Am Ende trifft es aber auch die Eiferer selbst, wenn sich eine Gesellschaft in ein identitäres Schlachtfeld verwandelt.

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