Tichys Einblick
58 Euro für das "Deutschlandticket"

Die linke Utopie von SPD, Grünen und FDP ist gescheitert

Das Neun-Euro-Ticket war das Vorzeigeprojekt der Ampel. Es sollte die "Verkehrswende" einläuten. Doch nach gerade mal gut zwei Jahren zeigt sich, welchen Schaden SPD, Grüne und FDP angerichtet haben.

IMAGO

Die Ampel hat nur wenige freudvolle Tage erlebt. Zu diesen gehören die Tage des Sommers 2022. Da galt für drei Monate das Neun-Euro-Ticket. Die SPD feierte sich für den sozialen Aspekt des günstigen Bahn- und Busfahrens. Die Grünen bejubelten den Aufstieg des öffentlichen Nahverkehrs sowie die „Verkehrswende“. Und die FDP erfreute sich daran, dass sie das Dickicht des deutschen Tarifdschungels mit einem Schlag zerstört hatte. Alle Ampelpartner waren zufrieden und die Medien feierten sie.

Gut. Es gab auch schon im Sommer 2022 Warner. Sie hielten das ganze für ein PR-Feuerwerk. Der öffentliche Nahverkehr werde von Neukunden überlaufen, obwohl der ohnehin schon überlastet sei. Ihm werde das Geld für den notwendigen Ausbau entzogen. Das Angebot ließe sich nicht halten und die neu gewonnenen Kunden würden enttäuscht wieder abspringen. Zudem drohe der Verlust bisheriger Stammkunden.

SPD, Grüne und FDP reagierten darauf, wie linke Parteien immer auf Kritiker reagieren. Sie warfen ihnen vor, keine Ahnung zu haben, alles schlecht zu reden und witterten dahinter Hass und Hetze oder rechtsextreme Motive. Jetzt passiert das, was immer passiert, wenn linke Parteien wie SPD, Grüne und FDP visionäre Projekte durchziehen und die Warner dabei verdammen: Sie scheitern, die Warner behalten Recht und die linken Parteien nuscheln etwas von Notwendigkeiten, die vorher keiner sehen konnte.

Nach der PR-Aktion wurde im Frühling 2023 aus dem Neun-Euro-Ticket das „Deutschlandticket“ und es kostete fortan 49 Euro. Nun haben sich die Verkehrsminister der Länder darauf geeinigt, den Preis zum Jahreswechsel auf 58 Euro zu erhöhen. Eine Preiserhöhung um 18,4 Prozent innerhalb von anderthalb Jahren. Allmählich kommt das „Deutschlandticket“ in den Bereich der alten Monatskarten. Die wenigsten Nutzer haben etwas davon, dass sie damit von Hamburg bis München fahren könnten. Zum einen fahren sie nur selten von der Elbe an die Isar und zum anderen müssen sie dafür ein halbes Dutzend Bummelzüge nehmen, weil das „Deutschlandticket“ keine ICE-Fahrten erlaubt. Unbürokratisch ist das Ticket obendrein nicht mehr, die Kunden müssen es beantragen und abonnieren – inklusive Bonitätsprüfung.

Bund und Länder subventionieren das „Deutschlandticket“ jeweils mit 1,5 Milliarden Euro Steuergeld im Jahr. Aufgrund ihrer klammen Haushalte wollen sie weitere Kosten auf die Kunden umlegen. Denn mit dem „Deutschlandticket“ lassen sich nicht einmal die Unkosten finanzieren – geschweige denn der eigentlich notwendige Ausbau des Bahn- und Busnetzes. Die Verkehrsminister mussten den Preis also erhöhen. Die Warner behalten Recht, die Realität hat einen längeren Atem als die linken Utopisten in SPD, Grüne und FDP.

