Vor dem Landgericht läuft in Dresden der Prozess gegen einen der Angeklagten im Fall des in Chemnitz ermordeten Daniel H. Beschuldigt wird der 23-jährige Asylbewerber Alaa S., dem die Staatsanwaltschaft gemeinschaftlichen Totschlag vorwirft. Der Mittäter, ein Iraker, ist auf der Flucht und soll sich in den Irak abgesetzt haben. Ein weiterer Mann wurde bei der Messerstecherei schwer verletzt.
Gleich zu Beginn des Prozesses wollte Verteidigerin Ricarda Lang in einem Fragenkatalog Gesinnung und politische Haltung der Berufs- und Laienrichter wissen. Sie fragte unter anderem, ob diese Mitglied der AfD oder von Pro Chemnitz seien, ob sie sich öffentlich zum Beispiel in Leserbriefen gegen „Flüchtlinge” ausgesprochen, an Demonstrationen in Chemnitz nach der Messerattacke oder an Demonstrationen von Pegida teilgenommen hätten. Denn, wie sie sagte, von der »Einstellung der Richter zur Flüchtlingsfrage« hänge ein faires Verfahren ab. Damit nutzt sie die Aufregung nach dem Mord in Chemnitz, sogar die Bundeskanzlerin hatte zu einem Generalverdacht gegen Chemnitz beigetragen, als sie von angeblichen rechten „Hetzjagden“ sprach, für ihre Strategie.
Im Umkehrschluss dürften dann wohl nur Mitglieder von SPD, Die Linke, Die Grünen oder Teilnehmer an den Antifa-Aufmärschen nach dem Mord teilnehmen?
Für überzogen hält der Staatsanwalt übrigens nur die Frage nach einem Sympathisieren mit Parteien oder Gruppen, ob Blumen am Tatort abgelegt wurden oder zur generellen Einstellung der Schöffen zu „Flüchtlingen”. Der Staatsanwalt findet einen Teil der Fragen für begründbar, der Prozess erhält so gleich zu Beginn eine erneute politische Brisanz. Eine Entscheidung vertagte die Richterin.
Verteidigerin Lang hatte wohl von Beginn auf einen politischen Prozess gesetzt. Vor Prozessbeginn hatte sie bereits beantragt, den Prozess des Landgerichtes Chemnitz nicht in den Sicherheitsräumen des Oberlandesgerichtes Dresden stattfinden zu lassen, sondern vor dem Landgericht Leipzig. Das hatte der Bundesgerichtshof abgelehnt. Er sah keine Anhaltspunkte dafür, dass die Richter des Landgerichtes Chemnitz Gedankengut »rechter Demonstranten« teilen und unter dem Druck der Straße urteilen würden.
Schließlich beantragten die Verteidiger die Einstellung des Verfahrens wegen mangelnder Beweise, weil man nicht wisse, »wer, wann, wie das Messer geführt« habe, ihr „Mandant sei jedenfalls „unschuldig“. Auch der Angeklagte bestreitet die Tat. Auffallend ist die Kleidung des Angeklagten, auf dessen Jacke ein ebenso ins Auge springender schwarzer Aufnäher mit dem Namen des Modelabels »Piro Brano« zu sehen ist. Möglicherweise einem Istanbuler Herrenausstatter zugehörig, der hier eventuell Werbung machen will.
Der Staatsanwalt beschrieb die Tat als gemeinschaftliche Tat, an der mindestens zwei Akteure beteiligt waren, der Angeklagte Syrer Alaa S. und der flüchtige Iraker Farad. A. Beide hätten in »bewusstem und gewollten Zusammenwirken« auf Daniel H. eingestochen, dabei dessen Herz und Lunge getroffen. Gefunden wurde bisher nur ein Messer, auf dem keine DNA-Spuren des Angeklagten zu finden waren. Die Polizei hatte sämtliche Spuren am Tatort aufgenommen und sogar Gully-Deckel auf der Suche nach einem weiteren Messer geöffnet. Der Angeklagte äußerte sich auf Fragen der Richterin nicht zur Sache. Seine Verteidigung fordert die Aufhebung des Haftbefehles.
Am ersten Tag wurde Zeuge Dimitri H. gehört, ein 38-jähriger deutschen Staatsbürger mit russischem Hintergrund. Er war ebenfalls niedergestochen worden, überlebte schwerverletzt. Vor Gericht konnte er den Täter nicht zweifelsfrei erkennen. Auch ein zweiter Mann habe nach seiner Aussage auf das Opfer eingeschlagen; er konnte aber nicht erkennen, ob er ein Messer in der Hand hielt oder nicht. Besonders auffällig: Mindestens ein weiterer Zeuge aus dem Umfeld des Angeklagten soll massiv unter Druck gesetzt worden sein.
Denn der Angeklagte und der flüchtige „mutmaßliche“ zweite Täter gehören zum Personenkreis von mutmaßlich kurdischen PKK-Asylbewerbern – teils mit intensivkriminellem Vorstrafenregister, gefälschten Pässen und mehreren Identitäten. Sie wurden in sehr jungen Jahren für linksextremistischen Kampf militärisch fit gemacht. So präsentierte sich das kurdische Täter-Trio von Chemnitz und sein »Freunde«-Umfeld auf Facebook teilweise mit mehreren Identitäten samt martialischer PKK-Kleidung mit PKK-Sternen und Maschinengewehren. Das spielte im Prozess – wie auch in der allgemeinen Berichterstattung – bislang keine Rolle.
Das Gericht hat über 50 Zeugen geladen. Der Prozess soll bis Ende Oktober dauern. Und er wird das Land weiter spalten. Schon spricht der Moderator des heute journal in seiner Einleitung zu einem Bericht über den Prozessbeginn davon, dass es in Chemnitz »ausländerfeindliche Parolen und rassistische Übergriffe gab,« als ginge es um deren strafrechtliche Aufarbeitung. Dabei geht es um einen Mord, nicht um Haltung, Demonstrationen oder Proteste. So wird im Zusammenspiel von Verteidigung und Medien ein Mordprozess zum politischen Prozess. Einer Stadt und einer Region soll der Prozess gemacht werden, um von dem eigentlichen Verbrechen abzulenken und ein mildes Urteil zu erzwingen.