In der Landeshauptstadt München kann die CSU nach der aktuellen Prognose kein Direktmandat mehr erwarten. Die Stimmkreise an der Isar gehen am 26. September nach aller Wahrscheinlichkeit an die Grünen – mit einer mutmaßlichen Ausnahme. Im Münchner Norden könnte sich der Sozialdemokrat Florian Post durchsetzen, der in den Umfragen vor der grünen Bewerberin liegt, wenn auch nur knapp. Sollte Post wieder in den Bundestag kommen, dann wäre das aus einem anderen Grund eine kleine Sensation. Denn der Münchner kämpft in zwei Richtungen: gegen die die Konkurrenten von Grünen und der abgeschlagenen CSU – und gegen das Führungspersonal der eigenen Partei. Vielen in der Fraktionsspitze, im Berliner Parteiapparat und erst recht in der bayerischen SPD wäre es den Funktionären ganz Recht, wenn Post es am Sonntag nicht schafft. Dort gilt ein Motto, das inzwischen bei fast allen Parteien die Kaderpolitik bestimmt: Lieber nicht gewinnen als mit dem falschen Kandidaten. „In diesem Wahlkampf bin ich von den Leuten mehr auf der Straße angesprochen worden als in den Jahren vorher, und zwar ganz überwiegend positiv“, meint Post. „Ich schaue sehr entspannt auf den Sonntagabend.“
Dafür, dass es sich bei Post um den falschen Bewerber handelt, gibt es aus Sicht der Parteioberen gleich mehrere Gründe. Zum einen gehört der 40jährige, der vor seinem Bundestagseinzug 2013 als Diplomkaufmann arbeitete, zu den Typus des Traditionssozis, der in Ansichten und Sprachgebrauch eher dem früheren Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky ähnelt als den meisten gleichaltrigen SPD-Mandatsträgern und Funktionären. In der Bundesfraktion zählte Post zu den Kritikern von Andrea Nahles; nach der Landtagswahl 2018 in Bayern, als die SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen die Zahl der Mandate halbierte, aber trotzdem Landeschefin bleiben wollte, warf er ihr Postenkleberei vor. Das taten viele im kleinen Kreis. Post dagegen öffentlich. Das merkte man sich an der Spitze.
Als Saskia Esken und Kevin Kühnert auf den identitätspolitisch nicht ausreichend geschmeidigen Wolfgang Thierse losgingen, schöpfte der Bayer die Bezeichnung „Bonsai-Jakobiner“. Er erinnerte außerdem diejenigen in seiner Partei, die für die Einführung der Vermögenssteuer und eine viel höhere Erbschaftssteuer eintreten, dass es in München und anderen Großstädten durchaus Menschen gibt, deren Eigenheim mittlerweile viel Wert ist, und die trotzdem nicht über riesige Einkommen verfügen: „Das war einmal unsere Klientel.“
In den Antworten unter Posts Tweet („Ahh, ich soll jetzt Mitleid mit jemandem haben, der ein ein Mio. Haus erbt? Der nach Steuern noch 900k übrig hat? Ja, das war schon immer die Klientel unserer Partei“) und ähnlichen Kommentaren zeigte sich übrigens der Mentalitätswandel in der Partei. Vor allem jüngere Mitglieder können sich offenbar gar nicht vorstellen, dass sich in vergangenen Jahrzehnten auch Facharbeiter in der Stadt ein Haus leisten konnte, und dass diese Leute tatsächlich einmal zur Kernwählerschaft der SPD zählten.
Am deutlichsten setzte sich Post von den meisten Repräsentanten seiner Partei ab, als er im Bundestag nicht nur gegen das Corona-Bundesnotbremsengesetz stimmte, sondern zusammen mit anderen Abgeordneten dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht klagte (bis jetzt wurde darüber nicht entschieden).
Die maßgeblichen Leute in der Landespartei sorgten dafür, dass Post keinen Listenplatz bekam. In der Konkurrenz um die Position des Wahlkreiskandidaten tauchte Anfang 2021 sehr plötzlich eine Konkurrentin auf, Philippa Sigl-Glöckner, persönliche Referentin von Wolfgang Schmidt, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und engster Vertrauter von Olaf Scholz.
