Wie macht diese Bundesregierung das? Ein Land zum Hort der frauenfeindlichen, ja menschenfeindlichen Gewalt durch einen radikalen Islam erklären, die Aufnahme zehntausender „Flüchtlinge“ auf dem einen oder anderen Wege ankündigen und dennoch in dasselbe Land Entwicklungsgelder investieren? Andrea Nahles (SPD) hatte im Deutschen Bundestag einmal einen Politikansatz lyrisch-poetisch vorgestellt: „Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt …“ Dieser Satz, damals polemisch gemeint und albern vorgetragen, nimmt sich heute anscheinend die Ampelkoalition zum Vorbild.
Nehmen wir nacheinander die Positionen ein, die offenbar auch die Bundesregierung einnimmt. Afghanistan ist also – glaubt man der Außenministerin – ein durchaus nicht unterstützenswertes Unrechtsregime, das furchtbares Leid für Frauen, Mädchen und Regimegegner bedeutet. Darauf beruht die Aufnahme der angeblich noch 40.000 afghanischen „Ortskräfte“ via Direktflug, die zu den 31.000 Afghanen hinzukommen, die allein in diesem Jahr (bis einschließlich Juli) illegal nach Deutschland eingeschleust wurden.
Trotz dieses Aderlasses, den weniger Afghanistan als vielmehr Deutschland in Form von Integrationskursen, benötigten Wohnungen und zu zahlender Sozialhilfe erleidet, hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter der Leitung von Svenja Schulze (SPD) die Zahlungen an das Hindukusch-Land unter den Taliban fortgesetzt. 371 Millionen Euro flossen seit deren Machtübernahme in das Land, wie dts meldet. Die Mittel dienen angeblich allein „der Aufrechterhaltung der Grundversorgung sowie der Stärkung der Widerstandskraft der Bevölkerung“ und würden zudem „regierungsfern umgesetzt“, wie eine Ministeriumssprecherin dem Spiegel sagte. „Es fließen keine Mittel über die Ministerien und Behörden der de-facto-Autoritäten.“ Die Taliban können also gar nicht davon profitieren.
Man stolpert ein bisschen über dieses Wort „umgesetzt“, wo man „eingesetzt“ erwartet hätte. Das klingt wie ein Akt der Verdauung (Zucker umsetzen) oder erinnert an den wirtschaftlichen „Umsatz“, den ein Unternehmen zunächst einmal machen muss. Die Mittel, so heißt es auch später in den Verlautbarungen des Bundesministeriums wieder, würden „vorrangig über internationale Organisationen (Vereinte Nationen, Weltbank) und Nichtregierungsorganisationen umgesetzt“.
Eigentlich wollte das BMZ sein Afghanistan-Programm seit dem Regimewechsel vor zwei Jahren gestoppt haben – aber irgendwann danach muss man den Motor wieder angeworfen haben. Und jetzt klingelt der Umsatz wieder im Kasten, vor allem bei UNO, Weltbank und NGOs. Wie sicher kann man sich eigentlich sein, dass die Grünen-nahen NGOs, die die Flugtickets nach Berlin ausstellen, nicht von der deutschen Entwicklungshilfe profitieren?
Früher floss eine Million pro Tag nach Afghanistan
Wahr ist, dass schon einmal mehr deutsche Steuergelder nach Afghanistan flossen. 2019 gab es noch 365,5 Millionen Euro – also eine Million am Tag – für die damalige Islamische Republik Afghanistan. Zum Vergleich: Die regionale Wirtschaftsförderung, die strukturschwache Regionen in Deutschland unterstützen soll, muss in diesem Jahr mit 647 Millionen Euro auskommen. In der näheren Zukunft will der Finanzminister 14,4 Milliarden Euro am Bundeshaushalt einsparen. Wie sähe der Sparbetrag aus, wenn man auf die unnötigen, vielleicht sogar kontraproduktiven Entwicklungshilfegelder verzichtete? Vermutlich wäre er negativ, also kein Sparbetrag mehr, sondern ein kurzfristiger Überschuss.
Man nehme etwa die 190,5 Millionen Euro, die 2022 an Äthiopien flossen – während sich der Ministerpräsident des Landes, Abiy Ahmed, einen „milliardenteuren Palast“ errichten lässt, größer als „Windsor, das Weiße Haus, der Kreml und Chinas verbotene Stadt“ zusammen, wie die NZZ berichtet und Henryk Broder in der Welt hinterfragt.
