Die Zahlen sind recht eindeutig: Vor 25 Jahren gab es in Deutschland zwei Millionen Pflegebedürftige, heute sind es 5,6 Millionen. Nochmal fünf Jahre und es werden über 7 Millionen Pflegebedürftige sein, wie Isabell Halletz vorrechnet. Sie ist die Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbands Pflege, der im Berliner Albrechtshof die Lage der Branche vorstellt – eine üble Lage.
„Gute und bezahlbare Pflege für alle gibt es in Deutschland nicht mehr“, sagt Thomas Greiner, der Präsident des Verbandes. Innerhalb eines Jahres gingen zwei Prozent der Betten in der Pflege verloren. Das sei noch vorsichtig gerechnet. Diesen Bettenschwund gibt es, obwohl der Bedarf wie beschrieben steigt. Das hat zwei Gründe. Zum einen die Regulierungswut des deutschen Staates und zum anderen fehlgeleitetes Geld. Weil die Krankenkassen sparen müssen, reichen sie den Schwarzen Peter an die Pflegeheime weiter.
Das erste Übel ist die Bürokratie. So hat der Staat Quoten festgelegt, wie viele Pfleger sich mindestens um einen Bewohner kümmern müssen. Das ist gut gemeint und soll die Qualität sichern. Nur: Obwohl die Heime nicht alle Nachfragen von Bewohnern bedienen können, bleiben etwa zehn Prozent der (noch) vorhandenen Betten leer – weil es an genug Personal fehlt. Da eine willkürlich festgelegte Quote des Staates nicht erfüllt wird, bleiben hilfsbedürftige Menschen ganz ohne Hilfe.
Genauso schlimm seien für die Betreiber die vielen Prüfungen, sagt Greiner. Statt dass ein Koordinator die verschiedenen Prüfdienste organisieren und die Zahl der Prüfungen in den Heimen so reduzieren würde, kämen alle einzeln und müssten die Heime dafür jedes Mal Fachpersonal abstellen. Die Folge: In Deutschland gibt es wahnsinnig viele Prüfer für Pflegebetten. Noch viel mehr Berichte über Pflegebetten. Nur Pflegebetten, die gibt es immer weniger – obwohl der Bedarf steigt.
Auch die Finanzierung ist ein Problem, wie Greiner schildert. Wobei es nicht nur an Geld im System mangelt. Das Geld komme nur nicht an der richtigen Stelle an. Oder nicht schnell genug. Die Pflegekassen, die mit den Krankenkassen identisch sind, ließen sich mitunter mit der Begleichung der Rechnungen sechs bis acht Monate Zeit.
Dazu muss man wissen: Verschleppte Rechnungen sind für die Kassen wie zinslose Kredite. Bezahlt die Kasse erst ein halbes Jahr später, spart sie dieses Geld vorerst und kann damit an anderer Stelle Lücken füllen. In der Summe geht es dabei um Milliardenbeträge. Die Finanznot der Kassen hat TE bereits mehrfach geschildert. Sie entsteht auch, weil die Ampel Kosten für das Bürgergeld auf die Kassen und damit deren Beitragszahler abwälzt.
Die Ampel lässt die Krankenkassen fürs Bürgergeld bluten. Die Kassen geben den Druck auf die Betreiber von Pflegeheimen weiter. Bei denen laufen offene Rechnungen im sechsstelligen Bereich an, wie Halletz schildert. Der Arbeitgeberverband fordert daher Strafzinsen von 2,5 Prozent. Das würde immer noch unter den Kosten für die Heime liegen. Doch immerhin könnten die Kassen unbezahlte Rechnungen nicht mehr als zinslose Kredite ansehen.
Allerdings sind es nicht nur die Kassen, die ihre eigene Finanznot an die Heimbetreiber weitergeben. Die Städte, Gemeinden, Landkreise und Bezirke sind es auch. Ihre Verschuldung ist im vergangenen Jahr rasant gestiegen. Die hohen Kosten für Bürgergeld und Einwanderung lasten auf ihnen. Als Sozialhilfeträger lassen sich die Kommunen zwischen zwölf und 18 Monaten Zeit, um Zuschüsse für Pflegebedürftige ohne Geld zu bearbeiten. In der Zwischenzeit müssen die Heime die Kosten für deren Pflege, Unterbringung, Mahlzeiten, Strom, Wasser und so weiter aufbringen. In manchen Heimen sind laut Greiner vier von fünf Einwohnern auf diese Zuschüsse angewiesen, blieben also die Heimbetreiber auf den Kosten sitzen.
Greiner zeichnet ein düsteres Bild. Die bürokratische Gängelung und die systematischen Verzögerungen von Zahlungen ließen darauf schließen, dass die Politik gar keine privaten Anbieter von Pflegeleistungen mehr wolle. Doch verschwänden die vom Markt, sähe es endgültig düster um die Pflege in Deutschland aus. 43 Prozent der stationären Heime werden von ihnen betrieben, im ambulanten Bereich sind es sogar 68 Prozent der Angebote. Mehr Geld im System, schneller beglichene Rechnungen und deutlich weniger Bürokratie. Kommt das nicht, so sagt Greiner, geht die Insolvenzwelle in der Pflege weiter.