Der Berliner „Tagesspiegel“ bewarb Sigl-Glöckner als „30 Jahre alte weltgewandte Frau“, die „eine neue, progressive SPD will“, und machte damit den Frontverlauf deutlich: Dort der rechte Außenseiter in München, da die junge Garantin des Fortschritts aus der Hauptstadt. Die Parteibasis wählte trotzdem Post mit 81 Prozent zum Direktkandidaten. Sigl-Glöckners Ergebnis fiel vielleicht auch deshalb sehr bescheiden aus, weil sich herausstellte, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Bewerbung noch in Berlin gemeldet war. Wenn er schon nicht als Direktkandidat zu verhindern war, fanden die Entscheider in den beiden Zentralen, dann sollte der einzige Münchner Sozialdemokrat mit realistischer Aussicht auf einen Wahlerfolg zumindest ohne Parteiunterstützung auskommen. Als Olaf Scholz im Sommer nach München kam, luden Mitarbeiter des Apparats – ob in Berlin oder im Land, bleib offen – alle SPD-Größen der Stadt ein. Nur Post nicht.
Als Post im Juni abends auf dem Odeonsplatz mit Journalistenbegleitung unterwegs war, wo es an Samstagen immer wieder zu illegalen Autorennen, zu Rangeleien zwischen jungen Männern und zur Vermüllung der Gegend kommt, fragte der Politiker einen jungen Mann aus einer dieser einschlägigen Gruppen, der eine Bierflasche auf den Boden warf, was das solle. Der Angesprochene beschimpfte den Abgeordneten als ‚Hurensohn‘, ging auf ihn los und versetzte ihm einen Stoß vor die Brust. Die Polizei stellte sich zu seinem Schutz dazwischen. Bei einem körperlichen Angriff auf einen wahlkämpfenden Abgeordneten gibt es normalerweise spätestens am nächsten Tag Solidaritäts- und Empörungsadressen der Partei. In diesem Fall blieben die Offiziellen still. Denn erstens kam der Schubser aus einer Gruppe von Jungmännern mit Migrationshintergrund, es handelte sich also um den falschen Aggressor. Und damit, was die Probleme am Odeonsplatz anging, auch grundsätzlich um das falsche Thema. Und eben um den falschen Abgeordneten. Zu allem Überfluss war Post noch mit dem falschen Medium unterwegs, nämlich mit Journalisten der BILD.
Im Münchner Norden fallen Posts Plakate unter den anderen Bewerbern auf. Eine Variante zeigt nur seinen Namen und wirbt für die Erststimme – ohne jeden Hinweis auf die Partei. Ein anderes zeigt das SPD-Logo klein oben rechts. Denn immerhin steht die Basis nach wie vor hinter ihm. Münchens Ex-Oberbürgermeister Christian Ude, der aus ähnlichen Gründen wie Post ein distanziertes Verhältnis zur Kühnen-Esken-SPD pflegt, organisiert den Wahlkampf für ihn. Als Scholz im September auf dem Münchner Marienplatz auftrat, holte er Post auf die Bühne. Angesichts des vermutlich knappen Wahlausgangs braucht er den Bundestagsabgeordneten wahrscheinlich dringender, als Post umgekehrt die SPD benötigt.
Die Geschichte des SPD-Manns ist deshalb auch ein Lehrstück darüber, dass es selbst einem eingespielten Parteiapparat nicht ganz leichtfällt, Mitglieder zu vergraulen, die sich nicht passgenau einfügen.
