Tichys Einblick
Neue Sprachvorgaben im ÖR

Die ARD-aktuell-Zentrale „empfiehlt“ Redakteuren die „richtige“ Wortwahl

Getarnt als „Empfehlung“ weist die politische Chefetage ihre öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten an, die stark zunehmenden Proteste der Bürger in deutschen Städten nicht mehr Corona-„Spaziergänge“, sondern nur noch „Demonstrationen“ und „Versammlungen“ zu nennen.

IMAGO/Future Image

Wer bis heute glaubte, politische Sprachregelungen und Einschränkungen journalistischer Meinungsfreiheit gebe es in deutschen Fernsehanstalten nicht, der wird seit dieser Woche endgültig eines Besseren belehrt.

Quod erat demonstrandum, würde ein Wissenschaftler die Beweislage nennen. Die Chefetage von ARD-aktuell aus Hamburg, überregional verantwortlich für tagesschau und tagesthemen, hat an die Chefs der Funkanstalten in allen Ländern eine politische Sprachregelung per Mail versandt, die Tichys Einblick vorliegt. Darin heißt es wörtlich:

Betreff: Empfehlung AG Sprache zu Corona-„Spaziergänge“ – mit der Bitte um Beachtung

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

 die AG Sprache hat sich mit der Formulierung rund um den Begriff „Spaziergang“ befasst und gibt folgende Empfehlung in Rücksprache mit der Rechtsredaktion in Karlsruhe ab: Wir sollten demnach nicht mehr von Spaziergängen, sondern von Demonstrationen oder Versammlungen reden.

Mit freundlichen Grüßen

Marcus Bornheim

„Spaziergänge“ wären ja die positive Übernahme der Diktion von Demonstranten und rechtlich eher schwer angreifbar. Deswegen muss eine strafbare Ordnungswidrigkeit wie eine nicht erlaubte Versammlung her.

Der Absender ist kein geringerer als der Erste Chefredakteur von ARD-aktuell, der Gemeinschaftsredaktion für tagesschau und tagesthemen in Hamburg. Marcus Bornheim fungiert seit Oktober 2019 als Nachfolger von Kai Gniffke. Die sogenannte Arbeitsgemeinschaft Sprache der ARD beschäftigt sich neben der politischen Ausrichtung zudem mit dem verstärkten Gendern der Sendersprache.

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Auch das ZDF soll bereits eine Arbeitsgruppe für eine gender- wie diversitätsgerechte Sprache eingerichtet haben, wie Mitarbeiter unter dem Siegel der Verschwiegenheit berichten. Einige wenige noch mutige Kollegen bei ARD und ZDF bezeichnen diese Arbeitsgruppen im vertrauten Gespräch bereits als „interne Sprachpolizei“.

Denn was scheinbar wie ein harmloser Mailhinweis an die Chefs der ARD-Anstalten daherkommt, ist nichts anderes als eine politische Handlungsanweisung für den journalistischen Sprachgebrauch in Funk-, Fernseh- und Onlinebeiträgen.

Die Hamburger ARD-Politikzentrale hat diese Mitteilung dafür als „Empfehlung“ getarnt. Doch genau diese „Empfehlung“ wirkt in der Praxis wie eine Anordnung für alle Journalisten und Mitarbeiter, das weiß selbst der Pförtner beim NDR.

Die Arbeitsweisen der Sprachpolizei sind nicht neu

Mit ähnlichen Methoden hat schon das Presseamt der DDR vor über 30 Jahren gearbeitet. Dessen Funktionäre riefen in den Chefredaktionen der Zentralorgane an. Sie gaben „Hinweise“, wie und in welcher Wortwahl zu berichten sei, wo und wie groß staatliche Botschaften zu platzieren seien. Auch dies waren eigentlich nur Empfehlungen. Doch wenn ein Chef vom Dienst solche „Hinweise“ nicht beachtete oder ernst nahm, musste er mit erheblichen Konsequenzen für sich, die Mitarbeiter, den Sender oder Verlag rechnen.

Genauso aktuell wie damals, sind dieser Tage nicht nur die erneut um sich greifenden politischen und journalistischen Sprachvorschriften und Reglementierungen, sondern auch die stark anwachsenden Proteste mit spontanen Spaziergängen am Montagabend oder am Wochenende auf Deutschlands Straßen – gegen Regierungen, die ihre Bürger entmündigen.

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Zum Bespiel haben sich in den achtziger Jahren Zehntausende Polen gegen Bevormundung durch Politik und Staatsmedien dank des Mutes der Arbeitergewerkschaft Solidarnosc gewehrt. So wurden während der Abendnachrichten des staatlichen Fernsehens demonstrativ Spaziergänge unternommen, Staub gesaugt oder sogar das Licht ausgeschaltet. Nachzulesen auch für ARD- und ZDF-Journalisten im Werk der Theaterwissenschaftlerin der Ludwig-Maximilians-Universität München, Prof. Berenika Szymanski, unter dem Titel „Theatraler Protest und der Weg Polens zu 1989“.

Etwas mehr als dreißig Jahre nach dem Mauerfall sind wir offensichtlich selbst in der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ Deutschlands fast wieder so weit gekommen. Bürger wehren sich wie einst die Solidarnosc-Bewegung Polens in den Achtzigern mit Abendspaziergängen gegen staatliche und mediale Bevormundung, Willkür und Stigmatisierung.

Wie einst im Ostblock dienen Journalisten von Presse, Funk und Fernsehen als willige Agitatoren, Propagandisten und Sprachrohre der Regierenden, den meist friedlichen Protest grundsätzlich als Aktionen radikaler und vermeintlich „rechter“ Gruppen darzustellen.

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Montagsdemonstranten ließen die Staatsorgane der DDR von den Massenmedien kontinuierlich als „Rowdies“ bezeichnen, um die immer kritisch werdende Bevölkerung vor einer Teilnahme an den Montagsdemonstrationen abzuschrecken. Gleichzeitig brauchten die Staatsorgane das Stigma „Rowdies“, um gegen Demonstranten wegen angeblicher „Gewalttaten“ vorzugehen. Dazu schleusten die Geheimdienste auch Provokateure in die Reihen der prostierenden Bürger ein.

Das Schlimme an solchen sprachpolizeilichen Methoden im öffentlich-rechtlichen Rundfunk heute ist: Die Bürger müssen in einer Demokratie die staatliche Gehirnwäsche auch noch mit jährlichen Zwangsgebühren in Höhe von 220,32 Euro je Haushalt finanzieren. Die Gesamteinnahmen der öffentlich-rechtlichen Sender summieren sich nach der Beitragserhöhung 2021 jetzt auf über 8,5 Milliarden Euro pro Jahr.

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