Bundesinnenminister Thomas de Maizière verkündete es kurz vor 18 Uhr: Deutschland führt „vorübergehend“ Grenzkontrollen an der Grenze zu Österreich ein. Auch der Bahnverkehr ruht. Österreich hat diesen Schritt vorher getan.
Ich höre de Maizières kurzer Erklärung zu und registriere, er spricht zugleich zu seiner eigenen Kanzlerin, zu den Regierungen der EU-Länder, deren Innenminister morgen zusammenkommen, zur deutschen Öffentlichkeit und zu denen, die auf dem Weg nach Europa sind. Tenor: „Wieder zu einem geordneten Verfahren kommen“. Die Botschaft:
- Alle die kommen, müssen in dem EU-Land, in dem sie ankommen, nicht nur registriert, sondern die Anerkennungsverfahren auch dort durchgeführt werden.
- Es gibt kein Recht der Flüchtlinge und Zuwanderer, selbst zu entscheiden, in welches EU-Land sie bei Anerkennung weiterreisen dürfen.
Was de Maizière verkündet, bedeutet nicht weniger, als dass die Suspendierung der Dublin-Regel wieder aufgehoben wird, dass die rechtsgültigen Normen wieder in Kraft treten. Vor allem aber hofft er, dass die Smartphone-Netze der Hunderttausende, die schon auf dem Weg sind oder das planen, sein STOP nach dem GO der Kanzlerin gleich schnell verbreiten.
Ich erlaube mir zu bezweifeln, dass sich der Zustand von „alle dürfen kommen“, „wir schicken keine syrischen Flüchtlinge zurück“ ins Ankunftsland, so einfach beenden lässt. Mir tun die Polizei- und Zollkräfte leid, die Hunderte und Tausende am Weiterziehen hindern sollen. Wie wollen sie das machen, ohne im Konfliktfall Gewalt anzuwenden?
Nach der Grenze zu Österreich muss Deutschland – wenn nicht morgen, dann übermorgen – die Grenze zur tschechischen Republik schließen – welche noch? Die hohen Preise der Schleuser, die wir besser Menschenhändler nennen sollten, werden nun noch weiter steigen und ihre Riesengewinne hochschießen. Und die Wege von Flüchtlingen und Zuwanderern aus anderen Gründen werden noch abenteuerlicher und lebensgefährlicher.
Heute abend trifft die Kanzlerin die Maßgeblichen der Union in Bund und Ländern. Dem kann nichts anderes folgen als eine schnelle Zusammenkunft der Ministerpräsidenten der Länder. Sie werden sich eher auf irgend etwas einigen als die EU-Innenminister morgen. Für mich spricht nichts dafür, dass alles in einigermaßen geregelte Bahnen kommt, bevor erst die kalte Jahreszeit die Zahl der Kommenden kleiner machen kann – vorübergehend.
Der kurze Sommer der heiteren Anomie geht heute jedenfalls zu Ende.