Im Vergleich zu Post muss ein anderer Kandidat noch etwas mehr Druck des eigenen Apparats aushalten. Bei dem Direktkandidat der CDU im Wahlkreis 196 in Südthüringen, Hans-Georg-Maaßen handelt es sich wahrscheinlich um den einzigen Bewerber in der CDU-Geschichte, von dessen Wahl gleich drei prominente Parteimitglieder abrieten: Der Ostbeauftragte der Bundesregierung und sächsische CDU-Spitzenkandidat Marco Wanderwitz, der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther und zuletzt dessen Schulministerin Karin Prien, Mitglied im Kompetenzteam von Armin Laschet. Prien warb bei Markus Lanz sogar indirekt für Maaßens Gegenkandidaten, den früheren Biathlet Frank Ullrich, der für die SPD antritt: „Ich bin von Leistungssportlern immer wieder fasziniert.“ Aus ihrer Sicht gilt das gleiche wie in der SPD für Florian Post: Lieber den Wahlkreis nicht gewinnen als mit dem Falschen.
Neben den führenden CDU-Mitgliedern kämpft auch der Verein „Campact“ gegen Maaßen, indem er Druck auf den Direktkandidaten der Linkspartei ausübte, seine Kandidatur zugunsten von Ullrich zurückzuziehen, um Maaßen so zu verhindern. „Campact“ schaltete nicht nur für erstaunliche Summen Anzeigen im Netz, sondern sorgte auch dafür, dass mehrere hundert Aktivisten Mails an den Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow gingen, von dem die Aktivisten verlangten, er solle den Rückzug des Linkspartei-Kandidaten im Wahlkreis 196 anordnen. Als Ramelow das Ansinnen „Nötigung“ und „Aufforderung zum Verfassungsbruch“ nannte – Ramelow hat in bei den Linken keine Parteiämter inne – fand er sich von Karl Lauterbach umgehend als Helfer eines Faschisten angeprangert. Zumindest, wie es früher in der DDR hieß, als Helfershelfer.
Im Wahlkreis 196 lässt sich auf engstem Raum der deutsche Hysteriepegel messen. Und auch die Verschiebung der politischen Linien, wenn ein Linkspartei-Regierungschef darauf hinweisen muss, dass es so etwas wie Gewaltenteilung gibt.
„Über mangelnde Bekanntheit kann ich mich jedenfalls nicht beschweren“, sagt Maaßen. Es scheint fast so, als wäre die bizarre Stimmungsaufladung im Wahlkreis 196 und die Projektion auf einen Parteiaußenseiter ein Ausgleich für den langweiligen Wahlkampf auf der großen politischen Bühne. Um zu verstehen, was andere überhaupt in dem Kandidat Maaßen sehen, lohnt es sich, den Text von Thomas Wendrich in der „Welt“ zu lesen. Wendrich schrieb das Drehbuch für den Film „Je suis Karl“, einen von vielen dystopischen Streifen, in dem Rechtsextremisten nach der Macht in Deutschland greifen. Dramen dieser Art bilden in der Bundesrepublik mittlerweile ein eigenes reiches und weitverzweigtes Genre. Aus Wendrichs Sicht stehen die Faschisten, Rechtsextremisten, Rechten – Begriffsschärfe ist nicht seine Sache – in Deutschland und Europa schon kurz vor der Herrschaft. Für ihn ist Maaßen das Gesicht dieses Phänomens, das er und andere als hyperrealistisches Bild vor sich sehen.
„Die Maaßens und Le Pens, Kickls, Weidels und Salvinis, die Gaulands und Sellners, die Höckes, Sarrazins, Hofers und Kubitscheks dieser, unserer Welt“, schreibt Wendrich, „haben das Zepter fester denn je in der Hand. Die Rechten kapern die Gesellschaft, indem sie versuchen, unsichtbar in ihr aufzugehen.“ Und: „Und da grüßte der oberste Verfassungsschützer mit braunem Raunen die Freunde auf der Straße in Chemnitz und will nun in den Bundestag (Oder nicht?). Sie gehen durch die Institutionen, wie seinerzeit die APO.“ Zwischen APO und „Zepter fest in der Hand“ liegt normalerweise ein gewisser Unterschied, auf den ein apokalyptisches Manifest allerdings keine Rücksicht nehmen kann. Ebenso wenig wie auf den Umstand, dass Maaßen bisher kein Amt innehat, Götz Kubitschek und Martin Sellner noch nie eins hatten, und alle anderen Genannten der Opposition angehören. Als der Ex-Sozialdemokrat Thilo Sarrazin am Donnerstag als Wahlhelfer zu Maaßen kam, nutzte dem Kandidaten das Zepter in der Hand nicht besonders viel: er musste die Veranstaltung mit Sarrazin kurzfristig verlegen, weil am ursprünglichen Ort die Antifa aufmarschiert war.