Der Branchenverband VDV macht das, was die Vertreter von Branchenverbänden in Deutschland am liebsten tun: Sie schmeicheln sich bei der Regierung ein. Die Erhöhung der Preise sei „ein kluger, mutiger und notwendiger Schritt!“. Ja. Ein Unternehmer, der zu wenig Geld verdient und deswegen die Preise erhöht. Klug und mutig. Deutschland braucht endlich einen Parlaments-Poeten, der ein Epos über diese Tapferkeit zu dichten weiß. Vorläufig ersetzt VDV-Präsident Ingo Wortmann den Parlaments-Poeten: „Das Ticket bleibt für die Kundinnen und Kunden auch mit dem neuen Preis hochattraktiv und ermöglicht es uns, dies weiter erfolgreich am Markt zu etablieren.“

Weg von der linken Utopie und ihren Poeten. Hin zur Realität und ihren Mahnern: „Mit der Preissteigerung tritt ein, was wir von Anfang an vorhergesagt haben“, erinnert Ulrich Lange, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag. Wenn das Ticket nicht zu einer Ausdünnung des öffentlichen Verkehrs auf dem Land führen soll, müssten sich die Einnahmen für die Unternehmen und somit auch der Ticketpreis erhöhen. „Das ist nur legitim“, sagt Lange. Er wirft Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) vor, dem sei es von Anfang an nur um die schönen Bilder gegangen, die von ihm und dem „Deutschlandticket“ aufgenommen worden seien.

Bund und Länder haben bereits im Vorfeld der Erhöhung die Wirkung des Tickets ausgewertet. Und ihnen muss dabei klar geworden sein: Mit der Erhöhung wird das Ticket endgültig zum Flop. Denn nun droht ein Absprung der Kunden. Bei einer Preiserhöhung um zehn Euro könnten demnach 10,3 bis 21,1 Prozent der Deutschlandticket-Kunden verloren gehen. Trifft dieses Szenario ein, hätte der öffentliche Nahverkehr weniger Stammkunden als vor Einführung des „Deutschland-Tickets“.

Die Frage, wie „klug und mutig“ die Erhöhung wirklich war, beantwortet sich auch nur bedingt zufriedenstellend für die linken Parteien SPD, Grüne und FDP: Bei einer Erhöhung um zehn Euro könnte ein Fünftel der Nutzer abspringen? Also erhöhen die Verkehrsminister den Preis um neun Euro. Die Realität geschickt ausgedribbelt. Wobei jetzt schon klar ist: Die Erhöhung auf 58 Euro wird nicht die letzte bleiben. Auch damit kommen die Verkehrsbetriebe nicht rund – und die letzten zwei unterfinanzierten Jahre haben sie in massive Probleme gebracht.

Der Sommer 2022 war also nicht mehr als ein Hornbacher Schießen. Eine Scheinblüte, die das Verwelken schon in sich trug. Das Ifo-Institut hat zusammen mit fränkischen und österreichischen Wissenschaftlern die Folgen des Neun-Euro-Tickets untersucht – und damit eine Ehrenrettung der Warner formuliert: Das Neun-Euro-Ticket habe zu hohe Kosten verursacht, zu deutlich mehr verspäteten Zügen geführt und nur geringe Auswirkungen auf den Autoverkehr gehabt. Der sei gerade mal um vier bis fünf Prozent zurückgegangen. Angesichts von 2,5 Milliarden Euro Kosten ein geringer Effekt, wie die Wissenschaftler urteilen.

Die Nutzer hätten demnach das Ticket als Bonus empfunden und es vor allem am Wochenende ausgekostet. Die Pendler haben ihren Weg zur Arbeit aber nicht verändert. Dafür war ihnen das Angebot an Bus und Bahnen offenbar zu unzuverlässig oder zu wenig ausreichend. An den bochenenden hätten dann die Zahl der Verspätungen um fast ein Drittel zugenommen, weil die Züge ausgelastet waren. „Die Verkehrsbetriebe waren für den Ansturm auf den ÖPNV nicht gewappnet“, heißt es in der Studie. Für ein paar freudvolle Tage im Sommer hat die Ampel also eine sinnbefreite Aktion losgetreten, die viele Schäden und leere Kassen hinterlässt.

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