Tichys Einblick
Intrigenstadel

DFB: „Grindelwalds Verbrechen“

Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes musste zurücktreten, weil er wohl heimlich Nebeneinnahmen kassierte. Doch ist das der alleinige Grund?

Alexander Scheuber/Bongarts/Getty Images

DFB-Boss Reinhard Grindel musste gehen. Ist es notwendig? Vielleicht. Selbstverschuldet ist der Rücktritt auf jeden Fall. Doch nicht etwa allein wegen der Vorwürfe. Angeblich soll er als Aufsichtsrat einer DFB-Tochter heimlich 78.000 Euro kassiert haben, obendrein wohl noch eine geschenkte Luxus-Uhr. Dabei sind solche Geschenke in Fifa-Kreisen nicht unüblich. Grindel verteidigte sich dabei intern zu defensiv: Rechtlich sei das alles okay. Nein, nicht für ihn.

Deutsche Nationalmannschaft
Auch der Bundesübungsleiter muss jetzt gehen
Grindel musste auch gehen, weil er als Konservativer für einflussreiche linksgrüne Sport-, Politik- und Medienkreise schlicht unerträglich war. Manche nannten ihn auch „das Grindel“, andere lästerten hinter den Kulissen gerne über „Grindelwalds Verbrechen“, dabei verbreitet wurden Fehltritte und Vorfälle. Auch der schwarz-grün affine Vorgänger und Christdemokrat Theo Zwanziger, befreundet mit Claudia Roth, stichelte immer wieder gegen seinen Nachfolger. Vor allem nach dem blamablen Scheitern Deutschlands bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland 2018. Ein Grund für die schlechte Stimmung im deutschen Team war jedoch der Foto-Skandal der Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit Präsident Recep Tayyip Erdogan. Beide DFB-Superprofis leisteten dem Autokraten vom Bosporus optische Hilfe für seine Wahlen in der Türkei. Zwanziger kritisierte dennoch: „Durch Fehler in der Kommunikation ist etwas passiert, das bei Migranten nie passieren darf: Sie dürfen sich nie als Deutsche zweiter Klasse fühlen. Wenn dieser Eindruck entsteht, muss man gegensteuern.“ Kurz: Wenn Migranten selbst für die Wahl von Despoten werben, muss der DFB sie gegen Angriffe schützen. Dabei wollte Grindel anfangs richtigerweise durchgreifen. Nationalspieler, die Quasi-Diktatoren wie Erdogan verehren, die Menschenrechte nicht achten, gehören nicht ins Team. Grindel forderte eine öffentliche Entschuldigung Özils, die nie kam. Im Gegenteil. Özil und Gündogan blieben trotz mäßiger Leistungen im Aufgebot, während Top-Talent Leroy Sane zu Hause bleiben musste.
DFB-Grindel schießt sich selbst ins Abseits

Funktionärsversagen
Der deutsche Fußball benötigt eine Reformation
Grindel zeigte Angst und Schwäche, die sich jetzt rächen. Er hätte von Bundestrainer Jogi Löw die Entlassung beider Spieler einfordern müssen. Stattdessen verlängerte er vorzeitig dessen Vertrag um vier Jahre bis 2022 für rund 3,8 Millionen Euro. Jetzt hatte der DFB-Boss kein Druckmittel mehr in der Hand. Ja, er konnte den Bundesübungsleiter für sein historisches Versagen bei der WM und der nachfolgenden Nations League gar nicht mehr feuern. Löw regierte so munter weiter, egal wer über ihm Präsident ist. Grindel hatte sich selbst ins Abseits geschossen. Der Chef des mit rund sieben Millionen Mitgliedern größten Sportverbandes der Welt, der im Vergleich zu seinem derzeit erfolgslosen Bundestrainer nur ein Bruchteil verdient, agierte fortan als lahme Ente.

Wäre Grindel Wahlmann für die Grünen bei der Bundespräsidentenwahl wie sein Bundestrainer Löw, käme er mit einer Bewährungszeit davon. Aber für einen nachtschwarzen Ex-Politiker und früheren Nicht-Sportfunktionär gibt es keine Schonfrist. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, vom Fußball sonst wenig Ahnung, liefert den Beweis frei Haus: „Herr Grindel war von Anfang an eine falsche Besetzung.“ Ihm fehlte zudem die Lockerheit, weiß ein DFB-Funktionär. Und als Journalist und Politiker hätte er die Krise besser meistern müssen.

Der langjährige ZDF-Journalist, trat 1977 in die CDU ein und wechselte 2002 endgültig in die Politik. Von 2002 bis 2016 saß er im Bundestag, wirkte dort als streitbarer Konservativer. Multikulti war nicht sein Ding. Grindel erschreckte die Grünen mit seiner Forderung: „Wer Ja zu Deutschland sagt, wer gerne bei uns leben will, von dem kann ich auch die Entscheidung für die deutsche Staatsbürgerschaft unter Ablegung seiner alten Staatsbürgerschaft erwarten“. Er war zudem einer der scharfzüngigen Nachfrager im Joschka-Fischer-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Auch das rächt sich jetzt. Wer eine grüne Ikone wegen seiner radikalen Steinewerfer-Vergangenheit anprangert, wird jetzt vom linksgrünen Medienbetrieb kollektiv für Vergehen abgestraft.

Als Konservativer im fest im Visier

Abgesang
Mesut Özil tritt zurück: das Drama ist zu Ende
Bei CDU-Grindel ist das Relotius-Medium „Spiegel“ hellwach. Da wird recherchiert, was das Zeug hält: „Grindel verschwieg Einkünfte von Tochterunternehmen“. Despoten-Werbung der Nationalspieler Özil und Gündogan für Erdogan vor den Türkeiwahlen waren für das „Flaggschiff der Demokratie“ keine tiefschürfende und enthüllende Investigation wert. Dabei hatte sich der Bundestrainer hochgradig mit seiner Türkei-Connection durch seine Partner ARP Sportmarketing Hannover sowie der Kooperationsfirma Family & Football belastet. Sie betreuten nicht nur Löw, sondern auch seine Nationalspieler Özil und Gündogan, in der gleichzeitig auch Özils Bruder Mutlu und Gündogans Onkel arbeiteten. Doch diese Affäre interessierte das Gros der Qualitätsmedien nicht. Journalisten heulen im Stadion via YouTube nur, wenn sie diskriminierende Äußerungen von Fans über Spieler mit Migrationshintergrund aufschnappen. Menschenjagd auf Zehntausende Demokraten in der Türkei durch das Erdogan-Regime, fotografisch untermalt von Nationalspielern wie Özil und Gündogan, sind hingegen keine öffentlichen Tränen wert. Wohl nicht einmal, wenn Erdogan im Sommer als Trauzeuge Mesut Özil bei seiner Hochzeit zur Seite steht, wie türkischen Medien berichten.

Grindels Rücktritt ist allerdings auch keine Träne wert. Eine Kollekte hat der 57-jährige Hamburger nicht nötig. Der Ex-DFB-Boss fällt butterweich. Wie „Bild“ schreibt, darf er seine Posten im Uefa-Exekutivkomitee (zwei Jahre) und im Fifa-Council (vier Jahre) behalten. Jährlich brächte ihm dieser Doppeljob etwa 500.000 Euro ein.

Die mobile Version verlassen