Für die Einpeitscher der Cancel Culture ist es ein Rückschlag, für die Wissenschafts- und Meinungsfreiheit ein verspäteter Sieg. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft veröffentlichte heute nicht nur den in der vergangenen Woche nach Protesten in den sozialen Medien entfernten Beitrag des Kabarettisten Dieter Nuhr anlässlich des 100-jährigen Bestehens der staatlichen Forschungsfördereinrichtung, sondern auch eine beachtliche Erklärung. Sie enthält ein eindeutiges Bekenntnis zur „Freiheit des Denkens“, das als Absage an die so genannte Cancel Culture verstanden werden muss.
Diesem Rückzieher ist allerdings ein Disput zwischen der DFG und Nuhr vorausgegangen, als erstere den Beitrag zunächst mit einem erklärenden Zusatz versehen wieder veröffentlichen wollte. Er „habe der DFG untersagt, mein Statement ‚kommentiert‘ online zu stellen“, teilt Nuhr gegenüber Welt schriftlich mit. „Was soll das denn? Alle anderen sagen frei ihre Meinung und meine wird mit einer Warnung versehen wie eine Zigarettenpackung.“
Schließlich hat die DFG sich nun wohl besonnen und diesen Gesinnungswandel mit dieser öffentlichen Erklärung verbunden, den wir im Wortlaut dokumentieren:
In verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft hat sich eine Debattenkultur entwickelt, in der oft nicht das sachliche und stärkere Argument zählt, in der weniger zugehört und nachgefragt, sondern immer häufiger vorschnell geurteilt und verurteilt wird. An die Stelle des gemeinsamen Dialogs treten zunehmend polarisierte und polarisierende Auseinandersetzungen. Gerade bei zentralen Fragen wie dem Klimawandel oder der Coronavirus-Pandemie werden damit die wirklich notwendige Diskussion um wissenschaftliche Themen und der konstruktive Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft behindert. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihre Erkenntnisse öffentlich machen und politische Handlungsoptionen beschreiben, sind immer häufiger Ziel unsachlicher Attacken und persönlicher Diffamierungen. Dies gilt auch für gesellschaftliche Bewegungen, die für die Wissenschaft eintreten und öffentlich dazu aufrufen, wissenschaftliche Erkenntnisse stärker zur Basis von Entscheidungen und Handlungen zu machen.
Die DFG möchte diese Beobachtungen zum Anlass nehmen, eine intensive Auseinandersetzung mit der aktuellen Debattenkultur rund um die Wissenschaft anzustoßen. Die DFG steht für Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit sowie für eine differenzierte Diskussionskultur. Hierfür wird sie sich auch in Zukunft weiter mit aller Kraft einsetzen – gemeinsam mit anderen Akteuren aus Wissenschaft, Medien, Politik und anderen Bereichen der Gesellschaft im In- und Ausland.“