Wer gehörte noch zu den Empfängern deutscher Entwicklungshilfe? 2019 stand Syrien an der Spitze der Liste – jene Präsidialdiktatur, in der Deutschland bis heute nicht diplomatisch vertreten ist (damals 683,5 Mio. Euro). Es folgten Indien, China, der Irak, Afghanistan, Jordanien, die Türkei, der Jemen und der Libanon mit Ausgaben zwischen 195 und 530 Millionen Euro.
Das Ministerium informiert dabei einigermaßen anschaulich über seine Projekte und Ausgaben. Nur eine Länderliste ist nicht leicht zu finden. Aktuell gibt es im Syrien Assads 19 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 191 Millionen Euro. In China sind es derzeit 37 Projekte mit einem Volumen von 40,5 Millionen Euro, in Indien – das die Liste wohl anführt – sogar 497 Projekte zum Preis von 4,85 Milliarden Euro. Handelt es sich bei den beiden Ländern wirklich noch um Entwicklungsländer, die unser Geld nötig haben? Dem schon erwähnten Äthiopien wurde derzeit dank 166 Projekten eine knappe Milliarde Euro zugesagt. Diese Ausgabenposten beziehen sich jeweils auf mehr als ein Jahr. Insgesamt sind mehr als 62 Milliarden Euro in 109 Ländern und 8.145 Projekten gebunden.
Feministische Entwicklungshilfe als subversive Tat?
Laut dem „Kompass 2023“, herausgegeben von der Welthungerhilfe und Terre des hommes, summierten sich die deutschen Entwicklungshilfegelder im Jahr 2022 auf 33,3 Milliarden Euro. Das sind global betrachtet die zweithöchsten Ausgaben in diesem Bereich nach den USA. Es sind außerdem so hohe Ausgaben wie nie zuvor, mehr als 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE). Die Frage ist nun, ob man mit diesem Anstieg der Entwicklungshilfeausgaben wirklich den Hunger in der Welt bekämpft. Die Herausgeber des „Kompasses“ sind natürlich genau zwei solche NGOs, wie sie überall auf der Welt von der Entwicklungshilfe profitieren.
Im westafrikanischen Niger ist die deutsche und EU-Entwicklungshilfestrategie gerade durch einen Putsch gescheitert. Doch noch immer geben die EU-Staaten in der Sahel-Region 28 Milliarden Euro aus – um einer schemenhaften „Stabilisierung“ willen. An sich fließt deutsches Geld nur an „liebe“ Nationen. Der mit russischer Hilfe umgedrehte Niger bekommt aktuell nichts mehr. Doch ein Rückzug der Bundesregierung aus der Region insgesamt wäre laut Spiegel von „fataler“ Wirkung. Ist das wirklich so? Am Ende scheint man sich auch in der Berlin-Hamburger Blase nicht so sicher, dass Entwicklungshilfe ein „Kippen“ weiterer Länder, etwa Mauretaniens, verhindern kann.
In Afghanistan kann es darum nicht mehr gehen. Das Land ist ja schon „gekippt“. Dafür werden dort nun „nur Maßnahmen umgesetzt, in denen Frauen mitarbeiten und mit denen Frauen und Mädchen erreicht werden können“. Feministische Entwicklungshilfe-Politik vom Besten. Das stellen sich die Rot-Grünen sicher als unglaublich subversiv vor in so einem lupenreinen islamischen Emirat. Daneben könnte es aber schlicht dazu führen, dass mehr Menschen möglichst schnell weg möchten, um in das Land der triumphierenden Frauenrechte zu gelangen. Ob das am Ende der Wahrheit entspricht, steht – wegen der rot-grünen Asyl- und Migrationspolitik – wiederum auf Messers Schneide.
Eine gute Politik der Zusammenarbeit müsste ganz anders aussehen. Es müsste ein konkretes Interesse des Geberlandes Deutschland eruiert werden, damit ein Geben und Nehmen im gleichen Zug möglich wird. Denn nur so lassen sich Interessen am Ende wirksam miteinander verknüpfen und ausgleichen. Die hehren Ziele des Bundesministeriums für Zusammenarbeit (keine Armut, Gesundheit und Wohlergehen, Geschlechtergleichheit, nachhaltiger Konsum) mögen hierzulande populär sein, stellen aber letztlich auch eine Art Indoktrination der anderen Länder dar. Der Spiegel-Bericht aus Mauretanien spiegelt das durch ungebremstes Kolonialkolorit: „In der Abendsonne trommeln Frauen im Fischereihafen Nouakchott für die deutsche Bundesregierung. ‚Merci‘, rufen sie, ‚Bonjour Madame!‘“ An der Stelle muss man schon fast Verständnis für die Ministerin haben: Nach so einem Empfang kann man ja nur besoffen von der eigenen Güte nach Berlin zurückkehren.