Tichys Einblick
Geschäfte mit chinesischem Staatskonzern

Der Hamburger Hafen wird zum Prüfstein der Koalition

Der Kompromiss, den das Kabinett zum Anteilskauf eines chinesischen Staatskonzerns am Hamburger Hafen am Mittwoch fällen wollte, steht wieder auf wackligen Füßen. In der Ampel-Regierung knirscht es mal wieder. Auch die Opposition kritisiert das Vorhaben.

IMAGO / Frank Ossenbrink

Die Ampel-Koalition kommt nicht zur Ruhe. Hatten zuvor die Grünen die Rolle des einsamen Verteidigers in der Atom-Debatte übernommen, so befinden sich nun die Sozialdemokraten unter Beschuss der anderen Koalitionspartner. Auslöser ist das China-Geschäft am Hamburger Hafen. Derselbe Robert Habeck, der sich noch vor kurzem in einer Zwangslage befand, will nun den SPD-Kanzler Olaf Scholz stellen. Ihm stehen fünf weitere Bundesminister zur Seite, darunter auch FDP-Justizminister Marco Buschmann.

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Am Dienstag sah es nach einem Kompromiss aus. Der chinesische Staatskonzern Cosco soll nur noch 24,9 Prozent statt der anberaumten 35 Prozent an der Betreibergesellschaft des Terminals Tollerort erhalten. Dafür bräuchte es einen Kabinettsbeschluss. Doch wie schon zuvor versucht der Kanzler den ursprünglichen Deal zu schützen. Wenn das Kabinett bis Ende Oktober dem Kauf keine Steine in den Weg legt, ist das Geschäft unter Dach und Fach.

Das Magazin Business Insider bestätigte am Dienstagnachmittag diese Interpretation. Anders als zuvor mehrere Medien spekuliert haben, käme es demnach zu keinem Kompromiss – zumindest nicht an diesem Mittwoch. Über die Themenwahl der Kabinettssitzungen entscheidet das Kanzleramt. Zitat: „Es zeichnet sich ab, dass man gar nicht im Kabinett zu einer Einigung finden kann, weil Scholz partout dagegen ist, das Thema zu behandeln. Möglich ist aber auch ein sogenannter Umlaufbeschluss.“

Habeck warnte davor, man dürfe nicht denselben Fehler wie bei China wiederholen. Ganz ähnlich argumentierte Buschmann, der sagte, dass kritische Infrastruktur nicht in die Hände der Pekinger Regierung geraten dürfe. Außenministerin Annalena Baerbock rief in Erinnerung, was „das in jenem Moment bedeuten könnte, in dem sich China gegen uns als Demokratie und Wertegemeinschaft stellen würde“. Das Auswärtige Amt hatte sich bisher für eine vollständige Untersagung des Deals eingesetzt.

Gegenüber der Wirtschaftswoche sagte der FDP-Politiker Johannes Vogel zudem: „Ich bin und bleibe deshalb sehr kritisch bei jedem Einfluss des chinesischen Regimes auf kritische Infrastruktur, das gilt zum Beispiel auch für die Hardware unseres Mobilfunknetzes. Zumal China im Gegenzug niemals eine relevante Beteiligung deutscher oder europäischer Unternehmen etwa an Häfen zulassen würde.“

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Stichwort 5G: Es muss nicht immer gleich ein Hafen sein. Schon bei der Diskussion um das Netz gab es bestechende Parallelen zum heutigen Fall. Angela Merkel wollte die Debatte möglichst kleinhalten. Auch damals machten Geheimdienste ihre Bedenken gegenüber Huawei öffentlich. Heute warnt das Handelsblatt neuerlich vor der Naivität im Bezug auf 5G. Huawei-Komponenten seien trotz Warnungen von Nachrichtendiensten und Sicherheitsexperten nach wie vor integraler Bestandteil deutscher Mobilfunknetze. Man müsse die Naivität „dringend ablegen“.

Auch in der Opposition kam man zu einer überraschend einstimmigen Meinung. „Wir sind mehr als skeptisch, dass ein chinesischer Staatskonzern sich in deutsche Infrastruktur einkaufen darf“, sagte die Christdemokratin Julia Klöckner. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sprach von einer „falschen Entscheidung“. „Deutschland darf sich in keine einseitigen Abhängigkeiten begeben – schon gar nicht in die der Kommunistischen Partei Chinas“, erklärte Krzysztof Walczak von der AfD. Selbst die Linkspartei hatte Zweifel an dem Geschäft, der Deal beschädige die „Souveränität des Hamburger Hafens“, erklärte Norbert Hackbusch. Eine Allparteienkoalition außerhalb der SPD – hat es das bisher gegeben?

Sollte die Ampel heute dennoch zum Kompromiss finden, dann ist es ein Kompromiss auf Zeit. Peking wird darüber nicht erfreut sein, kann sich aber mit dem Gedanken trösten, in den Folgejahren die verbliebenen Anteile aufzukaufen – ob direkt über Cosco oder ein neu gegründetes Partnerunternehmen. Im Reich der Mitte hat man längere Zeiträume im Blick als Wahlperioden. Insbesondere angesichts der kürzlich erfolgten Stärkung von Staatschef Xi.

Für Olaf Scholz bleibt dann immer noch das Ruhmesblatt übrig, die Politik seiner Vorgängerin nahtlos fortgesetzt zu haben.

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