Tichys Einblick
"Generalstreik" am 8. Januar

Der Ampel droht eine Welle der Wut

Die Bauern machen nur den Anfang. Sie starten am 8. Januar eine Protestwelle, wie sie das Land „noch nicht gesehen“ habe. Andere Berufsgruppen schließen sich an.

IMAGO / Arnulf Hettrich

Der Weg zu den EU-Wahlen im Juni könnte für die Ampel steinig werden. Die Landwirte haben angekündigt, dass sie am Montag, 8. Januar, einen Protest starten werden, der bis in den April anhalten soll. Anlass ist die eine Milliarde Euro, welche die Ampel über Agrardiesel und KfZ-Steuer den Bauern abnimmt, um die Löcher in ihrem Haushalt zu stopfen.

Bauernpräsident Joachim Rukwied, bisher ein Sparringspartner der Politik, hat bereits vor Weihnachten angekündigt, dass die Landwirte im neuen Jahr protestieren werden, „wie es das Land noch nicht erlebt hat“. Der Protest soll bis in den April anhalten und dann mit einer Großdemonstration in Berlin enden. Auch andere Verbände wie die Freien Bauern unterstützen den Protest.

Doch der wird über diesen Berufsstand hinausreichen. Auch die Spediteure wollen auf die Barrikaden gehen. Der „Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung“ mobilisiert gegen die Mauterhöhung. Genau wie die Bauern werden sie am 8. Januar auf die Straße gehen – in mehreren Landeshauptstädten. „Die Kampagne ,#mauteverest – so kommen wir nicht über den Berg‘ soll die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gezielt auf die Problematik der CO2-Maut richten und den Druck auf die Politik erhöhen“, heißt es auf der Internetseite des Verbandes.

Ärzteprotest gegen Lauterbach
Geschlossene Praxen drohen zwischen Weihnachten und Silvester
Dazu kommen andere Streiks: Die Hausärzte haben bereits angekündigt, dass die Schließung der Praxen zwischen den Feiertagen nur ein Anfang sei. Sie kämpfen gegen ausbleibende Corona-Prämien und gegen das System der Pauschalierung. Die Krankenkassen bezahlen Hausärzte nur für eine bestimmte Anzahl an Fällen; haben sie diese in der Mitte des Monats bereits behandelt, arbeiten sie für die restlichen Tage ohne Lohn, aber mit den Kosten für Sprechstundenhilfen. Entsprechend könnten die Praxen auch an weiteren Monatsenden geschlossen bleiben. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wirbt zwar für Paxlovid und Impfung, aber daran, dass die Ärzte und Helfer tagelang unentgeltlich arbeiten, will er festhalten.

Auch die Lokführer treten in den Streik. Am 7. Januar endet der Weihnachtsfrieden, den GdL-Boss Claus Weselsky versprochen hat. Dann könnten die Räder dank Warnstreiks auch mal für ganze Wochen stillstehen. Die Bahn hält eine Lohnerhöhung für unangemessen, die fast an die Erhöhung des Bürgergelds ran reicht. Zumal kaum noch Geld da ist. Die Bahn hat ihre Klimaschutzziele erreicht. Dafür haben sich die Bahnchefs selbst millionenschwere Prämien ausgezahlt. Wer also im Januar nicht zur Arbeit kommt, kann sich damit trösten, dass er damit indirekt und irgendwie den Klimaschutz gefördert hat.

Ob die Gastronomen streiken, ist noch unklar. Aber dass die Ampel die Mehrwertsteuer für sie mehr als verdoppelt hat, senkt die Gewinnspannen dramatisch. Schon jetzt wird in der Gastronomie so schlecht bezahlt wie in keiner anderen Branche. teilt die Fachgewerkschaft NGG mit. Auch wenn die Gastronomen nicht streiken, könnte sich daher mancher Koch und Kellner überlegen, ob es sich für ihn nicht langfristig lohnt, Löffel oder Tablett hinzulegen.

Manche Landwirte trommeln im Netz mit dem Begriff „Generalstreik“ für den Protest am 8. Januar. Doch der ist ungenau. Ein Streik ist es, wenn dieser wie bei der GdL Tarifforderungen unterstützt. Ein Generalstreik ist eine politisch motivierte Niederlegung der Arbeit, ohne Tarifverhandlungen, dafür mit politischen Forderungen verknüpft. In Deutschland ist der Generalstreik verboten. Protest nicht. Als solcher werden die Aktionen der Landwirte, Spediteure und gegebenenfalls der Gastronomen korrekt bezeichnet.

Widerstand geht weiter
Trecker-Demonstrationen: Bauernpräsident kündigt weitere Proteste an
Im Netz ist auch bereits von Revolte und Revolution die Rede, die am 8. Januar ausbrechen sollen. Doch das dürfte eher unrealistisch sein. Sprüche wie der vom nie gesehenen Protest gehören zum Handwerkszeug von Funktionären in Verbänden und Gewerkschaften – und sind eher politische Folklore. Und die Funktionäre bemühen sich schon jetzt, die Gemüter zu beruhigen. So heißt es etwa auf der Internetseite des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung: Durch den Protest „soll die Leistung und Leistungsbereitschaft der Transportunternehmen und Fahrer in den Vordergrund gerückt werden und positiv, smart und mit Humor kommuniziert werden. Die Politik soll wachgerüttelt aber nicht vergrault werden. Der BGL ist sehr um einen gemeinsamen lösungsorientierten Dialog bemüht.“

Der eigentliche Protest in Deutschland sieht ohnehin anders aus. Es ist ein passiver Streik, der längst ausgebrochen ist. Trotz Arbeitskräftemangels steigt der Anteil der Menschen, die ihrer Arbeit nur noch lustlos nachgehen oder gleich in Arbeitslosigkeit oder ins Bürgergeld abwandern. Mittlerweile endet mehr als die Hälfte aller Beschäftigungen mit einer Kündigung des Arbeitnehmers, hat die Berliner Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) über eine Studie herausgefunden.

Gerade in den Branchen, die von den Zumutungen der Ampel betroffen sind, ist es für Unternehmer schwer, Personal zu finden. Wenn LKW-Fahrer, Bauern, Lokführer, Sprechstundenhilfen oder Kellnerinnen mit Streiks und Protest nicht weiterkommen, brauchen sie sich nicht zu radikalisieren. Sie können ins Bürgergeld gehen. Das hat die Ampel innerhalb eines Jahres um 25 Prozent erhöht. Deswegen gibt es auch keine Revolte der Leute, die nicht arbeiten – denen geht es gut in Deutschland.

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