Am 9. Mai fand im Bundestag die erste Lesung des geplanten Gesetzes zur Fachkräfteeinwanderung statt. Das Gesetz wird nunmehr in die Fachausschüsse überwiesen. Wie nicht anders zu erwarten, freute sich die GroKo im Verein mit der Wirtschaft darüber wie ein Schneekönig. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sprach gar von einer „historischen Weichenstellung“ und von einem „klaren Bekenntnis zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten“ – also aus Staaten jenseits der EU.
Fachkräfte, die über einen Arbeitsvertrag und eine anerkannte Qualifikation inkl. Deutschkenntnissen verfügen, sollen nunmehr in den entsprechenden Berufen in Deutschland arbeiten können. (Siehe den Entwurf des Gesetzes hier – Achtung: 149 Seiten Umfang) Beraten werden soll zudem über einen Gesetzentwurf, durch den Ausländer geduldet werden sollen, die eine qualifizierte Berufsausbildung aufnehmen oder durch Beschäftigung ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind.
Seehofer meint, dass man mit dem Fachkräftezuwanderungsgesetz sowohl Leute mit Hochschulabschluss als auch mit einer Ausbildung anlocken werde. Zugleich gab er sich überzeugt: „Es ist nicht eine Spielart des Asylverfahrens.“ Man wolle klar trennen zwischen Arbeitsmigration und Asyl.
Diesen frommen Wunsch lassen wir mal so stehen – verbunden mit der Hoffnung, dass dieses Gesetz eine Zuwanderung in den Arbeitsplatz und nicht ins Arbeitsamt fördert. Der Städte- und Gemeindebund warnte die Bundesregierung jedenfalls davor, Ausländer aus Nicht-EU-Staaten zur Suche eines Jobs oder Ausbildungsplatzes ins Land zu lassen. „Die Gefahr, dass die Betroffenen bei ergebnisloser Suche nicht freiwillig ausreisen werden, ist zu groß“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). Schon jetzt gelinge es nur unzureichend, die Ausreise abgelehnter Asylbewerber durchzusetzen.
Die Abwanderung von Fachkräften achselzuckend hingenommen
Fachkräfteeinwanderung? Recht und schön! Mit noch mehr Engagement müsste sich die Politik endlich Gedanken machen, wie man die massenhafte Auswanderung von Fachkräften stoppen kann. Denn die Lage ist dramatisch.
Hier die wichtigsten Fakten:
- 2018 wanderten rund 165.000 aus, 2019 dürfen es wohl 180.000 werden. Das ist die Größenordnung kleinerer Großstädte wie Würzburg oder Heidelberg.
- Das Durchschnittsalter dieser Auswanderer ist 32 Jahre; zu zwei Dritteln sind es Fach- und Führungskräfte.
- Seit 2001 sind knapp eine Million Bundesbürger ins Ausland gegangen, zu erheblichen Teilen in die USA und in die Schweiz, zunehmend übrigens auch nach Österreich und Ungarn.
- 68 Prozent erwarten im Ausland einen attraktiveren Job und mehr Geld.
- Als Gründe für die Auswanderung werden zudem häufig genannt: die Steuerlast und die überbordende Bürokratie. (Ob auch das miefige politische Klima in Deutschland ein Grund ist, danach wurde wohlweislich nicht gefragt.)
In der demografischen Forschung hat sich dafür längst der Begriff „braindrain“ geprägt. Dem steht aber kein „braingain“ gegenüber – also kein Gewinn an „brain“. Man braucht sich nur den Bildungshintergrund von 90 Prozent der Migranten oder die Pisa-Ergebnisse junger Leute mit türkischen oder arabischen Wurzeln anschauen.
Trösten kann auch nicht, dass es immer noch Nobelpreisträger mit deutschen Namen gibt. Das kann deshalb nicht trösten, weil diese Hochkaräter ihre preiswürdigen Erkenntnisse nicht in Deutschland, sondern zumeist an US-amerikanischen Eliteuniversitäten fabrizierten. Beispiele: Theodor Hänsch (Nobelpreis in Physik 2005), Gerhard Ertl (Chemie 2007), Harald zur Hausen (Medizin 2008) oder Thomas Südhof (Medizin 2013) hatten zwar in Deutschland studiert, ihr Forscherleben aber zum Großteil oder gänzlich in den USA verbracht.
Zuwanderung oftmals schwach Qualifizierter hier – Auswanderung von Spitzenkräften dort: Deutschland ist ein asymmetrisches Land geworden. Das jetzt zur Debatte stehende „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ sowie das später geplante „Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung“ werden daran ziemlich wenig ändern.