Tichys Einblick
Messerattacke in Auckland

Der Anschlag in Neuseeland und das Versagen des Staates

Ein Sri Lankaner hat in Neuseeland einen Anschlag verübt. Die Behörden waren jahrelang nicht in der Lage, ihn auszuweisen.

Polizist am Ort des Anschlags, dem New Lynn Supermarkt in Auckland, 3. September 2021

IMAGO / Xinhua

In der neuseeländischen Stadt Auckland sind gestern bei einer Terrorattacke mindestens sieben Menschen niedergestochen worden. Ein 32-Jähriger Mann griff in einem Supermarkt zum Messer und begann, wahllos um sich zu stechen. Premierministerin Jacinda Ardern spricht von einem „sinnlosen Gewaltakt“ und will jetzt das Antiterrorgesetz verschärfen.

In ihrer Erklärung zum Anschlag versucht Ardern, das Handeln der Staatsmacht in diesem Fall zu rechtfertigen – nach 60 Sekunden hätten Polizisten den Mann erschossen, der bereits seit Jahren als einer der terrorgefährlichsten Menschen des Landes bekannt war. Ahamed Aathil Mohamed Samsudeen stand tatsächlich seit Jahren auf Listen der Behörden in Neuseeland. Der 32-Jährige war 2011 als Flüchtling aus Sri Lanka gekommen. Schnell radikalisierte er sich über das Internet und fiel mit Postings in den Sozialen Medien der Polizei auf: Er wolle „Kiwi-Abschaum jagen“, schrieb Samsudeen, posierte mit Waffen. Seit fünf Jahren beobachtete ihn die Polizei. Das Beschattungsteam war es auch, das den Attentäter dann binnen einer Minute niederschoss. Doch das Team wartete vor dem Supermarkt, folgte seinem Ziel nicht hinein. So verspielten die Beamten vor Ort wertvolle Zeit.

Doch nicht nur vor Ort versagte der Staat konkret – auch in den Jahren vor der Tat konnten die Behörden den Sri Lankaner nicht verhaften oder ausweisen. 2016 glorifizierte er die Terrorattacken in Paris und Brüssel. Laut der Polizei erklärte Samsudeen anderen Muslimen gegenüber, er wolle als Soldat des Islamischen Staates nach Syrien reisen. 2017 wurde er an einem neuseeländischen Flughafen verhaftet, bei einer Durchsuchung seiner Wohnung fanden die Beamten mehrere Waffen. Ein Jahr saß der Terrorist im Gefängnis, dann wurde er unter Beobachtung freigelassen. Bereits am ersten Tag nach der Haftentlassung besorgte Samsudeen sich ein Jagdmesser. Er wurde erneut verhaftet. Eine weitere Durchsuchung sicherte IS-Videomaterial, unter anderem ein Video mit dem Titel „Wie man Ungläubige tötet“. Dieses mal wurde er als Terrorist angeklagt. Doch erneut kam Samsudeen letztendlich frei. Denn die Vorbereitung eines Terroranschlages war zu diesem Zeitpunkt in Neuseeland keine Straftat.

Dass mit Ahamed Samsudeen ein seit Jahren bekannter und beobachteter Gefährder einen Anschlag verüben konnte, träfe sie auch persönlich sehr, erklärt die Premierministerin. Bei den Neuseeländern dürfte der Fall neben Betroffenheit auch einen faden Beigeschmack haben, denn die Behörden sind gerade im Kontrast zu dem sonst seit Monaten durch die Corona-Politik so omnipräsenten Staat in Neuseeland bitter. Polizei und Justiz sind bei Verstößen gegen den Lockdown schnell und unnachgiebig – ein Terrorist, der bekanntermaßen morden will, kann aber nicht aufgehalten werden.

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