Bilder führen leider häufig zu einer Kapitulation der Rationalität vor der Emotion. Für bewegte Bilder wie im Fernsehen gilt das besonders, die TV-Berichte vor etwa vier Wochen aus Portugal sind dafür ein ernüchterndes Beispiel.
Da sah man vor der Klinik Santa Maria, dem größten öffentlichen Krankenhaus in der Hauptstadt Lissabon, eine schier endlose Schlange von Rettungswagen mit akuten Corona-Patienten. Irgendwann zählte ein Reporter 41 Fahrzeuge vor der Notaufnahme, drinnen war die Klinik da schon längst überfüllt.
Die Bilder verfehlten ihre Wirkung nicht. Portugals Regierung bat die EU-Partner um Hilfe. Als Erste reagierten – Überraschung – die Deutschen: Anfang Februar brachte Berlin Hilfsgüter auf den Weg und schickte 26 Sanitäter und Pfleger der Bundeswehr zur Unterstützung bei der Behandlung portugiesischer Corona-Patienten.
Ganz nüchtern hätte man damals schon fragen sollen, ob die Entsender eigentlich noch bei Trost sind.
Deutschland befindet sich seit nunmehr einem üppigen Vierteljahr in einem Dauer-Ausnahmezustand. Das ist natürlich ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich: Eine Ausnahme kann per definitionem nicht dauerhaft sein. Eigentlich. Corona ändert auch hier die Regeln.
Es mangelt also an dringend notwendigen Dingen, bei denen jede helfende Hand – auch von Bundeswehrsoldaten – hier im eigenen Land gebraucht würde.
Aber die Frage, ob bei objektiv begrenzten Ressourcen potenziell lebensrettende Hilfe daheim nicht womöglich doch wichtiger ist als Hilfseinsätze woanders – diese Frage stellt sich in Deutschland keiner mehr, zumindest nicht im polit-medialen Mainstream-Komplex.
„Der Weise lässt, was er nicht tun kann. Nur der Dumme tut, was er nicht lassen kann.“
(Konfuzius, zugeschrieben)
Also flog die Bundeswehr nach Lissabon.
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In Portugal war man absolut nachvollziehbar froh, dass die ewigen Streber aus Alemanha wieder einmal aller Welt zeigen wollten, dass niemand einem Deutschen das Wasser reichen kann – auch nicht in Sachen Hilfsbereitschaft; und auch dann nicht, wenn es in der Bundesrepublik selbst (siehe oben) gerade mehr als genug sinnvolle Einsatzorte für Bundeswehr-Sanitäter gäbe.
Die Portugiesen sind ein freundliches und dankbares Volk, und das zeigten sie auch. Bei ihrer Ankunft wurden die deutschen Helfer gefeiert wie Superstars. Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt hätten ihnen am Straßenrand und aus anderen Autos wildfremde Menschen zugejubelt, berichtete das Bundeswehr-Team.
Nun unterliegen jubelnde Menschenmassen öfter recht abrupten Stimmungsschwankungen. Zum Beispiel kann man sich durchaus mit einiger Berechtigung fragen, wie viele von denen, die 2015 im Überschwang der Gefühle am Münchner Hauptbahnhof den ankommenden Flüchtlingen applaudierten, sich heute wieder dorthin stellen würden, um dasselbe noch einmal zu tun.
Auch die Begeisterung der Portugiesen für die deutschen Helfer hat sich zuletzt deutlich abgekühlt. Das liegt allerdings nicht daran, dass die Soldaten etwas falsch gemacht hätten. Es liegt vielmehr an etwas, das auf den ersten Blick mit der Corona-Hilfsaktion gar nichts zu hat:
Es liegt an der internationalen Investitionspolitik Chinas.
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Mit der werden jetzt auch die Bundeswehr-Sanitäter überraschend konfrontiert. Denn die deutschen Corona-Helfer arbeiten nicht in überfüllten Krankenhäusern, vor denen Rettungswagen lange Schlangen bilden und ein kollabierendes Gesundheitssystem dokumentieren.
Nein, das medizinische Personal aus Deutschland wird im „Hospital da Luz“ eingesetzt. Das ist eine private Fünf-Sterne-Klinik, eine der teuersten des Landes. Auf deren Internetseite kann man erfahren, dass das Luxus-Krankenhaus trotz der Pandemie alle seine regulären (und lukrativen) Leistungen weiter anbietet – bis hin zu Schönheitsoperationen.
Recherchen der Deutschen Welle zeigen nun, dass die deutschen Helfer zwar auf der Intensivstation des Privatkrankenhauses Corona-Patienten behandeln – aber „die Nutzung ihrer Infrastruktur“ stellt die Klinik der portugiesischen Regierung sorgsam in Rechnung.
Das „Hospital da Luz“ wird von der Firma „Luz Saúde“ betrieben. Die gehört über verschachtelte Beteiligungen mehrheitlich dem chinesischen Großkonzern Fosun.
Unterm Strich muss Portugal also einem chinesischen Konzern Geld dafür geben, dass Bundeswehrsoldaten in einer privaten portugiesischen Luxusklinik Corona-Patienten behandeln dürfen.
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Der Journalist Rui Barros hat den Einfluss chinesischer Unternehmen auf Portugals Gesundheitswesen in einem umfangreichen Datenprojekt untersucht. Er sagt, dass „Luz Saúde“ allein im ersten halben Jahr nach dem Ausbruch des Virus von der portugiesischen Regierung Aufträge zur COVID-Bekämpfung in Höhe von rund 40 Millionen Euro erhalten habe.
Nicht alle sterben am Virus, und auch nicht alle gehen pleite.
Ach ja, bevor wir es vergessen: Im Haushaltsjahr 2019 hat Deutschland aus verschiedenen Töpfen etwa 630 Millionen Euro Fördergelder bzw. Entwicklungshilfe gezahlt. Und zwar nicht – wie Sie jetzt vielleicht gedacht haben – an Portugal.
Sondern an China.