Es gibt also Gegenden in Deutschland, die man auch sehr konkret benennen kann, in denen eine allgemeine Verkehrskontrolle nicht ratsam erscheint. Denn das löse „sofort einen Großeinsatz aus“. Mancherorts sei „die Situation derart außer Kontrolle, dass wir dort nur noch in Mannschaftsstärke anrücken und arbeiten können. Das ist nicht in ganz Deutschland so, aber eben an bestimmten Brennpunkten.“ Das sind laut Jochen Kopelke, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, „Teile Nordrhein-Westfalens, Berlin, Hamburg, Bremen, Frankfurt – die Ballungsräume eben, wo viele Menschen in kleinen Wohnungen leben, die meisten auch noch von staatlichen Zuwendungen“. Dort haben schon heute „Banden und Clans das Sagen, Gewalt ist hip und an der Tagesordnung“. Und es werde schlimmer.
Kurz danach verschickte Bundesinnenministerin Nancy Faeser „ein Blatt Papier“ zu verbesserten „rechtlichen Möglichkeiten“ der Polizei: „Das war’s.“ Ebenso kam die angekündigte Strafverschärfung bei Landfriedensbruch nicht. Auch sonst nur Untätigkeit und der Ruf nach Böllerverbotszonen, die es nun in Neukölln geben wird, obschon das kein absolut sicheres Gegenmittel gegen neue Silvesterunruhen sein kann. Denn zum einen gibt es andere Mittel, um Unfrieden zu stiften, zum anderen müssen die „Neuköllner“ sich ja nicht an das Verbot halten. Sie leben ja in so einer Zone des Nicht-Rechts, die in Deutschland gerade nach französischem und schwedischem Vorbild entstehen.
Patriarchale Strukturen und die getriebene Polizei
Und wieder werden in allgemein psychologisierender Form Dinge herangezogen wie der Konsum „unfassbar brutaler Videos“. Ganz im Sinne eines Pawlowschen Reiz-Reaktions-Schemas. Der fortgesetzte Konsum stumpfe ab, sagt Kopelke dem Focus, und das ist wahr. Es geht aber etwas anderes voraus, das Kopelke im Nachsatz anspricht: „Das ist auch ein Elternproblem.“ Eltern, die sich nicht kümmern, will Kopelke sagen, aber wohl auch Eltern, die in dieser Hinsicht selbst kein Vorbild sind, sondern selbst durch maßloses Auskämpfen von Konflikten und durch mangelnden Respekt vor Vertretern des staatlich-gemeinschaftlichen Gewaltmonopols auffallen.
Für übermäßig patriarchalische Strukturen sind deutsche Extremisten kaum noch bekannt, dafür aber umso mehr islamische Extremisten. Frauen sind also weniger wert, und Schulkinder respektieren unsere „Demokratie“ nicht. Dass es weniger um Demokratie als um die in Deutschland allgemein geteilten Werte geht, ist dabei geschenkt. Aber dennoch: Wie konnte all das nur passieren? Kopelke kommt zum Schluss: „Wir erleben zunehmend eine Polizei, die nicht mehr bürgernah arbeiten kann. Wir haben einfach keine Zeit, wir sind Getriebene.“
„Gib deine Keule ab, wir kümmern uns“
Dann kommen die Klagen über mangelnde personelle und technische Ausstattung, aber das wäre ohnehin nur das Pflaster auf eine klaffende Wunde, die davon auch nicht heilt. Kopelke wünscht sich eine „schnelle und harte Aburteilung von Hassdelikten“ – warum nicht zunächst einmal von ganz normalen, klassischen Vergehen und Verbrechen? Das war die alte Bedeutung von Recht und Ordnung, heute braucht es offenbar eine polizeiliche Aufsicht über die auf dem Schulhof vertretenen Weltanschauungen. Frankreich lässt grüßen, doch dort werden bereits die Lehrer in die Enge gedrängt und in die Mangel genommen, wenn sie sich nicht dem muslimischen „Flashmob“ unterordnen.
Kopelkes Schlusswort ist so düster wie das Interview zuvor. Er sieht das Grundprinzip des Rechtsstaats („Gib deine Keule ab, wir kümmern uns, hier passiert dir nichts“) gefährdet. Das einst „eherne Versprechen“ gelte nicht mehr uneingeschränkt, auch weil die Polizeien in Deutschland unterfinanziert seien und sich teils zerfaserten wie durch die Spezial-Grenzpolizei von Markus Söder in Bayern.
Nichtfolgeleistung als modernes Problem
Egal, was solche Randscharmützel zwischen Polizisten und Politik nun bedeuten, bleibt die Überforderung der Polizei ein Problem. Die ist aber, wie auch Kopelke sagt, alles andere als generell, sondern betrifft nur eine bestimmte Klientel. Es ist eine Überforderung durch Landesbewohner, die die Polizei nicht anerkennen und sich ihr im Zweifelsfall widersetzen, sogar Hinterhalte legen und die Beamten mutwillig mit gefährlichen Apparaturen attackieren. Was dem Linksextremen der Molotow-Cocktail, das ist dem Neu-Hamburger (Neu-Berliner, Neu-Ruhrgebietler etc.) eine Kombination aus Polenböller und Deoflasche, welche er dann wie eine Handgranate auf die Beamten wirft.
In Frankreich ist das Thema der Nichtfolgeleistung durch den Fall Nahel M. auf die Agenda gerutscht. Der 16-Jährige hatte bei einer Verkehrskontrolle einen Fluchtversuch im Sportwagen unternommen und war dabei durch den Schuss eines Polizisten ums Leben gekommen. Seitdem sind die „refus d’obtempérer“ in aller Munde. So wie es ein Fernsehkommentator nun zusammenfasste: „Wenn Sie in den Vorstädten die extreme Linke haben, die die Jugendlichen ständig gegen die Polizei aufhetzt, indem sie ihnen erzählt, dass die Polizei rassistisch sei und töte, wie können Sie dann erwarten, dass es keine Nichtfolgeleistung gibt?“ Erst am Samstag brachte sich ein Marseiller Drogenkurier, bewaffnet mit einem Messer, selbst ums Leben, als er versuchte, der Polizei auf einem Motorroller zu entkommen.