Frankreichs Präsident François Hollande nannte die Mord-Anschläge eben: „An act committed by a terrorist army, Daesh, against France, our values, who we are, a free country that speaks to the entire planet.“
Die konkreteste Einschätzung kommt aus Australien. Greg Barton, Professor für Global Islamic Politics, sagt, der „Islamische Staat“ sei nahezu sicher für die Terroranschläge in Paris verantwortlich. Extremistische Gruppen seien in der Lage, junge Männer in Wochen und Monaten, nicht in Jahren, für solchen Terrorismus zu motivieren und auszubilden. In solchen Zirkeln würde nur face-to-face kommuniziert: „“They’re meeting face-to-face in the migrant suburbs of Paris, they’re passing handwritten notes, and they’re probably moving very quickly.” Für die Sicherheitskräfte in allen Ländern sei das eine schlechte Nachricht.
Einen direkten Beobachter zitiert The Guardian. Der Psychotherapeut Mark Colclough hat mit einem Kollegen zusammen in der Rue la Fontaine gesehen, wie ein Mann auf die Gäste eines Cafes feuerte. Er beschreibt den Attentäter als professionell gekleidet und agierend: „If you think of what a combat soldier looks like, that is it – just without the webbing. Just a man in military uniform, black jumper, black trousers, black shoes or boots and a machine gun. Maybe a woolly hat. He was left handed and shooting in bursts of three or four shots. It was fully intentional, professional bursts of three or four shots.”
Mehr Freiheit im Nahen Osten oder weniger in Europa
Woran alle, die sich bisher äußern, übereinstimmen, ist, dass der Pariser Terror professionenell geplant und koordiniert war. Es zeichnet sich auch ab, dass die Täter im Lande rekrutiert werden und nicht zum Zwecke des Anschlags ins Land gebracht. Etwas anderes als das weitere massive Aufrüsten der Sicherheitsapparate überall kann gar nicht die Folge sein. Doch was der Sicherheit nützt, schadet regelmäßig der Freiheit. Aber wer für die Freiheit nicht im Nahen Osten kämpft, muss die Sicherheit in Europa aufrüsten.
Dass wir jetzt noch nicht erfahren können, wer in Paris gemordet hat und in wessen Auftrag, ist eines. Dass diese Terrormorde das öffentliche Klima bleibend verschärfen, ist das andere. Wer die Mörder tatsächlich sind, ist für die öffentliche und veröffentlichte Meinung kaum noch relevant. Für die einen ist der Islam verantwortlich für den Islamismus, für die anderen haben Islamismus und islamistischer Terror nichts mit dem Islam zu tun. Der Terror in Paris ändert an beiden Sichtweisen nichts, sondern verschärft die Tonlage, in der sich beide Seiten bekriegen. In den Social Media ist das schon heftig im Gange.
Heute Morgen beantwortete ein Experte auf Phoenix die Frage, ob mit den syrischen Flüchtlingen auch potentielle Terroristen kämen. Die Antwort wird wenige beruhigen. Flüchtlinge, die ja vor dem IS-Terror fliehen, seien keine potentiellen Attentäter. Würden sie aber in ihren Erwartungen an Europa und Deutschland enttäuscht, könne man das später nicht ausschließen. Wer denkt da nicht an Frankreichs Banlieues?
Schon mein Appell, dass es jetzt noch dringender wird als bisher schon, seine Worte zu wägen, bevor man sie rausschießt, werden mir Leute auf beiden Seiten übel nehmen. Denn beide wollen nun noch unbedingter nichts mehr anderes hören als „Bekenntnisse“ zu ihren Meinungen.
Wenn die deutsche und europäische Politik jetzt nicht vom Zaudern, Schwadronieren und Gipfeln zu einer umfassenden Strategie findet, ist den Regierenden nicht mehr zu helfen, dann verlieren sie noch den Rest von Legitimität, dann übernehmen auseinanderstrebende Kräfte die Oberhand. Meine Phantasie reicht weiter, als ich schreiben möchte.
Gesundbeten ist keine Politik
Die Symbolpolitik, mit der Angela Merkel auch gestern im ZDF-Format „Was nun?“ weitermachte, als ob sich in den letzten Wochen nichts getan hätte, ist hohler denn je. Dass Merkel heute sagt, wir müssen dem Terror unsere Werte entgegensetzen, ist als Solidaritätsadresse an Frankreich angemessen wie ihre mitfühlenden Worte für die Opfer und das Land insgesamt. Der politischen Verantwortung einer Kanzlerin aber, entsprach ihr ZDF-Auftritt nicht: Deutschlands Defizite können nicht gesund gebetet werden.
Wenn dem Terror von Paris keine tatsächliche Politik im Nahen Osten folgt, wenn das politische Berlin weiter nur milde kommentierend zuschaut, was dort passiert, verlieren die Gewählten den schwachen Grad an Vertrauen, der ihnen geblieben ist, auch noch. Wer Europa zusammenhalten oder besser zusammenbringen will, darf das Handeln im Nahen Osten nicht mehr der irritierenden Konkurrenz von USA und Russland überlassen.
Wenn Europa mehr in offenen als geschlossenen Gesellschaften leben können soll, muss eine öffentliche Debatte her, die auf Klarheit in der Sache setzt, auf sonst nichts.
Der Terror in Paris am Freitag, dem 13. November 2015, stellt die politischen Weichen neu – wohin, wissen wir noch nicht.