Wer sich Maaßens Wahlkampfreden ansieht, findet darin nur Versatzstücke, die in der CDU und selbst in der SPD vor 20 Jahren zum jeweiligen Hauptstrom der Partei gehörten. Für die CDU in Südthüringen scheint das noch immer zu gelten. Anderenfalls hätte sie Maaßen nicht aufgestellt. Der Ausgang im Wahlkreis 196 am Sonntag wird so oder so zum Zeichen an der Wand. Wie muss ein Kulturschaffender den Bundestagseinzug von Hans-Georg Maaßen eigentlich sehen, wenn er schon seine Kandidatur für einen Faschismusnachweis hält?
Interessant wird auch, wie viele Erststimmen Maaßen im Verhältnis zur Zweitstimme bekommt, also zur Parteistimme.
Das Prinzip, lieber nicht als mit dem Falschen zu gewinnen, zieht sich quer durch die deutsche Parteienlandschaft. Bei den Linken gab es viele Genossen, die gegen die Bundestagskandidatur von Sahra Wagenknecht agitierten. Besonders kräftig nach ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ über die identitätspolitische Wende des linken Milieus, dem Debatten über Hautfarbenschattierungen und Klimagerechtigkeit inzwischen wichtiger sind als beispielsweise die Belastung für Schlechtverdiener durch die höchsten Strompreise Europas. Nach langen Debatten nominierte die Partei Wagenknecht dann doch knapp als Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen. Was auch damit zu tun hat, dass die Linke in den Umfragen zwischen fünf und sieben Prozent pendelt. Am Ende fanden offenbar auch ausgemachte Wagenknecht-Hasser, dass es unklug wäre, in dieser Lage auf das mit Abstand bekannteste Parteimitglied zu verzichten.
Bei den Grünen schleppt sich das Parteiausschlussverfahren gegen den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer dahin, der „unser Vertrauen verloren hat“ (Annalena Baerbock).
Auch bei der AfD in Sachsen gab es den Versuch, gleich zwei Wahlkreiskandidaten nach dem Motto ‚lieber nicht gewinnen als mit den Falschen‘ wieder zu kippen: den Münchner Autor Michael Klonovsky als Direktbewerber in Chemnitz, und den Leipziger Cellist Matthias Moosdorf, Kandidat in Zwickau. Beide sind nach Ansicht von etlichen Funktionären der sächsischen Parteiführung zu bürgerlich, zu liberal, sie wirken nicht so, wie sich viele im Parteiapparat einerseits und viele Medienschaffende andererseits einen AfD-Politiker vorstellen. In diesem Punkt existiert eine bemerkenswerte Übereinstimmung. Moosdorf wie Klonovsky plädieren dafür, dass die AfD mittelfristig aus der Totaloppositionsrolle herauskommen sollte, jedenfalls dann, wenn CDU ihren Kurs entsprechend ändern sollte. Klonovsky tritt dafür ein, auch ausdrücklich um Migranten als Wähler zu werben. Für ihn ist es selbstverständlich, dass ein Einwanderer Deutscher werden kann. Das sieht bekanntlich nicht jeder in der Partei so. Überhaupt Partei: bei Michael Klonovsky kommt noch dazu, dass er der AfD nicht angehört, sondern als Parteiloser kandidiert. Mit Unterstützung führender Parteimitglieder des so genannten Flügels setzten einige Mitglieder die vorübergehende Abwahl von Moosdorf als Direktkandidaten durch (der dann im zweiten Anlauf allerdings noch einmal gewählt wurde). Der Versuch, Michael Klonovsky mitten im Wahlkampf als Direktkandidat abzuwählen, ging schief. Der Schriftsteller („Land der Wunder“) machte die Erfahrung, dass auch Berufspolitiker der AfD eine Wahl unverzeihlich finden und versuchen, sie wieder rückgängig zu machen. Obwohl sie damit scheiterten, halten sie beide Kandidaten selbstverständlich nach wie vor für die Falschen. Führende Flügel-Leute kündigten schon an: sollte Klonovsky in den Bundestag einziehen, werde er nicht in die sächsische Landesgruppe aufgenommen. Die Landesgruppe Hessen bot ihm deshalb eine Art Asyl an.
