Seit zwei Monaten sitzt Eva Kaili in Untersuchungshaft. Während die ehemalige Vizepräsidentin des EU-Parlaments weiterhin ihre Unschuld beteuert, kommen die belgischen Behörden mit der Arbeit kaum noch nach. Letzte Woche nahm die Polizei den italienischen Abgeordneten Andrea Cozzolino fest, diese Woche folgte der belgische EU-Abgeordnete Marc Tarabella. Er soll 120.000 Euro aus Katar erhalten haben. Am 16. Februar wurden die Namen zwei weiterer Mitglieder des EU-Parlaments bekannt, die in „Katargate“ involviert sind. Es handelt sich um die Belgierin Maria Arena und ihre italienische Kollegin Alessandra Moretti.
Die Beschuldigten sollen einer Gruppe angehört haben, welcher Pier Antonio Panzeri und dessen Assistent Francesco Giorgi angehörten. Panzeri war Vorsitzender des Unterausschusses für Menschenrechte. Giorgi ist der Lebensgefährte von Kaili und arbeitete auch für Cozzolino. Die ehemalige Vizepräsidentin wälzt seit ihrer Festnahme die Schuld auf Giorgi ab. Kaili scheint sich trotz Unschuldsbeteuerung darauf gefasst zu machen, dass ihr ein schwerer Prozess bevorsteht. Sie hat Sven Mary engagiert, den früheren Strafverteidiger des islamistischen Terroristen Salah Abdeslam, so berichtet die Presse. Abdeslam war eine der Schlüsselfiguren beim Anschlag auf das Pariser Bataclan im Jahr 2015. Wegen einiger ähnlich zwielichtiger Mandanten hat er den Beinamen „Anwalt des Teufels“.
Laut Politico sollen Panzeri und Giorgi marokkanischen Interessen gedient haben, indem sie darüber diskutierten, Kaili oder Cozzolino in den Untersuchungsausschuss um die Spyware Pegasus einzusetzen. Marokko wird beschuldigt, Pegasus benutzt zu haben, um die spanische Regierung auszuspionieren. Kaili und Cozzolini wurden beide Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Panzeri und Giorgio sollen zudem einen Marokko-kritischen Antrag im EU-Parlament erfolgreich hintertrieben haben. Die Ermittlungen haben an Fahrt aufgenommen, seitdem Panzeri und Giorgi mit den Behörden zusammenarbeiten und die Namen ihrer Gefolgsleute schrittweise enthüllen.
Panzeri hat es in seiner Zeit als Vorsitzender des Menschenrechtskomitees sogar geschafft, einen geheimen Pakt mit dem „Nationalen Menschenrechtskomitee Katar“ zu schmieden. Geheim deswegen, weil selbst das Parlament von dem Papier nichts wusste. Politico hat es mittlerweile veröffentlicht. Demnach wollte man „Erfahrungen und Fähigkeiten“ in „verschiedenen Feldern“ austauschen. Brüssel und Straßburg schliefen, als dieser Deal zwischen einer Institution des EU-Parlaments und einem außereuropäischen Staat zustande kam. Das hat Katar nicht davon abgehalten, weiterhin seine Nicht-Einmischung in der nach ihm benannten Affäre zu beteuern.
Bereits 2018 unterzeichnete Panzeri das Papier und behauptete, die anderen Mitglieder des Ausschusses würden es ebenfalls erhalten – was nie passierte. Stattdessen flog Panzeri kurze Zeit später nach Katar und lobte die Reformen Katars im Zuge der Vorbereitung der FIFA-Weltmeisterschaft. Ali bin Samikh Al Marri, der Vorsitzende des „Nationalen Menschenrechtskomitees Katar“ und Gegenunterzeichner des Papiers, dessen Organisation angeblich von jedem Einfluss der katarischen Regierung frei sein soll, wurde später Arbeitsminister – und damit eine Figur, die wegen der schlechten Arbeitsbedingungen für ausländische Bauarbeiter in der Kritik stand.
Auch später nutzte Panzeri immer wieder die Gelegenheit, auf die Reformen in Katar hinzuweisen. Katar veranstaltete zwei angebliche „Ko-Konferenzen“ mit dem EU-Parlament, obwohl dieses gar nichts von seiner Beteiligung wusste. Panzeri nutzte bei seinen Auftritten das Logo des Parlaments und Katar verwies auf den europäischen Partner. 2020 flogen 300 Teilnehmer einer solchen Konferenz mit Business-Class-Flügen, die von den Kataris bezahlt wurden, danach Unterkunft im Ritz Carlton Hotel und ein Abendessen im Nationalmuseum von Katar, um die Konferenz zu beenden.
Kaili, Tarabella und Moretti, die an der Veranstaltung teilnahmen, haben diese Reise nie deklariert. Zugegen war auch Cristian-Silviu Bușoi, der Vorsitzende der Katar-Freundschaftsgruppe von der EVP. Er schob die fehlende Deklarierung auf einen „Personalfehler“.