Tichys Einblick
Folge des AfD-Aufstiegs

Die CDU blinkt nach rechts

Einschränkung des Asylrechts, Schnellgerichte für Freibad-Randalierer oder Arbeitszwang für Empfänger von Bürgergeld. Mit dem neuen Generalsekretär Carsten Linnemann setzt die CDU eine neue Agenda. Ein echter Richtungswechsel?

IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Carsten Linnemann ist der Einsteiger im Insa-Vergleich der beliebten Politiker. Der neue CDU-Generalsekretär startete gleich auf Platz zwölf durch. Damit steht er hinter Parteichef Friedrich Merz, aber vor SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Frühling in der CDU? Beginnt die Partei von Konrad Adenauer und Helmut Kohl nach den Jahren unter Angela Merkel nun endlich neu?

Einige Forderungen passen dazu. So hat sich Linnemann für Schnellgerichte ausgesprochen. Wer mittags im Freibad randaliert, soll am besten noch abends vor einem Richter stehen – und verurteilt werden. Außerdem forderte er einen neuen Namen fürs Bürgergeld. Damit einhergehen soll, dass deren Empfänger stärker verpflichtet werden, angebotene Arbeit auch anzunehmen.

Thorsten Frei forderte in der FAZ sogar, das Asylrecht einzuschränken. Statt einem individuellen Recht solle es eines sein, das an Kontingente gebunden ist. Das ist nicht weniger als die Wiedergeburt der „Obergrenze“, mit der Innenminister Horst Seehofer (CSU) immer wieder unter Kanzlerin Merkel rechts geblinkt hat, um dann zuverlässig mit ihr nach links abzubiegen.

Frei ist Parlamentarischer Geschäftsführer der Union im Bundestag. Das ist eine in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannte Position. Ihre Inhaber handeln die Absprachen mit den anderen Fraktionen aus und organisieren, dass die Abgeordneten in den richtigen Debatten des Parlaments anwesend sind und im Sinne der Fraktion abstimmen. Davon abgesehen haben sie die Aufgabe, öffentlich Forderungen aufzustellen, die dem jeweiligen Fraktionsvorsitzenden zu heiß sind. Testballons, von denen sich die Chefs distanzieren können, wenn es schief gelaufen ist.

Mit anderen Worten: Friedrich Merz schickt seinen Generalsekretär und seinen Parlamentarischen Geschäftsführer aus, um für ihn die Lage zu testen. Um die Motivation für diesen Auftrag zu finden, braucht es weder Psychologie noch spirituelle Begabung: Es ist der Aufstieg der AfD in den Umfragen und in Personenwahlen im Osten. Die Partei, die Merz halbieren wollte, startet gerade durch. Zeit für ein Gegenprogramm.

Bis jetzt sind diese Testballons ohne Belang. Es steht kein Parteitagsbeschluss hinter ihnen. Nicht einmal eine Debatte in der Partei. Auch mussten sich CDU-Abgeordnete weder im Bundestag noch in einem Landtag in einer Abstimmung dazu bekennen. Es ist ein PR-Spektakel, das von den Medien mitgetragen wird. Teils, um die redaktionellen Plätze im Sommer zu füllen. Teils, weil sie die CDU in ihrem Kampf gegen die AfD unterstützen wollen.

Linnemanns Standgerichte haben diese Medien als Vorschlag durchgehen lassen. Angesichts der Überlastung des Personals in der Justiz versendet sich diese Idee ohnehin spätestens, bis im Oktober die Freibäder geschlossen haben. Freis Vorschlag der Kontigent-Obergrenze indes stieß auf Gegenwehr. Etwa in einem Interview des RBB-Inforadios mit CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

Darin sagte die RBB-Moderatorin zu Dobrindt, wie schlimm und falsch sie diesen Vorschlag findet. Dass hier eine Gebührenempfängerin ihren öffentlich-rechtlichen Auftrag missbraucht, um ihre persönliche Meinung in die Welt zu blasen, ist nicht das Thema. Eher schon, dass sich ein hochrangiger Unions-Vertreter das ohne Gegenwehr gefallen lässt. Vor allem aber, wie er anfängt, Freis Vorschlag zu relativieren: Der diene vor allem dazu, auf das Problem der zu starken Einwanderung hinzuweisen, sei ja auch in der Partei nicht abgestimmt worden und man müsse halt irgendwas tun. Kurzum: Dobrindt lässt den Blinker draußen, bereitet aber schon das Linksabbiegen vor.

Wie wenig die Merz-CDU zu einem richtigen Kurswechsel bereit ist, zeigt ihr Chef auf Twitter höchstpersönlich. In einem würdelosen Beitrag für Twitter fabuliert er über den Unterschied von rechts (böse) und konservativ (in Ordnung). Und er bettelt den politischen Gegner an, die CDU nicht mehr rechts zu nennen. Selbstvertrauen sieht anders aus.

Das Problem mit der AfD ließe sich ohnehin viel einfacher lösen, findet Marco Wanderwitz. In einem der Bild zugespielten Brief fordert er ein Verbot des erfolgreichen Konkurrenten. Das fordere er nicht wegen deren Erfolg. Natürlich nicht. Sondern, weil diese Partei von Menschen gewählt würde, die ein anderes Land wollten. Demnach hätte sich die Zahl derer, die ein anderes Land wollten unter der Regierung der Ampel und angesichts der Opposition von Friedrich Merz fast verdoppelt statt halbiert.

Wanderwitz hat sich unter Merkel bis zum Ostbeauftragten hochgedient. Das gut bezahlte Amt nutzte er vor allem, um Ostdeutsche zu beschimpfen. Mit überschaubarem Erfolg: Bei der Wahl um das Direktmandat in Chemnitz verlor Wanderwitz gegen einen Kandidaten der AfD mit 23,7 zu 28,9 Prozent. Würde die AfD verboten, wäre es einem Merkel-Anhänger endlich wieder möglich, Karriere zu machen, ohne um die Wähler werben zu müssen. Aber mit dem Erfolg der AfD hat die Verbotsidee ja nichts zu tun.

Bliebe noch der Erfolg Linnemanns in den Umfragen. Der lässt sich durch einen Blick auf den noch erfolgreicheren Einsteiger erklären: Seit er Verteidigungsminister ist, führt Boris Pistorius (SPD) sämtliche Rankings in Sachen Beliebtheit an. Das zeigt zum einen, dass die Menschen eher Politiker mögen, die ruhig auftreten und sich auf ihren Job konzentrieren als auf das Hissen der Pride-Flagge und anderen Schnickschnack. Zum anderen führt es zu einer noch viel banaleren Erkenntnis: Die Ampel als Regierung und Friedrich Merz als Opposition sind so schwach, dass jeder schon dann einen Bonus genießt, wenn er einfach nur als neu gilt.

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