Tichys Einblick
Vor der CDU-Vorsitzenden-Entscheidung

Die Corona-Politikkrise treibt Regierung vor sich her und SPD gegen CDU

Schon jetzt ist klar, die alten Gewissheiten gelten nicht mehr. Die Bundesrepublik tritt drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung in eine neue Phase ihrer Geschichte.

imago Images/photothek

Wenn feste Daten in dieser Zeit überhaupt noch etwas gelten, dann wird in etwas mehr als acht Monaten ein neuer Bundestag gewählt. Vielleicht aber wird auch dies wie so vieles andere verschoben. Mögen reine Briefwahlen bei Landtagswahlen noch machbar sein, stellt eine bundesweite Stimmenabgabe doch höhere Anforderungen an Organisation und unanfechtbaren Ablauf. Doch wie es auch immer sein mag, auch so steht die schwarz-rote Koalition vor einer harten und wegreichen Konfliktstrecke.

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Der Problemdruck ist schon jetzt hoch. In der Bevölkerung macht sich mehr und mehr der Eindruck breit, die in Berlin kriegen die Sache mit Corona nicht auf die Reihe. Die Liste der Pannen ist bekannt. Vom Maskendesaster zu Beginn, kopflosen Entscheidungen schon im ersten Lockdown, deren Sinn sich eingestandenermaßen nicht ergab. Der Riesenhype um die Warn-App, die sich als schnell verglühende Sternschnuppe am Himmel der Corona-Hoffnungen erwies, die vielen immer noch auf die versprochenen Ausgleichszahlungen wartenden Mittelständler und Freiberufler und last but not least der traurige Höhepunkt: der Mangel an einem Impfstoff, der zwar in Deutschland entwickelt wurde, den Deutschen aber nur schleppend und nach und nach zur Verfügung steht.

Die Fehler sollen irgendwo an Rangeleien zwischen den einzelnen EU-Partnern liegen oder sonst irgendwo im Nebel. Die Menschen im Lande jedenfalls beginnen das Vertrauen zu verlieren. Denn im Unterschied zu anderen Krisen betrifft es Viele unmittelbar. Das gilt auch dann, wenn der Virus beim Einzelnen nicht zuschlägt, aber jederzeit zuschlagen kann. Die Euro- und Bankenkrise verschlang zwar Milliarden, doch für den einzelnen Bürger blieb das Geschehen ein abstraktes. Beim Öffnen der Grenzen im September 2015 war die Besorgnis schon größer. Aber irgendwie schien nach einer Weile doch eine gewisse Normalität einzukehren. Doch eine Pandemie funktioniert nach anderen Gesetzen – nicht planbar, nicht berechenbar, unheimlich.

Jetzt wird die gewählte Regierung zum unmittelbaren Garant für die Sorgen und Ängste der Menschen, die sie zumal selbst beständig hochgetrieben hat. Erste Umfrageergebnisse zeigen bereits Wirkung – das Ansehen des vor kurzem noch so hochgelobten Gesundheitsministers Spahn ist im Sinken begriffen. Schon erreicht erster Unmut die ansonsten als Krisenmanagerin schlechthin gehuldigte Kanzlerin Angela Merkel.

Wie wird die Lage erst in wenigen Wochen sein, wenn die erste Insolvenzwelle übers Land schwappt und die Zahl der Arbeitslosen sprunghaft ansteigt. Mit dem mühsam aufrechterhaltenen Burgfrieden in der Koalition dürfte es dann vorbei sein.

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Schon jetzt schießt die SPD nach Wahlkampfmanier aus vollen Rohren auf ihre Partner. Die SPD muss auf Gedeih und Verderb eigenes Profil entwickeln, und das kann sie nur in Abgrenzung von der Union. Als erstes kommt es darauf an, wer den Schwarzen Peter für das Versagen in der Coronakrise ans Revers geheftet bekommt. Dann würde es in Sachen Wirtschaftspolitik und Steuergerechtigkeit gewaltig krachen, und nicht zuletzt wird die Verteidigungspolitik und das Verhältnis zu den USA zum Streitpunkt werden. Stichworte sind hier die Teilnahme an der Nuklearstrategie des NATO-Bündnisses, der Verteidigungshaushalt und die zum Symbolthema hochgekochte Drohnenfrage.

Die Liste der Streitpunkte ließe sich beliebig fortsetzen. Vielleicht zerreißt es darüber nicht nur die Koalition mit der Folge von vorgezogenen Bundestagswahlen, sondern bekommt das Parteienspektrum insgesamt Risse mit so manchen Überraschungen.

Schon jetzt ist klar, die alten Gewissheiten gelten nicht mehr. Die Bundesrepublik tritt drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung in eine neue Phase ihrer Geschichte. Weichenstellungen inbegriffen – wer garantiert denn dass die soviel beschworene Bündnistreue zur NATO und den USA noch von einer Mehrheit der Deutschen gewollt ist. Möglicherweise erscheint ein Deutschland als Wirtschaftsnation mit politischer Neutralität erstrebenswerter. Wesentlich für diese Entwicklung wird der Ausgang der Wahlen für die Spitze der CDU am kommenden Wochenende sein. Doch vielleicht kommt auch alles ganz anders. Merkel war schon immer für Überraschungen gut und bis zum nächsten Sonnabend ist es im Takt der Geschichte noch lange hin.

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