In Deutschland muss mehr Corona-Impfstoff vernichtet werden als vom Bundesgesundheitsministerium prognostiziert. Das geht aus einer Anfrage des CSU-Abgeordneten Stephan Pilsinger an das Ministerium hervor. Demnach seien zwischen Anfang Dezember 2021 und Ende Juni 2022 etwa 3,9 Millionen Impfdosen verfallen. Im April ging das Ministerium noch davon aus, dass bis Ende Juni 3 Millionen Impfdosen verfallen könnten. Betroffen ist vor allem das Produkt des US-Pharmakonzerns Moderna.
Der Vorfall befeuert alte Vorwürfe. Nach Amtsantritt hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Alarm geschlagen. Wegen eines drohenden Engpasses hatte er 92 Millionen Impfdosen bestellt, darunter BioNTech und Moderna. Die Opposition hatte diese Nachbestellung damals kritisiert, ihm Panikmache und Steuergeldverschwendung vorgeworfen.
Lauterbach macht Spahn als Urheber aus
Auf Twitter wehrte sich Lauterbach gegen die Vorwürfe. Man habe zum damaligen Zeitpunkt keinen Impfstoff für die Booster-Kampagne besessen. Er sei kurzfristig beschafft worden. „Der für später (auch von Spahn) bestellte und dann auch gelieferte Impfstoff kam zu spät“, behauptete Lauterbach. Sein Vorgänger Jens Spahn habe, so betonte der Gesundheitsminister, keinen Fehler gemacht.
Bereits im April ging aus einer Unionsanfrage hervor, dass Lauterbach zu viel Impfstoff bestellt hatte. 700 Millionen seien bestellt worden, das Ministerium schätzte den Maximalbedarf auf 165 Millionen. Schon damals landeten mehr als 100.000 Dosen innerhalb von drei Monaten im Müll. Bereits im Januar und Februar hatte sich eine großflächige „Impfmüdigkeit“ bei den Deutschen gezeigt. Insbesondere der Impfstoff für Kinder fand keinen Abnehmer. Zu dem Zeitpunkt hatte Deutschland bereits 114 Millionen Dosen weltweit verschenkt, bevor diese abliefen.
Impfdosen werden zu Impfmüll
Doch schon damals galt die Versorgungslage als so gut, dass mit einem weiteren Export des deutschen Überangebots nicht mehr zu rechnen war. Kurz darauf kündigte Lauterbach an, neuen Impfstoff für 830 Millionen Euro zu erwerben. Man müsse gegen „alle Eventualitäten“ gewappnet sein. Zu dem Zeitpunkt war bereits klar, dass das neue Infektionsschutzgesetz ab dem 1. Oktober 2022 nur noch dreifach Geimpfte als „vollständig geimpft“ klassifizieren würde. Lauterbach stellte eine vierte Impfung in Aussicht für jeden, der diese wolle.
Lauterbach empfiehlt jedem die vierte Impfung
Lauterbachs Reaktion auf den Verfall ähnelt dabei der im Frühjahr: der bestellte Impfstoff sei der, den die Vorgängerregierung bestellt habe; man habe zu viel Impfstoff, aber das sei gut so; im Zweifel müsse noch mehr Impfstoff her. Dass die Vernichtung der Spahn-Dosen zumindest ein Indiz sein könnte, dass die Impfstoffknappheit im Winter eine Erfindung war, wird abgestritten.
Und wohin mit den Dosen? Der Gesundheitsminister weiß wie immer Rat. Denn mittlerweile empfiehlt er eine vierte Impfung nicht nur für Personen ab 60, sondern jedem: „Wenn jemand den Sommer genießen und kein Risiko eingehen will zu erkranken, dann würde ich in Absprache mit dem Hausarzt auch Jüngeren die Impfung empfehlen.“ Heißt, wer den Herbst in Sicherheit verbringen will, der lässt sich am besten noch ein fünftes Mal spritzen. Denn eins ist sicher: gegen die verrotteten Lauterbach-Dosen dürfte der Spahn-Nachlass lächerlich wirken.