Interessant lesen sich die Begründungen der Parteikader in WhatsApp-Gruppen warum er herausgesäubert werden sollte. Gleich nach dem formalen Argument, er sei kein gebürtiger Chemnitzer (allerdings gebürtiger Sachse) folgte der Vorwurf: Klonovsky trinke keinen Wein unter 50 Euro. Aber auch: Er sei zu DDR-Zeiten Mitglied der Blockpartei LDPD gewesen. „Nichts davon“, so Klonovsky, „stimmt.“ Er erlebte also, gleichzeitig als bürgerlicher Snob und als verkappter Sozialist angeprangert zu werden.
So sehr sich Florian Post, Hans-Georg Maaßen, Boris Palmer, Sahra Wagenknecht, Michael Klonovsky und Matthias Moosdorf in ihren politischen Positionen unterscheiden: ein paar Gemeinsamkeiten gibt es doch. Erstens nehmen alle Außenseiterpositionen ein, zumindest aus Sicht des Parteiestablishments. Daran, dass einer von ihnen morgen den Kurs seines Vereins bestimmen könnte, glaubt niemand. Auch die Betreffenden selbst nicht.
In früheren Zeiten galt es als selbstverständlich und sogar vorteilhaft, dass Parteien eine gewissen Angebotsvielfalt verfügten und auch den einen oder anderen Exot Spielraum ließen, solange er den Wählern gefiel. Auch aus diesem ganz praktischen Grund hielten es eine Rita Süssmuth und ein Alfred Dregger, eine Heidi Wieczorek-Zeul und ein Hans Apel und zeitweise sogar eine Claudia Roth mit Otto Schily in einer Partei aus. Heute gibt es in allen Parteien nur noch wenige, die mit einer gewissen Eigenwilligkeit auffallen, und wenn überhaupt, dann höchstens auf der Abgeordnetenebene. Aber selbst die wenigen Exemplare sollten nach Ansicht der jeweiligen Apparate am besten noch verschwinden. Die wenigen Außenseiter gelten als so störend, dass Vertreter des Apparats lieber auf Stimmen verzichten als auf die Parteidisziplin. Das wirkt merkwürdig angesichts der Tatsache, dass mittlerweile keine Partei in Deutschland mehr als 30 Prozent der Stimmen bekommt. Andererseits aber folgerichtig in einem Land, in dem die Kanzlerin erfolgreich eine Wahl rückabwickelte, und ein ZDF-Komödiant eine „gesellschaftliche Meinungskontrolle“ fordert.
Es gibt noch eine Gemeinsamkeit der Paradiesvogel-Kandidaten über alle Lager: Ein Florian Post, eine Sahra Wagenknecht könnten ihr Geld jederzeit auch außerhalb der Berufspolitik verdienen. Hans-Georg Maaßen, Michael Klonovsky und Matthias Moosdorf kamen bisher ohne Diäten aus. Schon dieses Stück Unabhängigkeit macht sie zu misstrauisch beäugten Einzelfällen in einem Betrieb, in dem für die Mehrheit der Verlust von Mandat und Amt auch einen finanziellen Absturz bedeutet. Nicht jeder kann anschließend sein Telefonbuch versilbern oder auf einem Versorgungsposten unterkommen.
Am Sonntag entscheiden die Wähler auch darüber, ob sie auch einige Außenseiterexemplare im Parlament wünschen.
Ginge es nur nach den Parteiapparaten, wäre keiner der in diesem Text aufgeführten überhaupt auf den Wahlzettel gekommen.